Das 41. Wiener Motorensymposium fand dieses Jahr anstatt in der noblen Wiener Hofburg sozusagen im kalten virtuellen Raum statt. Auch wenn damit so manche Wechselwirkung menschlicher Klugheit unterbrochen schien, in Form von Videobotschaften und erstklassigen Tagungsunterlagen ergab sich auch diesmal ein schlüssiges Bild des Status quo.

Prägendster Eindruck: Der Schwenk von der Tank-to-Wheel-Beurteilung zur Well-to-Wheel-Analyse ist in allen Köpfen angekommen. Lokale Emissionsfreiheit oder die reine Betrachtung des Energieverbrauchs beim Fahren greifen viel zu kurz. Innovationen müssen im Lichte einer gesamten Schadstoff- und Energiebilanz gesehen werden.

In diesem Zusammenhang erhält sogar die Idee vom Wasserstoff im Verbrennungsmotor neuen Schwung. Bernhard Geringer, Vorstand des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik an der TU Wien und Leiter des Wiener Motorensymposiums: "Es zeigt sich, dass sich in den letzten Jahren der Hauptentwicklungsfokus von Leistung und Drehmoment, Kraftstoffverbrauch sowie Komfort und Emotionen deutlich hin zu Klimaschutz, Emissionen und Treibhausgasausstoß verlagert hat. Heuer entfallen erstmals zwei Drittel der Vorträge auf die Elektrifizierung von Antrieben."

Die Elektrifizierung und die Hybridisierung des Automobils schreiten voran, eine gute Möglichkeit stellt ein zusätzlicher Elektromotor an der Hinterachse dar, der von einem Zulieferunternehmen in großen Stückzahlen gebaut wird.
Foto: Vitesco

Klar ist, dem Elektroantrieb wird nicht kampflos die Zukunft überlassen. Grundtenor dabei: Es ist nicht immer und überall genug Strom zum Fahren verfügbar, und schon gar nicht ist dieser von vornherein CO2-frei, ja oft sogar erweist sich die Gesamtbilanz der Stromverwendung, vor allem seiner Erzeugung, als schlechter als beim Antrieb mit Verbrennungsmotor. Der Verbrennungsmotor bleibt vor allem mit zunehmender Verwendung von Kraftstoffen nicht fossilen Ursprungs attraktiv.

Dabei hilft ihm die Steigerung der Energieausnutzung durch Elektrifizierung, beginnend bei 48-Volt-Mild-Hybrid über Hochvolt-Hybride und Plug-in-Hybridtechnik. Geringer: "Die nächsten Jahre wird das Antriebsportfolio breiter, ohne dass aus derzeitiger Einschätzung Antriebsformen wegfallen. Wir brauchen alle!"

Konzeptvielfalt

Die Erfüllung globaler Schadstoff- und Verbrauchsgrenzwerte und Kundenwünsche in unterschiedlichen Fahrzeugsegmenten erfordern viele unterschiedliche Konzepte. Um dabei aber die Kosten im akzeptablen Rahmen zu halten, steigt auch der Druck hin zu immer effizienteren Gleich-teil- und Plattformstrategien, eine Thematik, die verschiedene Hersteller je nach Unternehmensgröße recht unterschiedlich angehen, aber alle mit dem gleichen Ziel: auf weltweite Änderungen bei Gesetzesvorgaben und Kundenwünschen hochflexibel reagieren zu können. Das betrifft Verbrenner- und Elektroantrieb gleichermaßen, samt allen Mischformen, die noch entstehen werden.

Andreas Wolf, CEO von Vitesco Technologies, ehemals Continental Power Train, sieht voneinander abweichende Trends je nach Weltregion. In Europa diagnostiziert er starkes Wachstum für den sogenannten Volkshybrid – die 48-Volt-Mild-Hybridisierung –, aber auch für rein elektrische Fahrzeuge. Der Markt für Voll- und Plug-in-Hybride wird dagegen eher moderat wachsen. Der Markt für Verbrennungsmotoren ohne Elektrifizierung schrumpft.

Hier ein Modul von Vitesco für PSA und Hyundai.
Foto: Vitesco

Für die USA diagnostiziert Wolf eher einen flachen Anstieg der elektrifizierten Antriebe, während er in China mit den meisten abgasfreien Autos rechnet. Dort muss laut Gesetz nämlich 2025 ein Viertel aller Neufahrzeuge einen batterieelektrischen oder Brennstoffzellenantrieb haben.

Während im privaten Bereich Autos im weiteren Sinn gefühlsmäßig bezahlbar bleiben müssen, gibt es im gewerblichen Bereich beinharte Kostenrechnungen, das Stichwort lautet Total Cost of Ownership (TCO). Das Druckmittel in Richtung Umweltschonung sind etwa im Lkw-Bereich noch viel höhere Strafzahlungen bei Überschreitungen gesetzlicher Verbrauchsvorgaben. Laut AVL List hat hier der Brennstoffzellenantrieb durchaus das Potenzial, mit dem Dieselantrieb gleichzuziehen, unter der Voraussetzung, dass ein Wasserstoffpreis von vier bis fünf Euro pro kg erzielt wird.

Schon ohne die unabsehbaren Auswirkungen der Corona-Krise war klar, dass im Kampf gegen den Klimawandel enorme finanzielle Anstrengungen bevorstehen. Viele Vorhaben können nur in Zusammenarbeit gestemmt werden, weshalb es einen eigenen Vortragsblock "Unternehmensübergreifende Kooperationen" gab. (Rudolf Skarics, 23.05.2020)