Es gibt solche und solche Dachverbände. Zum Beispiel steht die Sportunion in Österreich der ÖVP und also der Regierung nahe, der ASKÖ wieder ist eher rot, also Opposition. In diesem Licht erscheint die Kritik, die am Montag der Präsident der Sportunion äußerte, besonders bemerkenswert. Peter McDonald, ehemaliger Generalsekretär der Volkspartei, forderte "so rasch wie möglich die Öffnung aller öffentlich finanzierten Sportflächen, insbesondere der Schulsportstätten". Zuvor griffen bereits andere Spitzenfunktionäre wie Hans Niessl (Sport Austria) und Peter Kleinmann (ÖOC) den ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann an, weil dieser bei der Wiederaufnahme des Unterrichts an Österreichs Schulen just den Sport ausgeklammert hatte – aus "epidemiologischen Gründen".

Die Sportplätze bleiben verwaist. Die WHO stellt Österreich "ein übles Zeugnis" aus.
Foto: imago images/Majerus

McDonald verwies auf eine jüngst getroffene Vereinbarung der Weltgesundheitsorganisation WHO mit dem Internationalen Olympischen Comité (IOC). Dazu hatte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus festgehalten: "Körperliche Betätigung ist einer der Schlüssel zu Gesundheit und Wohlbefinden." IOC-Präsident Thomas Bach wurde deutlicher: "Der Sport kann Leben retten", sagte er und rief "die Regierungen der Welt" zu größerem Einsatz für Bewegung und Sport auf. Österreich solle "mit gutem Beispiel vorangehen", sagt McDonald. Es sei allerdings "dringend mehr Platz notwendig, um die Bevölkerung, vor allem die Kinder, wieder fit zu machen".

Mit gutem Beispiel vorangehen? "Dass ich nicht lache", sagt Peter Kleinmann, der 16 Jahre lang den Volleyballverband führte und und nach wie vor im ÖOC-Vorstand sitzt. "Österreich gibt das allerschlechteste Beispiel ab, wenn die Schulsportplätze geschlossen bleiben. In Wahrheit stellt die WHO mit dieser Erklärung Österreich ein übles Zeugnis aus." Laut Kleinmann sei "der letzte Beweis dafür erbracht, dass Minister Faßmann auf die falschen Berater gehört hat. Die Berater gehören ersetzt, und die Schulsportplätze gehören sofort geöffnet."

Es gibt allerdings solche und solche Schulen. Das stellt fest, wer durch die Stadt und durch das Land fährt. Einige halten sich strikt an die Verordnung des Ministeriums, andere schicken die Schülerinnen und Schüler sehr wohl hinaus, auf die Sport- und auch auf Spielplätze. Coronavirus-Studien sind bei kaum einem Punkt so einstimmig wie darüber, dass das Risiko einer Infektion im Freien viel geringer ist als in geschlossenen Räumen.

Unter dem Mindestmaß

Laut WHO wäre schon eine Stunde Bewegung pro Tag für Kinder und Jugendliche ausreichend. "Selbst das", sagt Sport-Austria-Präsident Niessl, "erreichen 71,2 Prozent der Burschen und sogar 84,5 Prozent der Mädchen bei uns nicht. Gerade in einer Gesundheitskrise vernachlässigen wir die Sport- und damit die Gesundheitserziehung wie nie zuvor." ASKÖ-Präsident Hermann Krist berichtet von "Anrufen vieler Direktorinnen und Direktoren, die unsere Bewegungsexperten gerne bei sich hätten, um Lehrerinnen und Lehrer zu entlasten. Besonders bitter ist, dass der Bildungsminister die positive Wirkung, die Bewegung und Sport für die Lernfähigkeit der Kinder leisten, nicht anerkennt."

Neben Faßmann geriet zuletzt Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in die Kritik, auch weil zugesagte finanzielle Hilfen für darbende Sportvereine auf sich warten lassen. Sportfunktionäre vermuten, Kogler sei mit seinen anderen Aufgaben ausgelastet. Am Montag bekam er sozusagen Entlastung, da wurde Susanne Riess als Sporthilfe-Präsidentin mit einem Amt betraut, das bis dato der Sportminister traditionell selbst bekleidete. Riess war 2000 bis 2003 FPÖ-Vizekanzlerin und Sportministerin, sie ist Generaldirektorin der Wüstenrot-Gruppe, im NR-Wahlkampf 2019 unterstützte sie die ÖVP. (Fritz Neumann, 18.5.2020)