Abstand wird bei Wahlveranstaltungen des Oppositionellen Agathon Rwasa nicht eingehalten, dafür sein Porträt hochgehalten.

Foto: AFP

Seuche, Überschwemmungen, Hungersnot und Repression: Schlimmer können die Bedingungen für einen Urnengang nicht sein. Trotzdem werden in dem zentralafrikanischen Kleinstaat Burundi am Mittwoch Wahlen stattfinden – weil es der regierenden CNDD-FDD-Partei so gelegen kommt. Nach den Worten von Präsident Pierre Nkurunziza haben die fast elf Millionen Burunder auch nichts zu befürchten: Ihr Land stehe "unter Gottes besonderem Schutz", meint der wiedergeborene Christ und Eigentümer des Fußballvereins Halleluja FC. Das Schlimmste sei, dass er es ernst meint, sagt ein oppositioneller Burunder, der seinen Namen nicht nennen will.

In den vergangenen drei Wochen fanden in dem Tausend-Hügel-Staat zahlreiche Wahlkampfveranstaltungen mit tausenden Menschen statt – als ob man in Burundi von sozialer Distanzierung noch nie etwas gehört hätte. Offiziellen Angaben zufolge sind bisher auch erst 42 Menschen an Covid-19 erkrankt, nur ein einziger Infizierter soll gestorben sein.

Ärzte glauben diesen Zahlen allerdings nicht: Die Krankenhäuser würden von Patienten mit eindeutigen Symptomen regelrecht überschwemmt, heißt es dort. Die Eingelieferten können nicht einmal getestet werden, denn im nationalen Labor, der einzigen Einrichtung des Landes, die Tests durchführen kann, haben sich gleich sechs Angestellte angesteckt. Seitdem ist das Institut geschlossen. Als er Zweifel an den offiziellen Statistiken anmeldete, wurde Walter Mulombo, der Repräsentant der Weltgesundheitsorganisation (WHO), in der vergangenen Woche zur Persona non grata erklärt. Jetzt ist Burundi auch vom Rat der Gesundheitsbehörde abgeschnitten.

Krise nach Bürgerkrieg

Der Staat ist international weitgehend isoliert, seit sich der 55-jährige Ex-Rebellenchef Nkurunziza vor fünf Jahren noch eine verfassungswidrige dritte Amtszeit gewährt hat. Sein Manöver stürzte das Land, das sich von einem zehnjährigen Bürgerkrieg zu erholen begann, erneut in eine schwere Krise: Den monatelangen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften fielen mehr als 1.700 Menschen zum Opfer, 350.000 flohen in die Nachbarländer. Westliche Geberstaaten zogen sich daraufhin weitgehend zurück, Burundis ohnehin dürftige Ökonomie kam zum Erliegen. Gemeinsam mit den Sicherheitskräften sorgt die Parteijugend der CNDD-FDD dafür, dass es nicht wieder zu neuen Protesten kommt: Oppositionsmitglieder verschwinden hinter Gittern oder werden umgebracht, unabhängige Medien und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen sind verboten.

Als Nkurunziza vor zwei Jahren die Verfassung dahingehend veränderte, dass er noch bis zum Jahr 2034 hätte weiterregieren können, schien eine weitere afrikanische Diktatur entstanden zu sein. Überraschenderweise konnte seine Partei den "höchsten Führer" doch noch zum Amtsverzicht überreden. Im Gegenzug wurde ihm eine halbe Million Euro "Abfindung", eine neue Luxusvilla, ein lebenslanges Gehalt und die Spesen eines Vizepräsidenten zugesichert. Zum Kandidaten für seine Nachfolge kürte die CNDD-FDD den ehemaligen General und Sicherheitsminister Evariste Ndayishimiye (52). Der hat Burundi in den heutigen Polizeistaat verwandelt.

Boykott des Widersachers

Ndayishimiye stehen sechs oppositionelle Kandidaten gegenüber, von denen höchstens Agathon Rwasa eine Chance eingeräumt wird. Der 56-Jährige hatte mit seiner Partei, dem Nationalen Freiheitsrat (CNL), die beiden vergangenen Urnengänge boykottiert: Die Sicherheitskräfte würden schon dafür sorgen, dass er auch diese Wahlen nicht gewinnt, sagen Kenner des Landes.

Burundi ist einer von 22 afrikanischen Staaten, in denen in diesem Jahr Wahlen anstehen. Manche Machthaber versuchen trotz der sich ausbreitenden Corona-Pandemie an den Terminen festzuhalten – wie Peter Mutharika in Malawi, der vor der Abstimmung am 2. Juli sämtliche Kundgebungen verboten hat. So versucht der unpopuläre Staatschef offensichtlich seine Chancen zu erhöhen. Andere wollen wie der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed oder der ugandische Dauerpräsident Yoweri Museveni den Wahltermin verschieben. Auch dies nicht ohne Hintergedanken: Sie versprechen sich von einem Aufschub eine Galgenfrist. (Johannes Dieterich, 19.5.2020)