Bundesparteiobmann Norbert Hofer beim FPÖ-Neujahrstreffen 2020.

Foto: der Plankenauer

Ein Jahr ist es her, seit das Ibiza-Video mit zwei führenden FPÖ-Politikern in der Hauptrolle die österreichische Politik zumindest kurzfristig umgekrempelt hat. Ibiza brachte nicht nur das (vorläufige) Karriereende des damaligen Vizekanzlers, sondern führte auch zum Bruch der türkis-blauen Koalition, zum ersten erfolgreichen Misstrauensantrag der Zweiten Republik, zur ersten technokratischen Bundesregierung (dem Kabinett Bierlein) und natürlich zu Neuwahlen im Herbst 2019 und somit indirekt auch zur ersten Regierungsbeteiligung der Grünen.

In nur wenigen Monaten war die FPÖ vom bisherigen Höhepunkt ihres Einflusses – bedingt nicht nur durch die starke Ressortausstattung in der Koalition, sondern auch dadurch, dass die ÖVP unter Sebastian Kurz Kerninhalte der FPÖ in weiten Teilen übernommen hatte – auf den Status einer mittelkleinen Oppositionspartei zurückgeworfen worden.

Von Knittelfeld bis Ibiza

Das Jahr 2019 war demnach sicher eines der turbulentesten in der Geschichte der FPÖ. Dennoch liegen ähnlich schnelle Wechsel von Hochs und Tiefs für die Freiheitlichen gar nicht so lange zurück. Im Jahr 2005 geriet die Partei durch die Abspaltung des BZÖ unter Jörg Haider in eine existenzbedrohende Lage, die sie nicht nur die Regierungsbeteiligung, sondern auch fast ihre gesamte parlamentarische Verankerung kostete. Wenige Jahre zuvor, im Herbst 2002, erlebte die Partei infolge der Knittelfelder Delegiertenversammlung den Bruch der Regierung Schüssel I und erlitt bei der darauffolgenden Nationalratswahl den größten Verlust in Prozentpunkten in der Geschichte der Nationalratswahlen seit 1945.

Dass die Zustimmungswerte der FPÖ stärker schwanken als bei anderen Parteien, lässt sich auch empirisch gut darstellen. Die Grafik unten zeigt die Umfragewerte (Mittelwerte pro Monat) der derzeit im Nationalrat vertretenen Parteien seit Jänner 2000. Die FPÖ-Punktwolke erstreckt sich zwischen drei Prozent im Mai 2005 (kurz nach der BZÖ-Abspaltung) und 35 Prozent im Mai 2016 (infolge der Flüchtlingsbewegungen ab 2015).

Allerdings leidet die Vergleichbarkeit zwischen Parteien darunter, dass die Zustimmungswerte kleinerer Parteien naturgemäß weniger stark schwanken als die größerer (wer bei sechs Prozent liegt, kann logischerweise nicht zehn Punkte verlieren). Daher sind gängige Maße für die Streuung wie etwa Varianz oder Standardabweichung wenig aussagekräftig. Zur Lösung dieses Problems kann man den Variationskoeffizienten (Standardabweichung dividiert durch Mittelwert) heranziehen, um ein über die Parteien vergleichbares Streuungsmaß zu erhalten.

Der Variationskoeffizient für die Umfragewerte der Parteien zwischen Jänner 2000 (August 2013 für die Neos) und April 2020 liegt für SPÖ, ÖVP und Grüne zwischen 0,20 und 0,23, für die Neos bei 0,28, für die FPÖ hingegen bei 0,38. Die Zustimmung zur FPÖ in der Sonntagsfrage unterliegt in den letzten 20 Jahren also deutlich stärkeren Schwankungen als bei anderen Parteien.

Die Komplikationen, die noch mit jeder FPÖ-Regierungsbeteiligung verlässlich aufgetreten sind (1986: Koalitionsbruch nach Übernahme Haiders, 2002: Knittelfeld, 2005: BZÖ-Abspaltung, 2019: Ibiza), haben diese Volatilität maßgeblich mitverursacht. Angesichts der gerade noch zweistelligen Werte, die die Freiheitlichen momentan erreichen, kann die prinzipiell vorhandene Volatilität in den nächsten Jahren aber vor allem in eine Richtung wirken: nach oben. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 19.5.2020)