Zeitungsverkauf in Tansanias wichtigster Stadt Daressalam: Die meisten Menschen wissen um die Gefahr durch Covid-19, viele versuchen sich von anderen fernzuhalten. Jene, die arbeiten müssen, um zu überleben, haben freilich keine andere Chance.

Foto: APA / AFP / Ericky Boniphace

Dodoma – Die Fürbitten wurden erhört, glaub John Magufuli. Der Präsident Tansanias hatte in der vergangenen Woche drei nationale Gebetstage angeordnet, nun, sagt er, habe es einen "massiven Abfall" bei der Zahl hospitalisierter Patientinnen und Patienten gegeben. Überprüfen, freilich, lassen sich die Angaben nicht. Tansania veröffentlicht seit Ende April keine Statistiken zum Coronavirus mehr.

Damals waren die Fälle deutlich in die Höhe gegangen – und wenig später hatte die US-Botschaft in der Hauptstadt Dodoma berichtet, die Krankenhäuser in der wichtigsten Stadt des ostafrikanischen Landes, Daressalam, seien massiv überfüllt und überfordert. Zu den Angaben des Präsidenten passen auch andere Bilder nicht: Sie wurden, so jedenfalls behaupten ihre Urheber, des Nächstens auf tansanischen Friedhöfen aufgenommen. Und sie sollen zeigen, wie Personen in medizinischer Kleidung im Schutz der Nacht Beerdigungen durchführen – Videos, die sich auch mit Berichten in anderen afrikanischen Staaten decken, wo geringe offizielle Zahlen mit Berichten von Beerdigungsunternehmen über hohe Auslastung kollidieren.

Positiver Test für Ziege

Sehr wohl aber passen sie zum auch sonst widersprüchlichen Bild, das der Präsident der ostafrikanischen Regionalmacht in der Corona-Krise abgibt. Magufuli, der Tansania seit 2015 zunehmend autoritär regiert, rangiert in seiner Reaktion zwischen den Vorbildern Brasiliens und Weißrusslands. Ähnlich wie sein brasilianischer Amtskollege Jair Bolsonaro hat er mehrfach die Gefahren durch das Virus verharmlost und betont, dass es wichtiger sei, die Wirtschaft des Landes am Laufen zu halten, als die Bevölkerung vor Covid-19 zu schützen. Die Menschen sollten arbeiten gehen. In diesem Sinne will er auch im Sommer wieder "Flugzeuge voller Touristen" in sein Land reisen sehen. Ähnlich wie der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko stellt er zudem die wissenschaftliche Grundlage für die Reaktion infrage.

Und das auf durchaus kreative Art: Er habe Proben unter anderem von einer Papaya, Speiseöl, einem Schaf, einer Wachtel und einer Ziege beim nationalen Labor eingesandt, so Magufuli vor rund zwei Wochen, und diese mit menschlichen Namen versehen. Als Resultat habe er bei der Papaya und der Ziege ein positives Resultat erhalten, behauptete Magufuli in einer Rede. Wie genau das passiert ist, bleibt unklar, Belege legte der Staatschef nicht vor. "Da ist etwas im Gange", lautet jedenfalls Magufulis Fazit. Vielleicht seien einige Mitarbeiter des Labors "von den Imperialisten gekauft worden". Inwiefern der Wunsch nach einem Shutdown ein imperialistisches Projekt wäre, sagte er nicht. Dabei gäbe es durchaus ein schlagendes Argument gegen langanhaltende Shutdowns in ärmeren Staaten: Sie führen zu Hunger und Nahrungsmangel, weil viele Menschen keine regulären Jobs haben und von der Hand in den Mund leben.

Einfluss des Auslands

Das Motiv passt jedenfalls in seinen Wahlkampf: Magufuli will sich im Herbst zum zweiten Mal für eine fünfjährige Amtszeit wählen lassen – und schon bisher hatte er Brachialmethoden gegen Korruption und das Wiederaufleben des Unabhängigkeitsmotivs zu den Zentren seiner Kampagne gemacht.

Ob es die Wahlen überhaupt geben wird, ist allerdings nicht ganz sicher: Ein Abgeordneter von Magufulis "Revolutionspartei" CCM, die Tansanias politische Szene seit Jahrzehnten dominiert, hat bereits vorgeschlagen, sich den Urnengang doch zu sparen und einfach mit dem Amtsinhaber weiterzumachen, um "Kosten zu sparen und das Geld stattdessen in Entwicklungsprojekte zu investieren".

Kräuter und Kommunion gegen Covid-19

So oder anders: Das Corona-Problem bleibt. Und auch die Kritik am Vorgehen Tansanias. Die WHO, die in der aktuellen Krise bisher viele afrikanische Staaten gelobt hatte, stellte dem Land jüngst ein schlechtes Zeugnis aus: Es fehle an Tests und vor allem an Informationsaustausch, die Maßnahmen gegen die Ausbreitung seien ungenügend. Magufuli kann dem wenig abgewinnen. Er bestellte jüngst in Madagaskar große Mengen des Artemisia-Kräuterdrinks CVO, den die dortige Regierung als Heilmittel gegen Covid-19 anpreist. Zudem rät er, Kirchen und Moscheen zu besuchen: Corona sei des Teufels, die Einnahme der heiligen Kommunion zerstöre es sofort, so der strenggläubige Christ. Sein eigener Sohn sei jedenfalls schon an Covid-19 erkrankt gewesen, so Magufuli. Dieser habe sich mit einem Zitronen-Ingwer-Getränk und Wasser-Inhalationen in sein Zimmer zurückgezogen. Jetzt könne er schon wieder Liegestützen absolvieren.

Die Bevölkerung unterdessen sieht das Verhalten ihres Präsidenten skeptisch, heißt es in einem Bericht des örtlichen Konrad-Adenauer-Instituts, den die Deutsche Welle jüngst zitierte. Die Menschen seien in Sorge vor der Krankheit, sie wüssten um die Bedeutung räumlicher Distanzierung und versuchten diese auch so gut wie möglich zu beachten. Daheim zu bleiben, freilich, sei schwierig für all jene, die kaum Geldvorräte hätten. (Manuel Escher, 19.5.2020)