Moderatorin Palina Rojinski und Sophie Passmann in "Männerwelten".

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Im Zuge der Corona-Krise ist viel vom Digitalisierungsschub die Rede. Zahlreiche Unternehmen mussten schnell auf Homeoffice umsatteln, Videokonferenzen gehören jetzt ebenso zum Alltag wie Fragen rund um Datensicherheit, etwa im Zusammenhang mit Tracing-Apps. All das beschäftigt nun deutlich mehr Menschen als zuvor. Alles ging sehr schnell. Eine Viertelstunde im Privatfernsehen vergangene Woche zeigte allerdings, dass es auf einer anderen digitalen Baustelle kaum vorangeht: beim Schutz vor sexualisierter Gewalt und Hass im Netz.

Das deutsche Komikerduo Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf überließ am 13. Mai eine ProSieben-Viertelstunde, um die sie in ihrer Show "Joko & Klaas live" regelmäßig gegen ihren Arbeitgeber antreten. Der lässt ihnen freie Hand für die Gestaltung von circa 15 TV-Minuten, wenn sie gewinnen. Diesmal überließen "Joko & Klaas" das Wort der Autorin und Moderatorin Sophie Passmann, die "erfrischend streng", wie es "Missy Magazine"-Mitherausgeberin Sonja Eismann im Deutschlandfunk formulierte, durch die TV-Ausstellung "Männerwelten" führte.

Dem Thema stand Strenge durchaus gut: In der besagten Viertelstunde ging es um die alltäglichen verbalen Übergriffe auf Frauen – auf Whatsapp, Facebook, Twitter, Instagram.

Obwohl seit Jahren auf das Problem hingewiesen wird und es aufsehenerregende Prozesse rund um das Thema gibt, Stichwort Bierwirt gegen Sigi Maurer, tut sich gesetzlich wenig. Dieser Prozess zeigt allerdings exemplarisch, wo es überall hapert und dass es nach wie vor kaum rechtliche Möglichkeiten gegen digitale Übergriffe gibt. Betroffene riskieren unter anderem eine Klage wegen übler Nachrede, wenn sie Hassrede gegen sich öffentlich machen.

Sexismusvorwürfe

Die breitenwirksame TV-Aktion auf ProSieben zur Primetime zeigte, dass die Sache drängt und aufregt. Auf vielen Kanälen wurde heftig darüber diskutiert, kritisiert – aber auch gelobt. Einige bemängelten die fehlende Vielfalt bei der Darstellung der Betroffenen und dass People of Color oft auf mehrfachen Ebenen belästigt werden, rassistisch und sexistisch. Andere erinnern an alte Sexismusvorwürfe gegen Winterscheidt und Heufer-Umlauf: In ihrer Sendung "Neoparadise" aus dem Jahr 2012 grabschte Winterscheidt im Rahmen einer Challenge einer jungen Messehostess an Brüste und Po. Er entschuldigte sich schließlich, als der Druck des Publikums und der Medien groß wurde.

Eismann kritisierte an "Männerwelten", dass derartige Übergriffe für viele alltäglich seien, das Format aber eher vermittle, es sei eine "krasse" Sache. Passmann und Kolleginnen wie Katrin Bauerfeind, Jeannine Michaelsen, Collien Ulmen-Fernandes und Rapperin Visa Vie präsentierten die weitverbreiteten "Nachrichten": von sexualisierten Gewaltfantasien bis hin zum anfänglich freundlichen Chat, der bei Ablehnung von Sex in wüsten Beschimpfungen endet. Manche Seher*innen, die sich unter der "Joko & Klaas"-Viertelstunde vielleicht etwas anderes erwartet hatten, waren beeindruckt.

Andere, dass derlei womöglich keinen nachhaltigen Effekt hat. Ein Bekannter drückte seine Freude über das baldige Bier im Gastgarten mit einer Frau aus, die nackt und breitbeinig vor fünf Männern sitzt. Drei Tage davor zeigte er sich noch betroffen von "Männerwelten".

Insgesamt geht die Kritik aber meistens damit einher, dass es gut und wichtig war, dass sexualisierte Gewalt in diesem Rahmen thematisiert wurde, indem man auch viele Menschen außerhalb einer ohnehin schon informierten und sensibilisierten Blase erreichen könne.

Andere sehen in dem Video hingegen sogar die dunkelsten "Stunde der Frauenbewegung", weil die TV-Ausstellung Frauen auf die Opferrolle reduziere.

Ingrid Brodnig, Expertin für Hass im Netz, konnte dem Video viel abgewinnen. Das Format zeige durch die Wiederholung und die ähnlich klingenden sexualisierten Herabwürdigungen, dass es nicht um die konkrete Frau, sondern darum geht, Frauen per se zu erniedrigen. Brodnig ergänzte unter anderem, dass man noch die politische Komponente betonen müsste: Frauen, die feministische Beiträge posten, würden besonders "üble Attacken" bekommen.

Außerdem gehe es auch um gezielte Vertreibung von Frauen aus dem öffentlichen Diskurs, um "Silencing". Dass das auch gelingt, zeigt eine Studie, nach der eine von drei Frauen zu bestimmten Themen nichts mehr postet, nachdem sie Belästigung im Netz erlebt hat (DER STANDARD berichtete).

Ein breitentaugliches Format, das sich mit dem Phänomen der Erniedrigung von Frauen im Netz befasst, sei grundsätzlich sinnvoll, meint Brodnig. Auch wenn ein 16-minütiger Beitrag nicht ausreiche, um dieses umfassend zu erklären. (Beate Hausbichler, 19.5.2020)