Seit 67 Tagen sind die österreichischen Hotels in einen wenig romantischen Dornröschenschlaf versetzt. Noch eine weitere Corona-bedingte Woche verschlossener Türen steht bevor, dann dürfen sämtliche Beherbergungsbetriebe wieder aufsperren. Bis zu Redaktionsschluss war nicht klar, unter welchen Bedingungen und Vorkehrungen die landesweite Wiederöffnung am 29. Mai erfolgen kann.

Das sorgt für große Verunsicherung unter den Hoteliers und macht notwendige Vorbereitungen fast unmöglich. Man schätzt, dass rund ein Viertel der Hotels heuer gar nicht aufsperren wird, weil es sich für sie wirtschaftlich nicht rechnen kann. Noch nie in der Zweiten Republik war die Lage des Vorzeigetourismuslandes so angespannt.

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Mögen viele Hoteliers den Stehsatz von der "Krise als Chance" als zynisch empfinden, es gibt auch Ausnahmen.
Foto: Getty Images/Louis Fox

Und doch: Mögen viele Hoteliers den Stehsatz von der "Krise als Chance" als zynisch empfinden, es gibt auch Ausnahmen. Oder besser gesagt: Ausnahmeerscheinungen von Menschen, die mitten in der Krise kreativ waren. Darüber zu sprechen fällt aber nur wenigen von ihnen leicht in einer Phase der Schockstarre.

Konstruktiv in der Krise

Für diesen Lagebericht haben wir bei rund zwei Dutzend heimischer Gastgeber angeklopft und die Frage gestellt: Konnten Sie die Krise auch für etwas Konstruktives nutzen? Die Resonanz darauf war bescheiden. Manche haben die Frage als unverschämt empfunden in Zeiten großer wirtschaftlicher Not.

Andere waren schlicht zu bescheiden, um über ihr Engagement zu sprechen. Da gibt es etwa jenen Arlberger Hotelier, der die Phase der Quarantäne genutzt hat, um für seine Mitarbeiter da zu sein. Viele von ihnen sind Saisonarbeiter mit geringen Deutschkenntnissen. Also hat er sich täglich hingesetzt, Sprachunterricht erteilt und die individuellen Fähigkeiten und Stärken seiner Mitarbeiter gefördert. Publiziert sehen wollte er das aber nicht. Es käme ihm seltsam vor, über eine Selbstverständlichkeit zu sprechen, nur um vor seinen Mitarbeitern als guter Chef dazustehen. Zumal er nicht wisse, ob er nicht demnächst einige Kündigung aussprechen müsse.

Ein Auszug der Gespräche mit Hoteliers, die dennoch über Chancen in der Krise sprechen wollten, ist hier zu lesen.

Hannes und Monika Müller sind guter Dinge, dass bald wieder mehr Gäste an den Kärntner Weißensee kommen.
Foto: Forelle / Martin Lugger

Hannes Müller

Die Forelle, Weissensee

"Ich bin nicht nur Hotelier und Gastronom, sondern immer auch Bauer geblieben. Die Krise bedeutete für mich, dass ich mich mehr um die Landwirtschaft kümmern konnte, überfällige Aufräumarbeiten im Wald erledigen konnte.

Man konzentriert sich wieder auf das Wesentliche: Unsere Landwirtschaft existiert seit vielen Hundert Jahren, während das Hotel wesentlich jünger ist. Wir sind zu 90 Prozent autark von Importen, kaufen nur ganz wenige Produkte jenseits der Grenzen. Also habe ich in den letzten Wochen überlegt, wie man die eigene Landwirtschaft und das Hotel noch näher aneinanderrücken kann.

Ich denke da etwa an den 'essbaren Tiergarten' von Josef Zotter. Dort werden die Geschichten, die hinter der Fleischproduktion stehen, erzählt. Unsere Gäste sollen wieder verstehen, dass Tiere auch Nutztiere sind und nicht nur Schlachtvieh.

Überdies haben wir in Hotelnähe einen kleinen Acker geschaffen, wo zwar nur minimal Lebensmittel produziert werden, aber die Gäste sehen, wo ihr Essen herkommt. Eine Sache, die wir schon länger verfolgen, ist das Konzept der 'essbaren Landschaft'. Da geht es um wildwachsende Pflanzen wie den Wildspargel oder Flechten. Gewächse, die kaum jemand beachtet, obwohl man sie nur aufsammeln muss und sie wunderbar einlegen kann.

Das kann man aber als Hotel nur machen, wenn man nicht hunderte Betten hat. Eine Erkenntnis in der Krise war demnach, dass wir gut daran getan haben immer klein zu bleiben und in die Qualität zu investieren."

forellemueller.at


Karl C. Reiter, Posthotel Achenkirchen: In seinem Hotel dürfen Krankenschwestern gratis Urlaub machen.
Foto: Posthotel Achenkirchen

Karl C. Reiter

Posthotel, Achenkirchen

"Meine Schwester ist Ärztin, und die Frau eines guten Freundes arbeitet auf der Intensivstation. Die haben heftig zulangen müssen in letzter Zeit, die Arbeitsbedingungen im Spital müssen brutal gewesen sein. Da stellt sich schon die Frage, wie man in dieser Situation helfen soll.

Als Hotelier kann ich derzeit immerhin freie Zimmer zur Verfügung stellen. Also habe ich einigen Krankenhäusern von Innsbruck bis nach Wien geschrieben und gefragt, ob ihre Mitarbeiter nicht ein paar Tage kostenlos bei uns Urlaub machen wollen, um sich ein wenig zu erholen. Manche haben sich sehr gefreut und zugesagt, aber es hat auch viele Absagen gegeben. Wegen der strengen Compliance-Bestimmungen dürfen viele die Einladung gar nicht annehmen.

Dabei würde ich mir wirklich wünschen, dass diejenigen in einem Krankenhaus, die es am dringendsten nötig haben, kommen können. Oft sind das die einfachen Krankenschwestern. Es ist zwar nur eine kleine Geste von uns, aber ich habe die Möglichkeit dazu. Ähnlich verhält es sich in unserem Haus. Wir haben auf dem Gelände ein Mitarbeiterrefugium. Da war es für mich selbstverständlich, das weiterhin zur Verfügung zu stellen.

Es ist ohnehin schwierig für sie, deshalb sollen sie wenigstens kostenlos hier wohnen können. Wir sind ein gutes Team, das auch in dieser Zeit zusammenstehen kann. Aber es gab schon Tage, da musste ich mich sehr zusammenreißen, um mental stark zu sein und Zuversicht zu vermitteln."

posthotel.at


"Der Schulterschluss mit unseren regionalen Lieferanten, den wir schon lange praktizieren, hat sich in der Krise als goldrichtig erwiesen", sagt Andreas Döllerer von Döllerers Genießerhotel in Golling.
Foto: Döllerers Genusswelten

Andreas Döllerer

Döllerers Genießerhotel, Golling

"Für mich war der Lockdown keine ruhige Zeit. Ich musste häufig auf Basis weniger Informationen sehr schnell Entscheidungen treffen. Gerade deshalb war es wichtig, dass ich mir die Zeit genommen habe, jeden Tag zu Mittag für meine Mitarbeiter zu kochen. Wir betreiben auch einen Feinkostladen, in dem man vorbestelltes Essen abholen konnte.

Wenn man jeden Tag 70 bis 80 Portionen allein kocht, wird einem nicht langweilig. Der Schulterschluss mit unseren regionalen Lieferanten, den wir schon lange praktizieren, hat sich in der Krise als goldrichtig erwiesen. Wir haben als Tourismusdestination eine größere Chance, wenn wir die Qualität unserer regionalen Produzenten noch mehr in den Fokus rücken.

Ich sehe meine derzeitige Position nicht als Bittsteller, man darf die Unterstützung durch die Regierung ruhig selbstbewusst einfordern. Ich denke, erfahrene Gastronomen und Hoteliers können in der derzeitigen Lage helfen, Antworten zu geben, wie wir die nächste Zeit meistern. Sie sollten halt von den Entscheidungsträgern gehört werden.

Es haben sich Werte verschoben in der Krise. Man schätzt es, wenn man zweimal am Tag mit seiner Familie essen kann und nicht wie früher nur einmal. Und als junger Mensch in der Spitzengastronomie habe ich praktisch jede Einladung zu jedem Event angenommen, die Möglichkeiten sind ja unendlich. Nach drei, vier Jahren wollte ich aber wieder mehr bei der Familie sein. So viel Zeit wie jetzt werde ich wohl nie mehr mit ihnen haben."

doellerer.at


In Sepp Schwaigers Eder Hotels in Maria Alm gibt es verfeinertes Desinfektionsmittel vom Schnapsbrenner.
Foto: Neumayr / Christian Leopold

Sepp Schwaiger

Eder Hotels, Maria Alm

"In einem Hotel möchte man nicht unbedingt die Atmosphäre einer Krankenstation vermitteln – auch wenn Desinfektionsmittel jetzt überall vorhanden sein müssen. Deshalb habe ich mich mit einem Schnapsbrenner aus der Region zusammengetan, der uns normalerweise hervorragenden Gin liefert.

Nun hat er drei Duftrichtungen für uns kreiert: Blue Rosemary, Green Mint und Pink Berry. Das hat sich angeboten, da viele Brennereien in der Krise ohnehin auf die Produktion von Desinfektionsmitteln umgestellt haben. Wir gehen davon aus, dass sie die Gäste mehrmals täglich verwenden wollen, um sich 'safe' zu fühlen. Und alles, was man sich auf die Haut schmiert, sollte auch eine gute Qualität haben.

Die Brennerei hat sich streng an die WHO-Rezeptur für Desinfektionsmittel gehalten, aber diese verfeinert. Kleine Schwierigkeit am Rande: Man bekommt seit Wochen in ganz Europa keine Zerstäuber mehr. Also habe ich mir einen Metallbauer gesucht, der Flaschen in Handarbeit für uns fertigt.

Die nächste schwierige Aufgabe: einen Lieferanten zu finden, der nette Masken für einen angemessenen Preis herstellt. Wir haben schließlich einen gefunden und den Mund-Nasen-Schutz mit lachenden Gesichtern bedrucken lassen. Die sehe ich zum Glück auch häufig unter den Mitarbeiten. Wir haben gemeinsam notwendige Malerarbeiten erledigt und zusätzlich überall motivierende Sprüche angebracht. Gerade stehen wir auf der Straße und beschriften sie: 'Time to enjoy' lese ich da."

ederhotels.com

(Sascha Aumüller, RONDO, 22.5.2020)