Mitte April fanden in Südkorea Wahlen statt. Trotz Corona.

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Wann ist ein Wahlkampf ein Wahlkampf? Wann ist eine Wahl demokratisch? Und ist sie es dann, wenn es keine Massenveranstaltungen gibt und für die Opposition wegen einer aktuellen Krise kaum Platz in den Medien bleibt – oder ihr jedenfalls wenig gegeben wird? Das ist eine Diskussion, die viele Staaten noch vor sich haben, und die auch bei der Wien-Wahl manches andere in den Schatten stellen wird. Und es ist eine, die anderswo schon geführt wurde.

In Polen etwa, wo am 10. Mai ein neuer Präsident hätte gewählt werden sollen, hat man die Debatte schon durchexerziert. Amtsinhaber Andrzej Duda, der der regierenden nationalkonservativen Partei PiS nahesteht, erschien plötzlich fast täglich im Fernsehen, um zu den Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen, obwohl er fachlich dafür nicht zuständig ist. Die Kandidatinnen und Kandidaten der Opposition konnten dies nicht – und die Zustimmung zu Duda stieg in Umfragen noch einmal deutlich an. Die Regierungsgegner nahmen das Argument der fehlenden Wahlveranstaltungen auf und plädierten für eine Verschiebung. Sie seien in den staatlichen Medien ohnehin unterrepräsentiert, nun könnten sie auch über Veranstaltungen und bei der Straßenwerbung keine Zustimmung mehr gewinnen.

Die Wahl fand schließlich tatsächlich nicht statt – allerdings nicht wegen der fehlenden Medienpräsenz der Opposition, sondern wegen Fragen bezüglich der Durchführbarkeit der Briefwahl, die die Regierung durchsetzen wollte. Ein Votum soll nun im Juni oder Juli stattfinden, die Frage der Kampagne stellt sich dann wieder.

Anzeigen statt Autos

Dass Wahlkampf trotz Corona machbar ist, hat – ebenso wie bei der Abhaltung der Wahl selbst – Mitte April Südkorea bewiesen. Auch dort verzichteten die Unterstützerinnen und Unterstützer der großen Parteien zwar auf Massenkundgebungen und die Werbeautos, die sonst mit lautstark vorgetragenen Botschaften die Straße beschallen. Aber einen Wahlkampf gab es trotzdem. Antretende stiegen mit Handschuhen und Gesichtsschilden auf Bühnen, jene, die sie unterstützten, trugen oft Masken mit Werbebotschaften. Und Plakate und Print- und Onlineanzeigen erwiesen sich plötzlich wieder als besonders lohnende Investitionen für die diversen Wahlkampagnen. Außerdem nahmen in den letzten Tagen vor dem Votum Werbeanrufe und SMS-Botschaften zu.

Doch abseits dieser beiden Beispiele sind Wahlkämpfe mit Corona bisher rar. In Bayern etwa, wo nach Pandemiebeginn noch Briefstichwahlen für die Besetzung mehrerer Rathäuser und Stadtparlamente stattfanden, lag der Großteil der eigentlichen Kampagnen noch in der Zeit vor dem Shutdown.

Ergebnisse gibt es allenfalls aus den USA, wo zuletzt einige Kongressnachwahlen und Abstimmungen zur demokratischen Präsidentschaftskandidatur stattfanden. Letztere waren nicht einmal formell noch spannend, da Ex-Vizepräsident Joe Biden als Kandidat de facto feststeht. Aufmerksam beachtet wurden hingegen die Kongressnachwahlen um je einen Sitz in Wisconsin und Kalifornien. Ihr Resultat: zwei Siege für die Republikaner, aber je etwas knapper als erwartet. Der Corona-Faktor scheint allenfalls einen geringen Einfluss gehabt zu haben. (Manuel Escher, 21.5.2020)