Den Humor ließ sich die designierte Staatssekretärin Andrea Mayer bei ihrer Präsentation durch Werner Kogler nicht nehmen. Anspannung lag dennoch in der Luft – besonders als im Bundeskanzleramt minutenlang der Strom ausfiel.

APA / Roland Schlager

Als einleitendes Kulturzitat wählte sie im Gegensatz zu ihrer vom Amt zurückgetretenen Vorgängerin Ulrike Lunacek nicht den Kunstmillionär Jeff Koons, sondern den unverfänglicheren Beatle John Lennon: "Life is what happens to you while you’re busy making other plans."

Über diese anderen Pläne verriet Andrea Mayer, die gestern als neue Kulturstaatssekretärin vorgestellt wurde, zwar nichts, sie deutete aber an, dass der Abschied von ihrem bisherigen Job doch schwerfällt. Seit 2017 leitete Mayer die Kanzlei von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Und ihm, der sie heute, Mittwoch, angeloben wird, fühlte sie sich auch zum Dank verpflichtet. "Ich habe wahnsinnig viel von ihm gelernt", so Mayer in ihrer Antrittsrede, die sie erstmals in ungewohnter Rolle als Politikerin und nicht als Spitzenbeamtin hielt.

Vor ihrem Wechsel in die Hofburg leitete Mayer über zehn Jahre zunächst die Kunst- und dann die Kunst-und-Kultur-Sektion des Bundes. Dorthin zurückzuwechseln sei für sie eine "Heimkehr", sie wisse, welch "tolles Team" das dort sei und "welche Expertise" in dem Ressort herrsche.

Nach den turbulenten Corona-Wochen, seit denen das Vertrauen der Kulturbranche weitgehend verloren und die Kommunikation mit der Szene zerrüttet ist, wird das erst wieder zu beweisen sein. Mayer will vor allem ihre über Jahre erarbeitete Vernetztheit einsetzen: "Meine Tür ist offen, ebenso mein Ohr. Ich bin zuversichtlich, wir gehen’s jetzt an!"

"Ein echter Profi"

Dass im Mai, der bekanntlich alles neu macht, endlich auch die grüne Kulturpolitik zum Erblühen kommt, soll nun ausgerechnet mit roter Expertise gelingen. Denn Mayers Karriere als kulturpolitische Beamtin verlief über diverse SPÖ-Bahnen. Vom Engagement im Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) führte der Weg 1993 erstmals in ein Kulturministerium, damals geführt vom für viele Langzeitbeobachter letzten wirkmächtigen SP-Kulturgranden Rudolf Scholten.

Für den grünen Parteichef Werner Kogler, der mit Mayer "einen echten Profi" gefunden haben will, ihre Managementfähigkeiten lobte und sie als "krisenfest, professionell, kompetent und engagiert" vorstellte, ist der rote Anstrich offiziell kein Problem. Mayer sei von Anfang an seine Favoritin gewesen. Im grünen Erweiterten Bundesvorstand, wo am Montagabend die Entscheidung für Mayer gefallen ist, sei zwar angesprochen worden, "dass sie keine Grüne ist", aber man "hat sich meiner Linie angeschlossen, dass ich mich nicht an Parteizugehörigkeit, sondern an Expertise orientiert habe", so Kogler.

Der Vizekanzler und formale Kulturminister gestand auch ein, dass es ab jetzt mehr Unterstützung vonseiten der gesamten Regierung für die Kultur braucht: "Mir ist bewusst, dass es Kritik an der Regierung und an mir gab, ich kann das gerne annehmen", und es werde dazu auch noch "Gespräche geben". Gleichzeitig betonte Kogler aber, dass man noch bis vor wenigen Wochen der Meinung gewesen sei, dass bis September gar keine Kultur stattfinden könne, "das soll sich jetzt ändern".

Finanzielle Absicherung brauche es "auf mehreren Ebenen" – in den Bundes- und Länderbudgets, "wenn wir an die großen Häuser denken, aber auch alle anderen brauchen etwas". Die diversen Hilfsfonds sollen "anständig nachgebessert" werden. Konkret verwies Kogler auf den in den Startlöchern stehenden Fonds für gemeinnützige Organisationen, wo ein dreistelliger Millionenbetrag für die Kultur reserviert sei.

Man fahre weiterhin auf Sicht

Ob die Verordnung für die angekündigten Kulturöffnungen wie geplant nächsten Montag vorliegen wird und ob damit auch alle Kulturschaffenden und Institutionen zufrieden sein werden, ließ Kogler unbeantwortet: Es sei Angelegenheit des Gesundheitsministeriums, "Klarheit zu schaffen, so gut das geht". Sicher sei, dass man "auf Sicht" fahre, also nur kurzfristig entscheiden könne.

Die designierte Kulturstaatssekretärin hielt sich mit allzu konkreten Ansagen noch zurück, das Ringen damit, jedes Wort auf die Waagschale legen zu müssen, schien die erste Lektion der obersten Politik zu sein. Aber: "Es kann natürlich nicht so sein, dass aus ökonomischen Überlegungen Institutionen nicht aufsperren. Wir müssen zu Finanzierungsmodellen kommen, die einen Betrieb unter den gegebenen Gesundheitsbestimmungen stattfinden lassen können."

Und es sei essenziell, den vielen freien Kulturschaffenden, die in der Luft hängen, rasch zu helfen, für sie müsse "eine staatliche Finanzierung kommen, die sie über die schwierigen Monate bringt. Wie immer man es nennt, ist egal." Schon heute, in ihrem ersten Ministerrat, will Mayer mit ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel, den sie "sehr gut" kenne, diesbezüglich weitere Gespräche führen.

Viele Vorschusslorbeeren

Die Erwartungshaltung gegenüber Mayer ist enorm. Aus der gesamten Kulturlandschaft, von Theater- und Museumsdirektoren, Festivalleitern, Kabarettisten, Musikern, Filmschaffenden, Künstlern und Interessenverbänden gab es Vorschusslorbeeren, die so noch keinem Kulturpolitiker zuteilwurden. Mayer findet im Kontrast zu Ulrike Lunacek breite Akzeptanz, weil sie als Kennerin der Branche wahrgenommen wird.

Hervorgehoben wird auch ihre Resistenz in Krisensituationen: Als oberste Beamtin des Bundespräsidenten begleitete sie diesen durch die turbulente Phase des Ibiza-Regierungsbruchs, im Belvedere glättete sie nach den Compliance-Verfehlungen der damaligen Direktorin Agnes Husslein die Wogen, auch bei den Salzburger Festspielen griff Mayer ordnend ein. In der Corona-Krise gehe es nun darum, Maßnahmen zu ergreifen, die "rasch und unbürokratisch sind", betonte sie mehrfach.

Ein Schönheitsfehler aber blieb bei der ersten Pressekonferenz als designierte Kulturstaatssekretärin: Andrea Mayer war gerade dabei zu erläutern, warum Kunst und Kultur so wichtig sind ("macht uns zum Menschen", "lässt uns über unser Leben reflektieren"), als plötzlich der Strom ausfiel. Minutenlang waren im Kongresssaal des Bundeskanzleramts Licht und Ton erloschen.

Zu verhindern, dass das auch mit Österreichs Kulturlandschaft passiert, wird Andrea Mayers Aufgabe sein. (Stefan Weiss, 19.5.2020)