Binnen dreier Werktage den Rücktritt eines grünen Regierungsmitglieds abgefangen, die neue Persönlichkeit parteiintern mit hundert Prozent Zustimmung durchgebracht und zu guter Letzt stolz an der Seite des Parteichefs, Vizekanzlers sowie Kultur- und Sportministers in Personalunion präsentiert: Ist nach dem Abtritt von Staatssekretärin Ulrike Lunacek, von der sich die öko-affine Kunstszene ob des Hochfahrens der Republik links liegen gelassen gefühlt hat, wieder alles paletti bei den Grünen?

Bei der Auswahl achtete man allzu sehr darauf, welcher Lebenslauf am grünsten war, lautete ein Vorwurf: Parteichef Werner Kogler mit Ulrike Lunacek bei der Wahlparty im Herbst.
Foto: Matthias Cremer

Museumsdirektoren, Theatermacher, Filmschaffende sind seit Dienstag voll des Lobes für die Auswahl von Grünen-Chef Werner Kogler, der mit Andrea Mayer, einst Leiterin der Kunst- und Kultursektion und bis vor kurzem Kabinettsdirektorin von niemand Geringerem als Bundespräsident Alexander Van der Bellen, eine profunde Kennerin des Kulturbetriebes zur neuen Staatssekretärin befördert hat. Selbst von den sonst so wortgewaltigen Kabarettisten des Landes war bis dato noch keine niederschmetternde Pointe zu den jüngsten Vorgängen in der grünen Regierungsriege zu vernehmen, die noch keine fünf Monate im Amt ist.

Personelle Baustelle

Doch das aktuelle Krisenmanagement der Parteispitze kann über einige Schwächen nicht hinwegtäuschen. Der Politologe Thomas Hofer konstatiert: "Noch steht Kogler für die Grünen auf dem Sockel." Doch hinter dem Vizekanzler und seinen Ministern täte sich nach wie vor eine "personelle Baustelle" auf. Bis vergangenen Herbst von den Wählern zur außerparlamentarischen Opposition verdammt, gerieten die Grünen mit ihrem Regierungseintritt über den Jahreswechsel quasi von "null auf hundert", analysiert der Experte.

Bis heute lautet ein Vorwurf gegen die Grünen, dass sie bei der Auswahl von Lunacek zur Kulturstaatssekretärin allzu sehr darauf geachtet hätten, wessen Lebenslauf am grünsten und wer in der Partei am besten vernetzt war. Anstatt etwa mit dem Koalitionsverhandler und studierten Volkswirt Josef Meichenitsch auf einen Staatssekretär im Finanzministerium von Gernot Blümel (ÖVP) zu bestehen. Oder eben Eva Blimlinger, Ex-Rektorin der Akademie der bildenden Künste, bei Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als Kulturstaatssekretärin durchzuboxen.

Zudem, erklärt Hofer, hätten die Grünen schon vor der Corona-Krise bei ihrer Klientel "einigen Kredit" an Glaubwürdigkeit in Anspruch nehmen müssen – weil sich die übermächtige ÖVP von Anbeginn unbeirrt an ihren strikten Kurs hielt, siehe ihr Nein zu einem Prolongieren der EU-Seenotrettung, zum UN-Migrationspakt sowie zum U-Ausschuss rund um die diversen Ibiza- und Casinos-Affären und, und, und. Hofers Fazit lautet: Bis heute und erst recht zu Zeiten des Coronavirus gebe es bei der grünen Regierungsarbeit "nicht wenige Diskrepanzen zu den grünen Ursprungspositionen".

Offiziell gibt sich bei den Grünen mit der neuen Staatssekretärin zwar jetzt alles erleichert, doch ein bitterer Nachgeschmack rund um das erste Desaster als Juniorpartner in der Regierung bleibt. "Man muss dem Blümel ab jetzt stärker ins G’schäft reinfahren", sagt eine Grüne, die hier nicht genannt werden will – in Anspielung darauf, dass es auch an der ÖVP liege, nun mehr Geld für die Kultur herauszurücken.

Auch K. & K. gefragt

Auch der grüne Abgeordnete David Stögmüller meint: "Es braucht das politische Bekenntnis, dass im Kulturbereich etwas kommt." Und da seien sowohl der für Kultur zuständige Minister Kogler als auch Minister Blümel und Kanzler Kurz gefragt. Ähnlich sieht das Niederösterreichs Grünen-Chefin Helga Krismer. Sie erwartet, "dass Andrea Mayer es schafft, von Gernot Blümel die notwendigen Mittel für die Kulturschaffenden zu bekommen".

Nicht nur hinter den Kulissen gibt man auch offen zu, dass die Optik nach Lunaceks Abgang alles andere als geschickt war. Denn während ausgerechnet Kurz wegen allzu geringen Abstandhaltens im Kleinwalsertal im Gerede war, warf Lunacek hin. Daraufhin rückten Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (ebenfalls Grüne) aus, um lang und breit die nun geplanten Lockerungen nach dem Shutdown für die Kultur zu erklären.

Dazu die grüne Vize-Klubchefin Ewa Dziedzic: "Dass eine versierte Politikerin wie Ulrike geht, ist bedauerlich, da auch andere Regierende nicht zwangsläufig aus dem Bereich stammen, in dem sie nun wirken. Suboptimal war die Außenwirkung, dass nach dem Rücktritt Männer den Fahrplan vorstellten, obwohl sie zuvor mit vollem Einsatz dahinter war." (Sebastian Fellner, Nina Weißensteiner, 19.5.2020)