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Auf dem Dach des Instituts in der Boltzmanngasse in Wien: Anton Zeilinger, der Wissenschafter und Kommunikator.

Foto: Reuters

Die Antworten waren nicht konkret, aber die Richtung beim Kramen in der Erinnerung stimmte: "Ein Physiker, irgendwas mit Beamen", "ein Wissenschafter, weiße Haare, weißer Bart", "Physiker", "irgendwas mit Quanten" – und nur zweimal kam "keine Ahnung": Vor Jahren schon war der Autor dieser Zeilen bemüht, in der Familie zu erkunden, welchen Wissenschafter man hierzulande kennt. Und nannte Namen. Bei "Anton Zeilinger" kamen die obigen Antworten. So viel steht fest: Der Quantenphysiker und derzeitige Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist sicher bis heute einer der bekanntesten Wissenschafter des Landes.

Zeilinger hat schon immer versucht, Grenzen des Fachs zu überschreiten, und den Dialog mit Kunstschaffenden und mit der Religion gesucht. Er ist für philosophische Gedanken offener als so manch ein Fachkollege, er räsoniert über den Zufall gerade so, als wolle er darüber eine für ein größeres Publikum verständliche Abhandlung schreiben.

Aus dem "Elfenbeinturm"

Zeilinger hat Boulevardzeitungen Interviews gegeben, als anderen Wissenschaftern und Wissenschafterinnen wegen der Sorge um die korrekte Wiedergabe der Zitate der Angstschweiß auf der Stirn gestanden wäre. Er hat nämlich als einer der ersten Hochschullehrer hierzulande den vielzitierten "Elfenbeinturm" verlassen. Und er hat auch populärwissenschaftliche Bücher geschrieben (Einsteins Spuk, Einsteins Schleier), als ein wissenschaftliches Sachbuch noch keinen Fixplatz auf den guten Verkaufsplätzen der Buchhandlungen hatte.

Schließlich wird er seit der gelungenen Quantenteleportation Ende der 1990er-Jahre als Mr. Beam bezeichnet: Anfangs war ihm das gar nicht recht, weil es die Arbeit verkürzt, heute sagt er: "Wenn sich dadurch mehr Leute vorstellen können, was wir gemacht haben, dann soll es mir recht sein."

Literatur statt Vorlesungen

Natürlich mag es kein Wissenschafter, nur auf seine Wirkung in der Öffentlichkeit reduziert zu werden: Geboren am 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis (OÖ), studierte Zeilinger Physik und Mathematik an der Universität Wien. Der Quantenphysik näherte er sich damals aber vor allem dank Büchern, die er nebenbei studierte. An der Uni war diese neue, aufregende Physik kein Thema.

Die Begegnung mit seinem Doktorvater, dem im vergangenen Jahr verstorbenen Atomphysiker Helmut Rauch, bezeichnete er schon mehrfach als "Riesenglück". Er blieb auch nach der Promotion bei ihm – als Assistent. Rauch glückte 1974 der Nachweis, dass Neutronen quantenphysikalische Eigenschaften haben.

Auslandsaufenthalte

In Zeilingers Karriere waren einige Forschungsaufenthalte im Ausland wichtig – zum Beispiel bei Clifford G. Shull am Massachusetts Institute of Technology (MIT), der 1994 zusammen mit Bertram Brockhouse mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde. Dort begann er sich mit theoretischen Fragen der Quantenmechanik zu beschäftigen – zum Beispiel in Gesprächen mit den US-Physikern Daniel Greenberger und Michael Horne mit der Frage der Verschränkung.

Mindestens zwei Teilchen bleiben auch über eine größere Distanz eng miteinander verbunden: Den nach den Physikern benannten GHZ-Zustand publizierten die Wissenschafter 1986 – unter Experten ist dieses Paper als eines der wichtigsten von Zeilinger anerkannt. Bis dahin hatten Wissenschafter ausschließlich die Verschränkung zweier Teilchen beschrieben, die einen gemeinsamen Zustand haben, aber lokal voneinander getrennt sind. Im Jahr 1998 gelang Zeilinger schließlich auch der experimentelle Nachweis. Seither sagen Mitstreiter, Schüler und Kollegen: Zeilinger sei ein genialer Experimentator.

Das war eine wissenschaftliche Sensation. Und eine Basis für noch ausgefeiltere Anwendungen der Quantenkryptografie. In einem Interview mit dem STANDARD beschrieb er den damaligen medialen Rummel: Das Fachmagazin Nature sei skeptisch gewesen. "Als es die Arbeit dann dennoch druckte, begann schon am Montag vor Ende des Embargos am Donnerstag der Medienrummel. Die Washington Post rief um Punkt 14 Uhr an. Wenig später war CNN am Apparat – und so verlief die ganze Woche mit Anfragen von Journalisten."

Akademie-Institut gegründet

Ein paar Stationen einer großen Karriere: Zeilinger war ab 1983 Assistent an der TU Wien, 1988 für zwei Jahre an der TU München und wurde schließlich 1990 an die Uni Innsbruck berufen. 1999 wechselte er an die Universität Wien, wo er das Institut für Experimentalphysik leitete. 2003 gründete er außerdem gemeinsam mit Physikern der Universität Innsbruck um Rainer Blatt, Rudolf Grimm, Peter Zoller und Hans Briegel das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften. So wurde auch institutionell die Basis dafür geschaffen, der heimischen Quantenphysik eine internationale Sichtbarkeit zu geben.

Anton Zeilinger ist seit 2013 Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Foto: Corn

Seit 2013 ist Zeilinger, der bis heute als Kandidat für den Nobelpreis gehandelt wird, Präsident der Akademie der Wissenschaften. Er forcierte, wie von ihm nicht anders zu erwarten, die Annäherung der Forschung an die Gesellschaft und positionierte die ÖAW deutlich sichtbarer, als das in den Jahren zuvor geschah. Zeilinger führt auch Umstrukturierungen in der Akademie durch. Das Österreichische Archäologische Institut (ÖAI) etwa kam unter das Dach der Organisation und soll mit den anderen Archäologie-Instituten der Akademie – dem Institut für Orientalische und Europäische Archäologie und dem Institut für Kulturgeschichte der Antike – zusammengeführt werden.

Zeilingers Amtszeit endet 2022. Ganz ohne Forschung ist er auch als Präsident nicht ausgekommen. Gut möglich, dass er das dann wieder intensiviert. Zeit für Wissenschaftskommunikation wird dann sicher auch noch sein. (Peter Illetschko, 20.5.2020)