Zurück ins Mittelalter führe Premier Viktor Orbán sein Land, sagt die Menschenrechts-NGO Amnesty International.

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Budapest – Ungarns Regierung hat am Dienstagabend erneut einen großen Schritt im Sinne ihrer strengkonservativen "Familien"-Politik gesetzt und im Parlament ein Gesetz zur Abstimmung gebracht, das von einem Abgeordneten der Opposition als "bösartig" und von der Menschenrechts-NGO Amnesty International als Schritt zurück ins Mittelalter beschrieben wird. Konkret geht es um eine massive Einschränkung der Rechte von Transpersonen und intersexuellen Menschen.

Laut dem Gesetz ist künftig vorgesehen, dass im standesamtlichen Personenregister das biologische Geschlecht eines Menschen, das dort nach seiner Geburt eingetragen wurde, später nicht mehr verändert werden kann. Insbesondere schließt dies aus, dass eine Person, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat, unter ihrem neuen Geschlecht anerkannt wird und ihre Dokumente in diesem Sinne ändern kann.

Auch Personen, die ohne eindeutige Geschlechtsmerkmale geboren werden, wird so – jedenfalls im behördlichen Sinne – die Chance genommen, ihre eigene Identität zu bestimmen. Auch in den letzten drei Jahren eingelangte Änderungswünsche, die schon bisher samt und sonders nicht bearbeitet wurden, werden auf Basis des Gesetzes nun ignoriert werden.

Teil von "Familien"-Politik

Das Maßnahmenpaket wurde mit allen 133 Stimmen der rechtskonservativen Fidesz-Partei von Premier Viktor Orbán beschlossen, 57 Abgeordnete der insgesamt 65 Mitglieder starken Opposition lehnten es ab. Der Rest enthielt sich der Stimme. Das Gesetz ist auch Teil des ideologischen Kreuzzugs, den die Orbán-Regierung gegen die "Gender-Theorie" führt. So ist es Universitäten in Ungarn untersagt, Lehrgänge in diesem Fach anzubieten.

Die ungarische Regierung argumentiert, sie schaffe mit dem neuen Gesetz rechtliche Klarheit. Die Bestimmungen würden "nicht die Rechte von Männern und Frauen berühren, ihre Identität ihrem Wunsch gemäß zu leben", heißt es in einer Aussendung. Dem widersprechen Menschenrechtsgruppen. Sie befürchten etwa Diskriminierung oder gar körperliche Angriffe, wenn Menschen etwa einen Ausweis präsentieren müssen, in dem ein anderes Geschlecht als vom Gegenüber erwartet eingetragen ist.

Zurück ins Mittelalter

"Wir haben keine Worte, um unsere Gefühle auszudrücken", sagte die Vizepräsidentin der Transvanilla Transgender Association, Tina Korlos Orban, die von der Agentur Reuters befragt wurde. "Menschen, die jahrzehntelang keine Suizidgedanken mehr hatten, haben sie nun wieder. Sie sind in Panik und wollen aus Ungarn irgendwo anders hin fliehen, wo ihre Identität anerkannt wird."

David Vig von Amnesty International Ungarn erklärte, die Gesetzgebung setze Transpersonen und intersexuelle Menschen weiterer Diskriminierung aus. Sie verstärke eine "intolerante und feindselige Umgebung" für diese Menschen und werfe Ungarn zurück ins Mittelalter. (mesc, APA, 20.52020)