An Bushaltestellen in Ruanda wird auf die Abstandsregeln geachtet.

Foto: APA / AFP / Simon Wohlfahrt

Wien – Die WHO hat es schon mehrfach gemacht, nun hat sich auch UN-Generalsekretär António Guterres zu Wort gemeldet – mit Lob für die Corona-Politik vieler afrikanischer Staaten. Reichere Länder könnten sich von der Virusbekämpfung auf dem Kontinent etwas abschauen, sagte Guterres, der allerdings auch vor den sozialen Folgen der Lockdowns warnte. Die WHO hatte jüngst ebenso lobende Worte gefunden. Sie hatte aber ebenfalls von der Möglichkeit gesprochen, dass sich Covid-19 in Afrika zu einem späteren Zeitpunkt noch weiter ausbreiten und in diesem Fall mehr als 150.000 Tote fordern könnte. Das steht noch düstereren Warnungen gegenüber: Microsoft-Gründer und Philanthrop Bill Gates hatte öffentlich bis zu zehn Millionen Tote befürchtet.

Die Videomessage von UN-Generalsekretär António Guterres.
United Nations

Bisher sehen die Corona-Zahlen, die viele afrikanische Staaten vorlegen, jedenfalls sehr positiv aus. Rund 90.000 Fälle gibt es über den gesamten, 1,2 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Kontinent verstreut. Knapp 3.000 Menschen sind nach offiziellen Statistiken der Johns-Hopkins-Universität an den Folgen von Covid-19 oder mit einer Sars-CoV-2-Infektion verstorben. Die Zahlen sind in den vergangenen Tagen relativ deutlich gestiegen, die Ausbreitungsgeschwindigkeit nimmt aber ab. Aktuell liegt das Wachstum der Infektionen zwischen drei und vier Prozent pro Tag, wie einer Übersichtsseite der in Österreich betriebenen Plattform africa.info zu entnehmen ist.

Viele Erklärungsansätze

Dafür, dass es trotz der relativ engen wirtschaftlichen Verbindung vieler afrikanischer Staaten zu China nicht längst mehr diagnostizierte Fälle gibt, gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze: Von der vergleichsweise geringen Anbindung an den internationalen Reiseverkehr und von der schlechten Infrastruktur ist die Rede – Nachteile, die sich in einer Pandemie zum Vorteil umkehren können. Aber auch die vergleichsweise junge Bevölkerung könnte eine Rolle spielen. Zudem verweisen manche Texte auf einen in Afrika sehr verbreiteten, mehr als hundert Jahres alten Tuberkulose-Impfstoff (BCG), der womöglich das Immunsystem auf Covid-19 vorbereiten könnte. Seine Wirksamkeit ist allerdings sehr umstritten.

Offensichtlich ist hingegen, dass viele afrikanische Staaten früh Maßnahmen gegen Corona ergriffen haben – zu einem Zeitpunkt, als die Krankheit noch nicht weit verbreitet war. In manchen Ländern, etwa im Kongo und in Westafrika (Ebola) oder im Süden Afrikas (HIV/Aids), ist man zudem seit Jahren auf den Kampf gegen Epidemien geeicht.

Viele Gesundheitsexperten dort wissen um die nötigen Maßnahmen, viele Mediziner haben sich durch ihre Erfahrung einen Wissensschatz angeeignet. Und in jenen Ländern, die zuletzt von der Ebola-Epidemie erfasst wurden, sind auch die Erinnerungen an Social-Distancing-Mechanismen in der Bevölkerung noch sehr präsent. Freilich gibt es auf Staatsebene auch unrühmliche Ausnahmen bei der Corona-Bekämpfung.

Viele Zweifel an Zahlen

Allerdings ist nicht sicher, ob das alles so überhaupt stimmt. Zuletzt sind Zweifel am verfügbaren Zahlenmaterial laut geworden. Der "Economist" berichtete über Bestattungsunternehmen im nördlichen Nigeria, deren Geschäft zuletzt massiv an Fahrt aufgenommen habe. Ähnliches sei in episodischer Form auch in Mosambik beobachtet worden. Das Magazin weist darauf hin, dass es in Sachen Tests, Todesfälle und Infektionsraten in vielen Staaten nur ungenügendes Zahlenmaterial gebe – man also nicht mit Sicherheit sagen könne, wie gut viele afrikanische Staaten in der aktuellen Krise tatsächlich dastehen.

Auch die BBC hat dies zum Anlass für einen Überblick genommen: Sie berichtet, in der Demokratischen Republik Kongo habe es bereits im Jänner einen deutlichen Zuwachs an Krankenhausfällen mit Lungenerkrankungen gegeben. Angesichts von nur rund 4.493 Corona-Tests, die der Staat bisher habe durchführen lassen, gebe es nur wenig Gewissheit über die wirklichen Ansteckungs- und Todesraten. Auch in Kenia haben demnach die Spitalsaufnahmen zunächst deutlich zu- und nach Beginn des Shutdowns im März wieder abgenommen.

Not in Isolation

Allerdings haben die Lockdowns auch schon jetzt massive wirtschaftliche Folgen hinterlassen. Vor allem unter jener Mehrzahl der Afrikaner, die kaum Ersparnisse hat und daher für ihre Ernährung auf tägliche Arbeit angewiesen ist, steigt die Not. Viele Staaten haben nicht die Ressourcen, Menschen in Isolation zu versorgen. Kenia etwa hat sogar für jene Menschen, die sich auf Anweisung der Behörden in staatliche Quarantäne begeben mussten, zwischen umgerechnet 20 und 100 Euro pro Nacht an Unterbringungskosten verlangt.

Auch Guterres zeigte sich über die Folgen besorgt. Er rief zu einem sofortigen Schuldenstopp für Afrika auf und betonte, der Kontinent insgesamt werde rund 200 Milliarden Dollar (180 Milliarden Euro) an zusätzlichen Hilfen benötigen. Geschehe dies nicht, laufe man Gefahr, dass sich "Ungleichheit, Hunger, Mangelernährung und die Verwundbarkeit durch Seuchen" weiter erhöhen könnten. (Manuel Escher, 20.5.2020)