Das Fensterblatt ist wieder angesagt, besonders begehrt: Monstera variegata mit weißem Muster.

Foto: folia_folia

Der Pop-up-Store von Bergamotte.

Foto: Bergamotte

Jeder erste Sonntag im Mai ist World Naked Gardening Day. Wer sich nun wundert, wie verbreitet diese Tätigkeit ist, dem sei der Instagram-Account "Boys with Plants" ans Herz gelegt. Dort wird täglich nackt gegärtnert. Mehr als 3000 Bilder zeigen unbekleidete Männer mit Zimmerpflanzen. Der Kanal hat 180.000 Abonnenten.

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie groß der Hype um Zimmerpflanzen durch soziale Medien geworden ist. Die Fotoplattform Instagram hat Topfpflanzen zu nie zuvor da gewesenem Ruhm verholfen. Die wohl größte Gemeinschaft der Topfpflanzenfans, der Houseplantclub, hat 863.000 Abonnenten und ist nur einer von unzähligen Kanälen.

Pflanzen werden wie Make-up, Kleidung oder Essen über Instagram verehrt und beworben. Es gibt Plantfluencers genannte Content-Creators, die sich auf Pflanzen spezialisiert haben, Youtube-Kanäle wie den der New Yorkerin Summer Rayne Oakes, die Tipps zu Pflege, Schädlingsbekämpfung und Vermehrung gibt, sowie den Hashtag #MonsteraMonday – die Community teilt montags Fotos ihrer Monstera-Pflanzen.

Naturverbunden und nachhaltig

Topfpflanzen sind das neue It-Piece. "Macht euch die Erde untertan!", heißt es im ersten Kapitel der Genesis, und zumindest im Wohnzimmer nimmt sich die Generation der Millennials das zu Herzen. Immerhin suggerieren Zimmerpflanzen Naturverbundenheit und sind nachhaltig, zumindest nachhaltiger als Schnittblumen. So ein Topfpflänzchen hält bei richtiger Pflege nämlich ewig.

Derzeit gilt: Alles, was blüht, ist out. Etwa Orchideen. Sie sind die Pelargonien unter den Zimmerpflanzen und werden eher der Generation Großeltern zugeordnet, ebenso wie der klassische Hängeefeu oder das Flammende Käthchen. Wobei: Was einmal war, kann auch schnell wieder werden. Es hätte wohl niemand gedacht, dass die in den 1970er-Jahren verbreitete Monstera heute wieder so beliebt sein würde. "Jeder Haushalt braucht eine", sagt etwa Marzena Wołowicz, die in Wien lebt und auf Instagram den Pflanzenkanal folia_folia mit 110.000 Abonnenten betreibt.

Ein Revival erlebten ebenso Geigenfeige, Grünlilie und der Gummibaum. "Pflanzen mit einem altmodischen Touch werden einfach moderner gezüchtet", sagt Bettina Bayer-Grilz, Pflanzenexpertin bei Bellaflora, und nennt als Beispiele den Gummibaum, dessen Blätter nun panaschiert sind, also weiß umrandet, oder die Monstera "Monkey Mask", eine Neuzüchtung des Fensterblatts, das schon unsere Großeltern schätzten. Auch das Unternehmen Bellaflora arbeitet auf Instagram immer wieder mit Plantfluencern zusammen.

Schlange stehen

Mit Trends und vor allem mit Raritäten beschäftigt sich auch das französischstämmige Unternehmen Bergamotte, das regelmäßig Pop-up-Stores für Zimmerpflanzen in ganz Europa veranstaltet und dafür tausende Pflanzen von Stadt zu Stadt karrt. Auch in Wien standen im Vorjahr Pflanzenliebhaber Schlange. Sie sind großteils zwischen 25 und 39 Jahre alt, weiß Lara Maria Gräfen von Bergamotte Deutschland. Und sie erzählt, was derzeit außerdem nachgefragt wird, etwa Strelizien und Korbmaranten.

Doch wer sagt, was angesagt ist? Wie so oft orientieren sich auch Topfpflanzentrends an der Modewelt. Im Onlineshop von Bergamotte gibt es Kooperationen mit Modemarken und wechselnde Kollektionen, entworfen von Designern. Und natürlich gibt Instagram Trends vor. Was dort begehrt ist, wirkt sich auch auf die Verkaufszahlen aus. Die erste Art mit diesem spürbaren Effekt war die Ufopflanze. Aktuell sind es Kakteen und Hängepflanzen wie die "String of Hearts". "Die Kunden kommen mit Fotos auf ihrem Handy zu uns und verlangen genau diese Pflanze", so Gräfen.

Sich kümmern, ihnen beim Wachsen und Gedeihen zusehen – das ist es, was Pflanzen so begehrt macht, glaubt die Einrichtungsexpertin Fridi Nefe: "Das ist auch gut für die Psyche." Viele wollen eine Wohnung mit Dschungel-Feeling, bestätigt Bayer-Grilz. "Plant parenting" heißt das Ganze dann auf Instagram, und es ist "fast schon ein Ersatz für Haustiere oder Kinder", sagt Gräfen.

Marzena Wołowicz lebt mit 80 Pflanzen zusammen, sie haben in ihrer Wohnung sogar ein eigenes Zimmer, "weil dort das Licht so gut ist", sagt sie. Bis zu acht Stunden verbringt sie wöchentlich mit der Pflanzenpflege. Und ihr Antrieb? "Pflanzen sind einzigartig, wunderschön und machen süchtig. Wer einmal angefangen hat, kann nicht mehr aufhören." (Bernadette Redl, 23.5.2020)