Wien – Nach dem gescheiterten Versuch einer Kooperation mit dem Österreichischen Tennisverband (ÖTV) hat sich das Personenkomitee "Austrian Tennis Committee" (ATC) selbstständig gemacht. Am Mittwoch wurden in Wien die Weichen gestellt, Präsidentin ist Barbara Muhr, Sportchef ist Wolfgang Thiem. Erstes Ziel ist der Aufbau eines neuen Leistungszentrums Ost.

Fast wie im Kleinwalsertal: ATC-Vizepräsident Manfred Ainedter, Gabi Langmann (Inklusionsprojekte), Christine Catasta (Finanzen), ATC-Präsidentin Barbara Muhr, Sportchef Wolfgang Thiem und Lorenz Edtmayer (Digitalisierung).
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

ATC-Präsidentin Barbara Muhr sprach in einem Pressegespräch auf der Better-Tennis-Anlage im 23. Wiener Gemeindebezirk von einem "historischen Datum". "Dieses ATC wird ab sofort die Struktur für das neue Leistungszentrum Ost und für den neuen Leistungsstandort in Traiskirchen unter der Leitung von Wolfgang Thiem sein", verkündete Muhr, die ihre Funktion als steirische Landesverbandspräsidentin ruhend gestellt hat.

Drei Hartplätze in Traiskirchen

In der zweiten Dependance von Better Tennis – in Traiskirchen – sollen insgesamt drei Hartplätze entstehen. "Wir wollen den Jugendlichen auch ermöglichen, auf Hardcourt zu trainieren."

Von einer Abspaltung oder einem Bruch mit dem ÖTV wollte Wolfgang Thiem nicht sprechen. "Wir wollten es mit dem Verband machen und haben uns entschieden, es privat zu machen." Der Leistungssport soll nach Traiskirchen gelegt werden. Nach den Hallen-Hardcourtplätzen soll dort im nächsten Schritt auch ein Freiluft-Hartplatz entstehen.

Wolfgang Thiem, dessen Sohn Dominic am Mittwoch auf der Anlage trainierte, griff die Idee von Muhr auf, im seit Jahren brachliegenden, heimischen Damen-Nachwuchs auf die Lettin Anastasia Sevastova und deren Freund und Coach Ronald Schmidt zuzugehen.

Sevastova hat gleich zugesagt

"Sie haben beide relativ rasch zugesagt", so Thiem. "Das ist mir ganz wichtig, weil ich möchte auch die Mädels gut versorgt wissen. Wenn man jemanden hat, der selbst aktiv in der Weltspitze spielt, gibt es keine bessere Möglichkeit", sagte Thiem zur aktuellen Nummer 43 und Ex-Nummer elf der Welt.

Der sportliche Leiter des ATC, Wolfgang Thiem, und WTA-Profispielerin Anastasija Sevastova.
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"Ich bin ja ursprünglich aus Lettland, und dort ist viel passiert im Tennis", sagte Sevastova, die seit vielen Jahren in Österreich lebt und trainiert. "Ich habe über das Projekt gehört und gleich ja gesagt." Zudem verbindet sie mit der Anlage im Süden Wiens auch, dass sie ihre zweite Karriere noch einmal so richtig gestartet hat.

Thiem senior will eine echte Alternative zum Bundesleistungszentrum Südstadt werden. "Mein Anspruch ist der, dass ich das Top-Ausbildungszentrum im Osten oder eigentlich in Österreich werde. Und ich gehe ganz klar auch in eine Konkurrenz zur Südstadt. Ich stelle den Anspruch, dass wir die besten Jugendlichen hierher bekommen", so Thiem. Mit seinem Sohn Dominic, Dennis Novak, Sebastian Ofner und Jurij Rodionov trainieren die besten Herren bereits auf der Better-Tennis-Anlage.

"In jeder Altersklasse einen Staatsmeister stellen"

Er verstehe Konkurrenz in dieser Hinsicht, dass eben jeder gute Leistung abliefern muss. In "erster Linie" möchte Thiem nun einmal den Mädchen-Nachwuchs auf Schiene bringen und in weiterer Folge mittelfristig "in jeder Altersklasse einen Staatsmeister stellen". Dabei denke man zunächst regional, aber bei gutem Erfolg sind auch andere Zweigstellen denkbar. Aktuell will man bis zu 20 Spieler aufnehmen können.

Gemeinsam mit den Hauptsponsoren von Gemüse- und Obstproduzent Frutura, der Bäckerei Mann und dem Finanztechnologieunternehmen Soccer Coin sowie mitzahlenden Mitgliedern hat man vorerst einen sechsstelligen Betrag als Startbudget, berichtete Muhr. Aus diesem Topf solle zum einen Infrastruktur ausgebaut werden, zum anderen die Jugendlichen unterstützt werden.

Im direkten Vergleich mit dem ÖTV sieht sich das ATC wesentlich "unkomplizierter". "Bei uns allen ist der Leistungsgedanke im Vordergrund, bei den Funktionären ist das nicht so", sagte Thiem senior und Muhr ergänzte: "Wir sind total unkompliziert. Wir brauchen keine stundenlangen Sitzungen, wo nichts rauskommt."

Manfred Ainedter an Bord

Dem ÖTV wolle man bei den ganz Jungen nicht dreinreden und sich auf die Altersklasse 12 bis 18 spezialisieren. Mit an Bord im neuen Verein sind Vizepräsident und Anwalt Manfred Ainedter für Recht sowie die Vorstände Christina Catasta (Finanzen), Lorenz Edtmayer (Digitalisierung/Kommunikation) und Gabi Langmann für Inklusions-Projekte.

Sportchef Thiem greift unter anderen auch auf die Hauptcoaches Riccardo Belloti, Pascal Brunner sowie Julian Knowle zurück. Letzterer werde sich immer wieder einbringen. Knowle fungiert ja als Touringcoach von Dennis Novak. (APA, 20.5.2020)