Interne Dokumente zeigen, dass mehrere Mitarbeiter bereits im Februar mit grippeähnlichen Symptomen arbeiteten.

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Innsbruck/Wien – Im Rahmen der Aufarbeitung des Handelns der Verantwortlichen in der Causa Ischgl wäre ein Informationsfreiheitsgesetz, wie es in manch anderem europäischem Staat existiert, durchaus hilfreich. Der Journalist und Blogger Kurt Krickler hat ein solches Begehren auf Akteneinsicht in Dänemark gestellt. Im Zuge des E-Mail-Verkehrs zwischen Dänemark und Österreich finden sich auch – scheinbar nicht wissentlich mitkopierte – interne Mails der Verantwortlichen für die Tiroler Gesundheit. Der entsprechende E-Mail-Verkehr liegt dem STANDARD vor, dessen Echtheit wurde von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) bestätigt und zeigt Folgendes:

Nachdem bereits in den frühen Morgenstunden des 5. März aus Island eine Meldung über Covid-19-positive Ischgl-Rückkehrer in Österreich eingetrudelt war, folgte am 8. März eine Warnung aus Dänemark. Als Franz Allerberger, Leiter der Ages, diese an die Tiroler Landessanitätsdirektion weiterleitete, antwortet ihm Anita Luckner-Hornischer von der Sanitätsdirektion umgehend, er möge doch bitte nachfragen, in welcher Bar sich die infizierten Dänen aufgehalten hätten. Denn, so Luckner-Hornischer, man habe Informationen, dass sich im Kitzloch coronavirusinfizierte Isländer aufgehalten hätten und ebenfalls eine bereits positiv getestete Person – der mittlerweile berühmte Barkeeper. Sie fügte an, dass dieser "seit Wochenbeginn mit Symptomen" gearbeitet habe – das würde bedeuten, mindestens seit Montag, 2. März. Außerdem, schreibt Luckner-Hornischer, gebe es elf weitere, "seit einer Woche, aber auch länger (bis zu 4 Wochen) grippige arbeitende MitarbeiterInnen im Service dort, deren Ergebnisse wir aber erst morgen um 15:30 erfahren".

Vier Wochen lang trotz Symptomen gearbeitet

Sollten Mitarbeiter tatsächlich bereits vier Wochen lang über Grippesymptome verfügt haben, war es zum Zeitpunkt der Tests durchaus möglich, dass diese eine Infektion mit dem Coronavirus bereits überstanden hatten und Tests dadurch negativ ausfielen – sofern keine Antikörpertests gemacht wurden, was aus heutiger Sicht unwahrscheinlich ist. Im Februar war natürlich auch Saison für die normale Grippe, und die arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten auch wirklich "nur" Grippesymptome gehabt haben – auch wenn dies aus arbeitsrechtlicher und kundenfreundlicher Sicht aus anderen Gründen fragwürdig ist.

Klar ist jedenfalls, den Tiroler Gesundheitsbehörden muss schon am Sonntag, 8. März, bekannt gewesen sein, dass in der Après-Ski-Bar Kitzloch womöglich schon Anfang Februar infiziertes Servicepersonal gearbeitet haben könnte. Das bestätigt die Aussendung des Landes Tirols vom selben Tag, die noch vor der Info aus Dänemark, aber drei Tage nach der Info aus Island an Medien herausging. Darin werden Gäste, die zwischen 15. Februar und 7. März die Bar besucht hatten und Grippesymptome aufweisen, aufgefordert, sich bei der Gesundheitshotline 1450 zu melden. Allerdings heißt es dort ebenfalls: "Eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich."

Ausländische Behörden fragten kritisch nach

Das sahen die Gesundheitsbehörden in Dänemark offenbar anders. Denn sie fragten in ihrer Mail an die österreichische Ages am Abend des 8. März dezidiert nach, ob man sich in Österreich bewusst sei, dass Ischgl ein Hochrisikogebiet sein könnte. Denn man hatte in Dänemark in den Tagen zuvor vier Fälle gehabt, die direkt nach ihrem Skiurlaub in Ischgl positiv getestet worden waren. Und die Dänen wollten wissen, ob auch andere Länder Fälle an Österreich gemeldet hatten, die auf Ischgl zurückzuführen waren.

Am Morgen des 9. März meldeten die Österreicher zurück, dass auch Norwegen und Island Corona-Fälle mit Ischgl-Bezug gemeldet hatten. Kurz darauf schalteten sich die Briten ein und ließen wissen, dass auch sie bereits mit Anfragen zum "Kitzloch Restaurant in Ischgl" zu tun hätten. Sie wollten wissen, welche Maßnahmen, etwa Contact-Tracing, man in Österreich bereits gesetzt habe. Am 10. März ließ das deutsche Robert-Koch-Institut wissen, dass es ebenfalls zwei unabhängig voneinander positiv getestete Fälle mit Ischgl-Bezug habe. Am 13. März, dem Tag, an dem Ischgl schließlich unter Quarantäne gestellt wurde, vermeldete auch Kroatien über das EWRS-System Corona-Fälle unter Ischgl-Urlaubern.

Am 13. März bereits hunderte bekannte Fälle

Ebenfalls am 13. März übermittelten die Dänen der Ages in Wien eine detaillierte Auflistung ihrer Corona-Fälle mit Österreich-Bezug. Bis zu diesem Zeitpunkt waren 283 Personen, die zwischen 27. Februar und 7. März in Österreich geurlaubt hatten, positiv getestet worden – 184 davon waren in Ischgl gewesen, 60 in St. Anton am Arlberg, sieben in Sölden. Weitere genannte Ortschaften waren etwa Hintertux, Saalbach, Schladming, Zell am See, St. Johann und das Zillertal. (Steffen Arora, Fabian Sommavilla, 20.5.2020)