Das Wie energetisiert oder frustriert – der Ton macht die Musik.

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Auf mangelnde verbale Sensibilität wird heute ganz erheblich empfindlicher reagiert als früher. Streitereien im Kollegenkreis gründen ebenso häufig darauf wie Verstimmungen zwischen Vorgesetzten und ihrem Team. Die Reaktion auf Meinungsäußerungen und Überlegungen während eines Meetings oder tonal verletzende Kritik sind alltägliche Musterbeispiele dafür. Als Führungskraft die falschen Töne anzuschlagen bleibt nicht ohne Reaktion. Die Wirkung der Worte und Leistungswilligkeit stehen in ganz enger Verbindung. Kommunikative Frustrationserlebnisse schlagen unmittelbar auf die Bereitschaft durch, sich ins Zeug zu legen. Falsche Töne können mehr Sand in das betriebliche Getriebe bringen als organisatorische Holprigkeiten.

Kränkung, Verwundung

Von Worten tief Getroffene verändern ihre Einstellung zum Unternehmen. In emotional verwundeten Mitarbeitern wächst die Bereitschaft, ihrer Verletzung durch abträgliches Reden über die Firma Luft zu machen und Ausdruck zu geben. Haben die verbalen Pfeile besonders tief getroffen, dann bekommt auch das Betriebseigentum diese Treffer zu spüren. Einrichtungsgegenstände und Materialien werden durch einen lieblos-unachtsamen bis hin zu bewusst destruktiven Umgang in Mitleidenschaft gezogen. Auch mit den Eigentumsverhältnissen wird es nicht mehr so genau genommen, Interna werden an Konkurrenten durchgestochen, Betriebsgeheimnisse gezielt verraten. Emotional befeuerte Sabotage ist keineswegs etwas Außergewöhnliches.

Es ist also alles andere als eine zeitgeistige Luxusforderung, auf eine verbale Umgangskultur zu achten. Mag die veränderte Sensibilität im Arbeitsleben auch manchmal über das Ziel hinausschießen, beides, die zwischenmenschliche Achtung wie das Wissen um die negativen Auswirkungen kommunikativer Ignoranz, muss bedacht werden. Denn sie bestimmen die Denkmuster, mit denen morgens die Arbeit angetreten und sie abends wieder verlassen wird. Und über diese Denkmuster wird das Verhalten während der Arbeit und darüber hinaus gesteuert. Das verdeutlicht eine einfache persönliche Achtsamkeitsübung im Handumdrehen. Was wirkt in einem Gespräch oder einer beiläufigen Unterhaltung bewusstseinsbestimmend am meisten nach? Die Gefühlswirkung des Wortwechsels!

Wir-Gefühl

Es ist das verflixte "Wie", das energetisiert oder frustriert. Oder, wie die Kommunikationspsychologen nicht müde werden zu betonen, der Beziehungsaspekt des Miteinanderredens. Keine Frage, die betriebliche Zusammenarbeit, unter Kollegen genauso wie von Führungskräften, ist von ihrem Zweck her gesehen eine zielorientierte soziale Interaktion zur betrieblichen Aufgabenlösung. Ebenso sehr keine Frage aber auch: Die Qualität von beidem wird maßgeblich mitbestimmt von der zwischenmenschlichen Beziehungswärme oder -kühle, in der sich die Arbeitsabläufe vollziehen. Reale betriebswirtschaftliche Verluste gründen häufiger als gedacht in realen zwischenmenschlichen Verhaltensfehlern.

Wie ein einziger Zuckerwürfel im Treibstoff die Kraft eines Motors lahmlegen kann, so vermag ein unbedachtes Wort den Leistungsmotor abzuwürgen. Eine Erkenntnis der Führungsforschung verdeutlicht das. Nein, es ist nicht die immer wieder in den Vordergrund gerückte Motivation, über die Leistungslust und liebevolle Einstellung zur Firma hervorgerufen und gesteuert wird, es ist das ganz bewusste Vermeiden von Demotivation. Und Demotivation entsteht weniger auf der Ebene von Forderung und Überforderung als auf der Ebene der Beziehungsqualität. Deshalb stehen Unternehmen mit hoher interner Beziehungsqualität Krisen auch deutlich leichter durch als im Formalen erkaltete Betriebe. Sorgen sich Führungskräfte beispielgebend für ihre Umgebung um diese Beziehungsqualität, ist das ein doppelter Gewinn für die Firma. Die Bereitschaft, sich engagiert in die Zusammenarbeit einzubringen, steigt, und die Gesundheit der Belegschaft wird stabiler. Ausfallzeiten aufgrund psychophysischer Beeinträchtigungen sinken.

Honig und Stachel

Neben anderen hat besonders der amerikanische Bewusstseinsforscher Antonio R. Damasio, Professor für Neurologie und Psychologie und Direktor am Brain und Creativity Institute an der University of Southern California, die lange vernachlässigte Bedeutung der Gefühle ins Licht gerückt. Damasio erkannte: Rationalität und Emotionalität sind zwei Seiten einer Medaille. Denken wie Handeln finden nie unter Gefühlsausschluss statt. Emotionen haben immer und überall ihre Finger im Spiel. Sie beeinflussen jedes Tun und Lassen. Wer das weiß und sich von diesem Wissen leiten lässt, respektiert auch die Macht der Worte. Denn wie ein aus dem dritten Jahrhundert stammendes Sprichwort schon sagt: Das Wort gleicht einer Biene, es hat Honig und Stachel. (23.5.2020)