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Jungwissenschafter sorgen sich, wegen der Pandemie ein Semester zu verlieren, was für ihre Forschungen nachteilig sein könnte. Sie fordern unter anderem mehr Zeit und Geld.

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Virologinnen, Epidemiologen und Infektiologinnen beraten Regierungen, forschen an einem Impfstoff gegen die Lungenkrankheit Covid-19 oder klären in Medien über das Virus auf. Der Ausbruch der Pandemie verdeutlicht den Stellenwert und die Notwendigkeit, die Forschende für eine Gesellschaft haben.

Auch wenn die Wissenschaft derzeit viel Aufmerksamkeit bekommt, würden die aktuellen Probleme für Nachwuchsforscher zu wenig beachtet, kritisiert eine Initiative von Jungwissenschafterinnen in einem offenen Brief an Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP), Universitätenkonferenz (Uniko) und Hochschulvertreter.

Josefa Maria Stiegler promoviert am Institut für Politikwissenschaft der Uni Wien und ist eine der Initiatorinnen des Briefs. "Uns geht es darum, dass wir ohne Druck forschen können. Viele haben zu Hause nicht die nötige Infrastruktur, Archive und Bibliotheken waren lange geschlossen, Feldforschungen in Österreich und im Ausland können nicht gemacht werden", sagt sie.

Die Sorge: Ein oder zwei Semester zu verlieren, was sich nachteilig auswirkt. "Das kann existenzbedrohend werden", sagt Stiegler. Etwa wenn man am Ende des PraeDoc-Vertrags wegen Corona die Doktorarbeit nicht fertig hat und diese dann ohne finanzielle Absicherung und Zuschüsse für Konferenzen abschließen muss. Bei Drittmittelverträgen bekomme man zwar oft mehr Zeit, aber nicht mehr Geld. "Mittelbar wirkt sich das auch auf unsere künftige Forschung und Laufbahn aus", sagt Stiegler. Bereits vor der Krise war der wissenschaftliche Nachwuchs in prekären Verhältnissen: befristete Stellen, jahrelange Kettenverträge, niedrige Bezahlung, Konkurrenz- und Arbeitsdruck, wenige Jobchancen in der Academia.

Frauen publizieren weniger

Für manche könnte im Homeoffice ein weiterer Nachteil entstehen: Eltern, die zu Hause auf ihre Kinder aufpassen, haben weniger Zeit, um Artikel für Fachzeitschriften zu schreiben. Was sich in sozialen Medien unter #CoronaPublicationGap verbreitete, zeigt sich auch in ersten Zahlen und Einschätzungen einiger Fachblätter: Besonders die Einreichungen von Forscherinnen – Mütter betreuen meist die Kinder – gingen deutlich zurück. Die Konsequenz: je weniger Publikationen, desto schlechtere Chancen in der späteren Laufbahn, etwa bei einer Bewerbung auf eine Professur.

Deshalb fordern die Jungwissenschafterinnen, mit ihren Bedürfnissen in den Krisenstäben der Unis eingebunden zu werden, sowie eine nachhaltige Wissenschaftspolitik. Ebenso wollen sie einen Krisenfonds, der speziell prekär Beschäftigte in der Wissenschaft fördert.

Und die befristeten Prae- und Postdoc-Stellen – auch über Drittmittel finanzierte – sollen um mindestens ein Semester verlängert sowie die Option auf ein lehrfreies Semester garantiert werden, um Abschlussarbeiten zu schreiben. Auch schwebt den Initiatorinnen vor, aus einem Topf Lizenzen für Programme oder Anschaffungen fürs Homeoffice zu finanzieren. Rund 950 Personen (Stand Dienstag) haben den offenen Brief unterzeichnet, den Angesprochenen möchte man ihn Ende Mai überreichen. Die Resonanz sei hoch, weil sich viele Jungforscher vergessen fühlten, vermuten die Initiatorinnen.

Uniko-Präsidentin Sabine Seidler sagt, der Nachwuchs sei nicht vergessen worden. Die Herausforderung liege darin, dass nicht alle gleich betroffen und pauschale Lösungen nicht adäquat seien. Für drittmittelfinanzierte Stellen sei bereits die gesetzliche Möglichkeit geschaffen, sie um ein Jahr zu verlängern. Man setze sich dafür ein, das auch für Stellen aus dem Unibudget zu ermöglichen. Und: "An allen Unis hat die Rückkehr an den Arbeitsplatz für jene Priorität, die diesen für das Erreichen einer Qualifikation oder Karrierestufe benötigen", sagt Seidler. (set, 25.5.2020)