Christoph Doczy ist Mitgründer und Geschäftsführer von Flowsports sowie Sportwissenschafter und staatlich geprüfter Schwimm- und Triathlontrainer.
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Kraulen ist die effektivste und gesündeste Schwimmlage.
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Fitnesscenter und Freibäder dürfen wieder aufsperren. Schwimmschulen wissen aber noch immer nicht, wie es für sie weitergeht. Schwimmtrainer Christoph Doczy über richtiges Schwimmen in Zeiten von Corona – und was beim nun boomenden Schwimmen im Freiwasser zu beachten ist.

STANDARD: Wie schaut die aktuelle Situation für Schwimmschulen aus?

Doczy: Die rechtliche Situation ist uns derzeit noch nicht klar. Wir wissen nicht, ob wir unsere Schwimmkurse mit der Bädereröffnung Ende Mai anbieten dürfen – und, falls ja, unter welchen Rahmenbedingungen. Wir merken aber, dass ein irrsinniger Bedarf da ist. Die Leute wollen schwimmen gehen.

STANDARD: Wie könnten Schwimmkurse in Zeiten von Corona funktionieren?

Doczy: Man könnte die bei uns ohnehin schon sehr kompakte Gruppengröße noch weiter reduzieren. Auch Abstandsregeln wären im Wasser weniger das Problem. Einzig bei Schwimmkursen für Kinder und komplette Anfänger müssten wir uns etwas überlegen. Kinder sind es natürlich nicht gewohnt, Abstand zu halten. Und komplette Anfänger muss man ja als Schwimmtrainer im Wasser sichern. Das wäre schwierig. Dass der Trainer dabei eine Schutzmaske trägt oder einen Schutzschild, der obendrein immer anläuft, ist wohl nicht durchführbar. Und natürlich gehört auch die Situation in Umkleiden und Duschen geregelt, das ist ein Nadelöhr.

STANDARD: Wie schaut es bei den ambitionierteren Schwimmern aus, wie haben die in den letzten Monaten trainiert?

Doczy: Wir merken, dass die Leute derzeit vermehrt das Freiwasser nützen, die Alte Donau zum Beispiel.

STANDARD: Was gilt es dabei zu beachten?

Doczy: Das Freiwassertraining ist nur für Leute, die tatsächlich schwimmen können. Das bedeutet: Man muss mindestens 800 Meter am Stück kraulen können. Das Schwimmen in Naturgewässern kann man nicht mit dem Schwimmen in der Halle vergleichen, wo man alle 25 Meter stoppen und vielleicht sogar stehen kann. Im Freiwasser muss die Technik wirklich einwandfrei sein. Man sollte das Gebiet und seine Strömungen gut kennen – und sich nicht einfach blind ins Wasser stürzen. Wichtig ist auch, eine Schwimmboje dabeizuhaben und nicht alleine schwimmen zu gehen. Wenn einen im Freiwasser die Kraft verlässt, kann es wirklich brenzlig werden.

STANDARD: Was ist die größte Herausforderung?

Doczy: Die Orientierung. Dafür braucht es eine angepasste Technik, bei der das Kopfanheben und Schauen in den Kraulzug integriert wird. Im offenen Wasser kann man sich nicht mehr an den Markierungen am Boden orientieren, die es im Pool gibt. Bei manchen, die jahrelang im Pool geschwommen sind, kommt da sogar ein Panikgefühl auf. Man muss die Stelle, an der man ins Wasser geht, für sich selbst markieren. Und sich überlegen, wo ein markanter Punkt ist, den man beim Schwimmen anvisieren kann. Ich würde am Anfang ganz nahe beim Ufer bleiben und kurze Distanzen zurücklegen – und mich langsam steigern. Für viele ist es im Freiwasser schon unangenehm, auf einmal einen Fisch zu sehen, der über die Schwimmbrille manchmal noch näher erscheint. Das ist eine Erfahrung, die viele noch nie gemacht haben. Auch das kann Panik auslösen.

STANDARD: Was tun in einer solchen Situation?

Doczy: Ich empfehle grundsätzlich, sich anfangs mit erfahreneren Schwimmern zusammenzutun. Wer Panik bekommt, sollte sich auf den Rücken legen oder sich an der Boje festhalten und kontrolliert atmen. Aber meistens spürt man ohnehin schon am Anfang, wie es einem heute geht und wie sicher man sich fühlt. Darauf sollte man hören.

STANDARD: Welche Sicherheitsmaßnahmen empfehlen Sie noch?

Doczy: Einen Neoprenanzug. Der fungiert nicht nur als Kälteschutz, sondern ist auch eine Auftriebshilfe. Wenn es noch nicht ganz so heiß ist, würde ich das empfehlen. Im Hochsommer überhitzt man damit aber.

STANDARD: Wer Freiwasserschwimmen nicht mag, braucht jetzt wohl noch Geduld.

Doczy: Wer wirklich schwimmen will, hatte es schon vor Corona schwer in den Bädern. Man muss sich darauf einstellen, dass normales Bahnenschwimmen bis auf weiteres nicht wie gewohnt stattfinden wird, weil es beispielsweise am Beckenrand zu einer Ansammlung von Personen kommen könnte. Da braucht es natürlich eine Aufsicht und eine Maximalanzahl an Schwimmern pro Bahn. Und natürlich muss Abstand eingehalten und schnellere Schwimmer vorbeigelassen werden. In Österreich ist das Hauptproblem die gelebte Badekultur. Wir sind es nicht gewohnt, dass es abgesteckte Schwimmbahnen für unterschiedliche Geschwindigkeiten gibt.

STANDARD: Funktioniert das anderswo besser?

Doczy: In Schwimmnationen wie den USA und Australien. Dort lernen Kinder auch so schnell wie möglich zu kraulen, weil es die effektivste und gesündeste Schwimmlage ist – und sich bis ins Alter durchführen lässt. Bei uns gibt es da großen Nachholbedarf – vor allem auf Elternseite, wo viele glauben, das Kind muss am Anfang Brustschwimmen lernen. Diese Ansicht ist komplett veraltet. Brustschwimmen ist die komplizierteste Technik, wenn man es richtig lernen und nicht nur baden will. Und der Brust-Beinschlag ist für das Kniegelenk auf Dauer nicht ideal.

STANDARD: Welche Alternativen zum Schwimmen bieten sich an, wenn man überfüllte Bäder vermeiden will – aber sich auch nicht ins offene Wasser traut?

Doczy: Die beste Möglichkeit, die schwimmspezifische Muskulatur zu trainieren, ist mit einem sogenannten Zugseiltraining. Das kann man auch zu Hause machen. Und natürlich sind Ausdauersportarten sinnvoll, wobei laufen sehr belastend für das Gelenksystem ist. Wenn man eine Stunde schwimmen kann, heißt das nicht, dass man eine Stunde laufen gehen kann. Die beste Alternativsportart ist eigentlich das Radfahren, weil das körpergewichtsunabhängig ist. Aber auch da muss man dem Körper Zeit geben, sich anzupassen. (Franziska Zoidl, 28.5.2020)