Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer beim Treffen mit Vertretern der Kulturbranche am Freitag. Besprochen wurden Wege, wieder aufzusperren.

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Baustelle I: Bundesmuseen und -theater

Auch wenn sie nun formal wieder öffnen dürfen, wirtschaftlich brennt bei den großen Kulturstaatsbetrieben weiter der Hut. Die acht Bundesmuseen (Albertina, Kunsthistorisches, Naturhistorisches und Technisches Museum, Belvedere, Mak, Mumok und die Nationalbibliothek) sowie der Bundestheaterkonzern mit Staatsoper, Burgtheater und Volksoper müssen allein bis zum Herbst schätzungsweise einen Einnahmenentgang von 50 Millionen Euro verdauen. Die neue Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) wird in den Verhandlungen mit Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) um eine höhere Basissubvention ringen müssen. Allein das Belvedere beziffert seinen Bedarf an zusätzlichen Mitteln mit sechs Millionen Euro. Erschwerend kommt hinzu, dass die Museen und Theater wohl noch auf längere Sicht nur einen eingeschränkten Betrieb aufnehmen können. Gerade die Bundesmuseen sind sehr stark mit bis zu 70 Prozent von Touristen abhängig, die nun wegfallen. Älteres Publikum, das sich nicht gefährden will, könnte zudem noch lange ausbleiben. Letztlich wird die Staatssekretärin mit den Chefs der Häuser auch entscheiden müssen, ob und wie stark am künstlerischen Programm gespart werden soll. (stew)

Baustelle II: Individuelle Hilfsgelder

"Wir lassen niemanden im Stich": So ambitioniert das im Hinblick auf staatliche Zuschüsse aus dem Härtefallfond (HFF) und des Covid-19-Sonderfonds des Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF) auch klang, die Realität verkehrte das Versprechen ins Gegenteil. Im Falle des HFF erwies sich die Berechnung, die sich an der Umsatzrentabilität von Steuerbescheiden aus den Vorjahren orientiert, als Grundübel. Denn antizyklische Einkommen werden damit nivelliert. Wenn überhaupt, haben Kunstschaffende nur Anspruch auf Kleinstbeträge unter der Mindestsicherungsgrenze, die Lebenshaltungskosten nicht decken können. Ähnlich die Situation beim KSVF: Seit Anfang April wurden erst 1716 von 2522 Anträgen bewilligt. Die Mehrheit bekam 500 Euro überwiesen, der Rest 1000 Euro. Seither sind acht Wochen vergangen, in denen Betroffene Mietkosten, Lebensmittel und Sozialversicherungsbeiträge finanzieren mussten. Eine Nachzahlung von 500 Euro wurde für jene auf den Weg gebracht, die diesen Betrag als Erstzahlung bekamen. Wann beim KSVF die zweite Auszahlungsphase beginnt, ist unbekannt. Da diese staatliche Unterstützung offiziell nur drei Monate läuft, besteht akuter Handlungsbedarf. (kron)

Baustelle III: Abstimmung mit Ländern

Ein sich in der Coronakrise abzeichnendes Match zwischen Bund und Ländern wäre für den Kunst- und Kulturbetrieb, der stark föderal strukturiert ist, fatal. Um ein engmaschiges Netz an Unterstützung sicherzustellen, müssen die Länder, die teils größere Kulturbudgets als der Bund verwalten, ebendiesem bestens abgestimmt zur Seite stehen. Da die Kultur in den meisten Ländern Chefsache ist, hätte Staatssekretärin Mayer politisch gewichtige Partner.
Schule gemacht hat in den Ländern bereits das Wiener Modell rasch zu beziehender Arbeitsstipendien für Kulturschaffende. Höhe, Anzahl und Bezugsdauer variieren aber stark. Wien schüttet großzügige sechs Millionen Euro aus, Niederösterreich gab am Freitag bekannt, eine Million Euro dafür lockerzumachen, aus Vorarlberg beispielsweise ist aber zu hören, dass die dort bereitgestellten 150.000 Euro und die Form der Auszahlung weniger gut ankommen.
Und auch das vollmundig angekündigte Mindestsicherungsmodell Oberösterreichs hat sich bislang als unpraktikabel erwiesen, weil für den Bezug dieselben Voraussetzungen wie für die echte Mindestsicherung – also weitgehende Mittellosigkeit – gelten. Es soll aber nachgebessert werden, wie es heißt. (stew)

Baustelle IV: Alternative Modelle

An kreativen Ideen, wie der Staat der Kulturbranche finanziell helfen könnte, mangelt es nicht. Überlegenswert wäre jene, dass man von der ohnehin nicht gut funktionierenden Unterstützung für einzelne Kulturschaffende eher absieht und stattdessen den Kulturbetrieben den durch die Sitzplatzbeschränkungen entstandenen Einnahmenentgang ersetzt. Die Betriebe könnten verpflichtet werden, einen adäquaten Teil dieser Kompensation an die Künstler und Beschäftigten weiterzugeben. Auch von der Opposition kommen Forderungen: Die SPÖ will eine Kulturmilliarde als Investitionsprogramm, gemeinsam mit den Neos fordert man außerdem eine Art bedingungsloses Grundeinkommen für freie Kulturschaffende während der Krisenmonate. Ein Hebel, um privates Kulturgönnertum zu forcieren, wären Steueranreize: So könnte die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden an Kultureinrichtungen ausgeweitet werden. Auch Kunstankäufe könnte man mit einbeziehen – im niedrigen bis mittleren Preissegment, um Missbrauch auszuschließen. Auf lange Sicht gesehen, wäre auch eine Kulturstiftung des Bundes, an die Bürger steuerlich absetzbar spenden können, eine Überlegung wert. (stew, 24.5.2020)