STANDARD-Vorstand Alexander Mitteräcker: "Die Zeiten fordern mehr Ressourcen für das, was Sie von uns erwarten: investigative Recherche, Berichterstattung in Echtzeit, das Darlegen von unterschiedlichen Standpunkten und Sichtweisen sowie eine gewissenhafte Moderation unserer Onlineforen."

Foto: Heribert Corn www.corn.at

Anlässlich der Corona-Medienförderung wendet sich STANDARD-Vorstand Alexander Mitteräcker an die Leserinnen und Leser sowie an Werbetreibende:

Liebe Leserin, lieber Leser, liebe Werbetreibende,

regelmäßig werde ich darauf angesprochen, wie es dem STANDARD im Rahmen der Corona-Pandemie geht. Die Frage ist oft mit einem Nachsatz versehen: Es müsse uns doch außerordentlich gut gehen – angesichts des gesteigerten Leserinteresses.

Letzteres stimmt. Es ehrt uns, dass wir momentan so viele Abo-Abschlüsse haben wie noch nie. Ebenso verbringen unsere Leserinnen und Leser in Summe mehr Zeit auf derStandard.at als jemals zuvor – mehr als auf jedem anderen privaten österreichischen Onlinemedium (5,48 Millionen Stunden im April 2020 gemäß ÖWA).

Eine aktuelle Gallup-Erhebung bescheinigt dem STANDARD, unter Medienunternehmen verlegerischer Herkunft zu den zwei wesentlichsten Quellen zu gehören, wenn es darum geht, sich über diese Pandemie zu informieren.

Allerdings ist der Lesermarkt nur eine unserer Finanzierungsquellen. Die weit größere ist der Werbe- und Anzeigenmarkt – und hier bemerkt man schon jetzt die Auswirkungen der Pandemie: Wesentliche Branchen werben nicht mehr, weil aktuell ihre Geschäftsgrundlage weggefallen ist; andere, weil sie es im momentanen Marktumfeld als nicht sinnvoll erachten.

Davon ist nicht nur DER STANDARD betroffen. Tatsächlich ist es sehr realistisch, dass die aktuelle Pandemie zu einer Wirtschaftskrise führt – und durch die Rückgänge im Werbegeschäft auch zu einer Medienkrise. Dies zu einer Zeit, in welcher die vierte Gewalt im Staat wahrscheinlich mehr gefordert ist als jemals zuvor in der Zweiten Republik.

Die Bundesregierung hat das erkannt und daher eine "Corona-Medienförderung" beschlossen. Als Verteilungsschlüssel hat sie die Druckauflage (!) des vergangenen (!) Jahres als wesentliches Kriterium festgelegt. Eine eher interessante Formel: Sie ist fernab von tatsächlichen Reichweiten, da sie den digitalen Distributionskanal nicht berücksichtigt; sie geht auch nicht auf den tatsächlichen Nutzen eines Mediums für die Gesellschaft ein – wie es beispielsweise mit einer Förderung anhand der Anzahl der beschäftigten Journalisten eines Mediums geschehen wäre. Sie favorisiert – wohl nicht unbeabsichtigt – eindeutig den Boulevard: Die Kronen Zeitung erhält das Fünffache des STANDARD, Heute und Österreich/Oe24 das Dreieinhalbfache. Letztere sind zwei Medien, die gemäß der Gallup-Studie bei der Corona-Berichterstattung mit der geringsten Glaubwürdigkeit unter den eigenen Lesern abschneiden.

Wenn ich diese Gegebenheiten schildere, dann reagieren meine Gesprächspartner unmittelbar mit der Frage, was man dagegen unternehmen könne. Gegen das Gesetz selbst wahrscheinlich nichts. Man muss sich vergegenwärtigen, dass die 500.000 Euro, die der STANDARD durch das Gesetz erhält, zwar helfen, aber dennoch nicht mehr sind als ein Tropfen auf den heißen Stein – angesichts der krisenbedingten Umsatzverluste aus dem Werbegeschäft. Zusätzlich zu der nun bevorstehenden prekären Situation am Medienmarkt hat die Regierung  durch die Gewichtung der Fördergelder hier eine dramatische Wettbewerbsverzerrung geschaffen.

Wir werden dennoch alles daransetzen, unseren demokratiepolitischen Auftrag nicht nur wie bisher zu erfüllen, sondern weiter auszubauen. Die Zeiten fordern mehr Ressourcen für das, was Sie von uns erwarten: investigative Recherche, Berichterstattung in Echtzeit, das Darlegen von unterschiedlichen Standpunkten und Sichtweisen sowie eine gewissenhafte Moderation unserer Onlineforen.

In welchem Umfang wir dies umsetzen können, hängt in einem hohen Maß von Ihnen ab.

Sie haben es in der Hand, welchen Medien  wie  viele  Ressourcen zur Verfügung stehen. Mögliche Szenarien für unsere Gesellschaft kann sich jeder ausmalen, wenn das mediale Umfeld in die falsche Richtung geht, wenn Boulevard, Nachrichten-Aggregatoren und  Social-Media-Plattformen die Deutungshoheit übernehmen.

Sollten Sie Anzeigen schalten, dann erlaube ich mir anzuregen, Ihre Mediapläne dahingehend zu überprüfen. Sie bestimmen mit der Widmung Ihres Anzeigenbudgets in einem hohen Maß  die  Richtung, die das mediale Umfeld in unserem Land einschlägt.

Liebe Leserin, lieber Leser, ich hoffe, diese Branchenhintergründe nicht zu technisch dargelegt zu haben. Es war mir ein Anliegen, mit dieser Bilanz transparent zu machen, wie dieses Virus sich auf den für die Gesellschaft relevanten Medienmarkt auswirkt. Einladen möchte ich Sie, den STANDARD in einer seiner Varianten zu abonnieren. Oder online unsere "Supporter"-Funktion zu nutzen, die es erlaubt, Ihre Unterstützung für unser Medienhaus nach Ihrem Ermessen und Ihren Möglichkeiten zu gestalten.

Danken möchte ich Ihnen allen für den vielen Zuspruch, den wir auf unterschiedliche Weise in den letzten Wochen erfahren haben. Gerade in so fordernden Zeiten ist es schön zu erfahren, dass so viele sich unserem Haltungsgedanken anschließen.

Alles Gute wünscht Ihnen Ihr

Alexander  Mitteräcker
Vorstand STANDARD Medien AG