Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ist der Hauptdarsteller des Videos – und gerät damit unter Druck.

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Brasilia – Nun hat Brasilien möglicherweise sein eigenes Ibiza-Video. Der Oberste Gerichtshof hat am Freitagabend Aufnahmen einer Kabinettssitzung freigegeben, die Präsident Jair Bolsonaro in Bedrängnis bringen könnten. Gegen diesen wird wegen versuchter politischer Einflussnahme auf die Bundespolizei ermittelt. Und das Video könnte ihn dahingehend belasten. So sagt Bolsonaro darin, dass er einen Polizeichef auswechseln müsse, um Familienmitglieder, gegen die ermittelt werde, zu schützen. Laut Insidern sei damit der Chef der Bundespolizei Rio de Janeiros gemeint gewesen.

Das Video einer Kabinettssitzung enthüllt jedoch noch weitere Details, die der amtierenden Regierung schweren Schaden zufügen könnten. In der Aufnahme ist zu hören, wie Bolsonaro Gouverneure als "Stück Scheiße" beschimpft, Bildungsminister Abraham Weintraub zur Inhaftierung von Richtern des Obersten Gerichts aufruft und Umweltminister Ricardo Salles die Corona-Pandemie dazu nutzen will, Bergbau und Landwirtschaft im Amazonas-Regenwald zu legalisieren.

Brisante Aussagen

Die Polizei ermittelt Medienberichten zufolge in verschiedenen Fällen gegen Bolsonaro und sein enges Umfeld. Dazu zählen demnach auch Vorwürfe gegen seinen Sohn Carlos, einen Stadtrat von Rio de Janeiro, der eine Fake-News-Kampagne zugunsten seines Vaters geleitet haben soll.

"Ich werde nicht drauf warten, dass meine Familie Ärger bekommt, nur weil ich nicht einen Polizeibeamten auswechseln kann", sagte der Präsident in der Sitzung im vergangenen Monat. "Wenn man nicht den Polizeibeamten austauschen kann, muss man eben dessen Chef austauschen. Und wenn man nicht den Chef auftauschen kann, muss man den Minister wechseln".

Die Aufnahmen sind brisant, denn zwei Tage nach der besagten Kabinettssitzung am 22. April trat der damalige Justizminister Sergio Moro zurück. Er warf Bolsonaro vor, sich aus persönlichen Motiven in die Strafverfolgung einzumischen. Als Mitte Mai Gerüchte um ein möglicherweise belastendes Video auftauchten, kündigten Moros Anwälte bereits an, dass das Video die Anschuldigungen gegen den Präsidenten "vollständig belegen" würde.

Bolsonaro verteidigte sich

Bolsonaros erste Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Auf Facebook schrieb der Präsident, dass das Video eben keine Einflussnahme auf die Bundespolizei zeige. Im Vorfeld hatte er bereits erklärt, dass das Wort "Bundespolizei" nicht auf der fraglichen Aufzeichnung zu hören sei, und die Bundespolizei nie gegen seine Familie ermittelt habe. Trotzdem hätte seiner Ansicht nach das Video zerstört werden sollen.

Nach der Transkription des Videos und der Befragung der beteiligten Minister wird der Generalstaatsanwalt entscheiden, ob er wegen Machtmissbrauchs und Behinderung der Justiz gegen Bolsonaro vorgehen wird. Sollten der Oberste Gerichtshof sowie zwei Drittel des Unterhauses des Kongresses begründete Beweise für eine Schuld sehen, würde der Präsident seines Amtes enthoben und Klage vor dem Obersten Gericht erhoben. (red, Reuters, APA, 22.5.2020)