Dominic Cummings hielt sich nicht an die Corona-Regeln.
Foto: Mark Thomas / i-Images via www.imago-images.de

Wie wenig Dominic Cummings von Konventionen, guten Manieren und hergebrachten Weisheiten hält, wusste man schon. Als Chefstratege der Brexit-Kampagne hatte er maßgeblichen Anteil an der Totalumkehr britischer Innen- und Außenpolitik. Als mächtigster Berater von Premier Boris Johnson ließ er eine fristlos entlassene Mitarbeiterin von einem Polizisten aus der Downing Street eskortieren. Die sonst auf der Insel geltende Anzugpflicht unterläuft der 48-Jährige in abgerissenen Sweatshirts und schlecht sitzenden Jeans.

Seit Samstag weiß die Öffentlichkeit: Cummings zufolge galt auch der Corona-Lockdown für alle – nur nicht für ihn. Einträchtig berichteten Guardian und Mirror von einer Fahrt des Johnson-Beraters samt seiner Frau Mary Wakefield und dem vierjährigen Cedd Ende März von London ins mehr als 400 Kilometer entfernte Durham. Der Trip sei notwendig gewesen, weil Wakefield bereits an Sars-CoV-2 erkrankt und Cummings selbst hochgefährdet war, teilte Downing Street mit; Cedd habe Aufsicht gebraucht, die Cummings’ Schwester leisten konnte.

Diese Erklärung sorgte für wütende Proteste. Die konservative Sunday Times forderte ebenso Cummings’ Entlassung wie kleinere Oppositionsparteien und eine Reihe von Tory-Hinterbänklern.

Verehrer Bismarcks

"Viel Feind, viel Ehr", dürfte sich Cummings denken, schließlich zitiert er gern den chinesischen General Sun Tzu (544–496 v. Chr.) und gehört zu den Verehrern des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815–1898). Als Chefstratege der Brexit-Kampagne "Vote Leave" agierte er ebenso rücksichtslos wie seit vergangenem Juli als Johnsons engster Berater. Damit hat der schmale Historiker mit einem Faible für Wissenschaftsthemen deutlich mehr Einfluss als die meisten Kabinettsmitglieder.

Dass er nicht einmal Mitglied der Konservativen ist, sogar alle Parteien für ebenso überflüssig hält wie das traditionell neutrale Berufsbeamtentum, hat Cummings viele Feinde eingebracht. Für einen "unflätigen Trottel" hält ihn der altgediente Tory-Hinterbänkler Roger Gale, eines von sieben Fraktionsmitgliedern, die den Rücktritt des Lockdown-Interpreten verlangen.

Ex-Premier David Cameron, in dessen Regierungszeit (2010–2016) Cummings das Bildungsministerium aufmischte, bezeichnete den Beamtenhasser sogar als "Karriere-Psychopathen". Ob er den Lockdown-Sturm im Amt überlebt oder nicht – der britischen Politik wird Cummings jedenfalls erhalten bleiben. Sebastian BorgerDominic Cummings strapaziert die Geduld der britischen Konservativen. (Sebastian Borger, 24.5.2020)