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Undistanzierter Protest zugunsten der orthodoxen Kirche in Montenegro in der serbischen Hauptstadt Belgrad.

Foto: AP / Darko Vojinovic

Auf der Insel Korfu ging eine Bürgermeisterin auch während der Pandemie in die Kirche, um der Reliquie des heiligen Spyridon die Ehre zu erweisen. Der frühere Bischof von Kalavryta, Amvrosios, gab den Ratschlag, dass die Gläubigen ihre Hände und ihren Mund mit Weihwasser befeuchten sollten. Er forderte den konservativen Premier Kyriakos Mitsotakis auf, die Notverordnungen zurückzunehmen und nicht zu einem "Verfolger von Christus" zu werden. Mit antiamerikanischem Grundton behauptete er, dass das Virus in den 1980ern in einem Labor in den USA entwickelt worden sei.

Manche orthodoxen Kirchen in Südosteuropa reagierten relativ spät auf das Virus. So wurde weiterhin die Kommunion mit ein und demselben Löffel in griechischen Kirchen bis zum 16. März an die Gläubigen gegeben, obwohl bereits am 27. Februar der erste Fall einer Covid-19-Erkrankung in Griechenland auftauchte. Danach wurden alle kirchlichen Veranstaltungen unterbunden und die Kirchen geschlossen. Der griechische Erzbischof Ieronymos zeigte sich bereit, in der Bekämpfung des Virus mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Aber in manchen Ortskirchen widersetzen sich Menschen den Verordnungen.

Kommunion kann auch auf Löffel "keine Krankheit auslösen"

Der Bischof Seraphim von der Insel Kythera meinte etwa: "Weder die Heilige Messe noch die Heilige Kommunion können jemals Mittel zur Übertragung von Krankheiten werden, weil die Heilige Gnade auf die Gläubigen einwirkt und sie abschirmt." Seraphim hielt eine Messe ab. Er wurde festgenommen und belangt. Ähnlich ging es auch einem Priester in Athen. Auch der Metropolit Seraphim von Piraeus meinte, dass die Heilige Kommunion "keine Ursache für Krankheit sein kann".

Die Mehrheit der Priester jedoch agierte vernünftig und forderte die Gläubigen auf, die medizinischen Ratschläge zu beachten. Doch die Pandemie zeigte die Spannungen zwischen Wissenschaft und Religion, zwischen dem Wunsch, gerade in Krisenzeiten Trost in Kirchen zu suchen, und der staatlichen Aufgabe, die Gesundheit zu schützen. In einigen südosteuropäischen Staaten versuchten die Regierungen, der orthodoxen Kirche entgegenzukommen, anderswo kam es zum offenen Konflikt.

Bischof verstarb an Covid-19

Serbien gehört zu ersteren Ländern. Patriarch Irenej instruierte die lokalen Kirchen, sie sollten sich an die Vorgaben halten: Treffen – und damit auch kirchliche Feiern – von mehr als fünf Personen waren untersagt. Doch in Novi Sad bekamen die Gläubigen auch noch Ende März die Kommunion von ein und demselben Löffel. Die Regierung versuchte einen offenen Konflikt zu vermeiden. So galt für Ostern zwar eine Ausgangssperre für alle Bürger, doch niemand wurden festgenommen, wenn er in die Kirche ging und die Kommunion empfing. Traumatisch war für die Kirche selbst, dass Bischof Milutin Knežević selbst am 30. März an der Covid-19-Erkrankung verstarb.

Besonders entgegenkommend verhielt sich die mazedonische Regierung gegenüber der mächtigen Orthodoxie. In Skopje wollte man auf jeden Fall auch eine Politisierung verhindern. So wurden zwar weitreichende Ausgangssperren verhängt, doch die Kirchen durften vor Ostern am 16. und am 17. April offen bleiben. Und an diesen beiden Tagen wurde die Kommunion auch in Nordmazedonien mit ein und demselben Löffel an die Gläubigen gegeben. Aus der Kirche hieß es: "Wir werden nicht jahrhundertealte Traditionen ändern." Abgesehen von der Möglichkeit einer Infektion durch die Benützung desselben Löffels gilt auch das Küssen von Ikonen in den Kirchen während einer Pandemie als Gefährdungsquelle. In Nordmazedonien gibt es bis heute immer wieder neue Ansteckungsfälle – trotz niedriger Fallzahl ist die Pandemie nicht wirklich eingedämmt.

Religionsgesetz

So richtig turbulent wurde die Beziehung zwischen der Regierung und der orthodoxen Kirche in Corona-Zeiten nur in Montenegro. Das hat vor allem damit zu tun, dass es bereits zuvor einen tiefen Konflikt um das neue Religionsgesetz gegeben hat. In Montenegro gehören die meisten Gläubigen nicht der lokalen montenegrinisch-orthodoxen Kirche, sondern weiterhin der serbisch-orthodoxen Kirche an, obwohl der Staat 2006 seine Unabhängigkeit von Belgrad erlangte. Die serbisch-orthodoxe Kirche war allerdings gegen die Unabhängigkeit des kleinen Adria-Staates, und Metropolit Amfilohije war bereits in den 1990ern ein Proponent des radikalen Nationalismus und der großserbischen Idee.

Vor der Pandemie war es ab Jänner zu Massendemonstrationen gekommen, die die serbisch-orthodoxe Kirche organisiert hatte und an denen viele Bürger teilnahmen. Die Kirche behauptet nämlich, dass durch das neue Religionsgesetz Kircheneigentum verstaatlicht werden soll. Tatsächlich geht es darum, dass es unklare Besitzverhältnisse gibt, die durch das neue Religionsgesetz geklärt werden sollten.

Venedig-Kommission rät zu Dialog mit religiösen Gemeinschaften

Im Artikel 62 des Gesetzes heißt es: "Religiöse Gebäude und Grundstücke, die von den Religionsgemeinschaften auf dem Territorium Montenegros genutzt wurden und die bis zum 1. Dezember 1918 aus öffentlichen Einnahmen des Staates gebaut oder erwirtschaftet wurden oder im Besitz des Staates waren und für die es keine Eigentumsnachweise der Religionsgemeinschaften gibt, gelten als Staatseigentum und kulturelles Erbe Montenegros." Die Verwaltung sollte innerhalb eines Jahres eine Inventurliste für jene Immobilien erstellen, die dem Staat gehören könnten.

Das neue Religionsgesetz wurde auch von der Venedig-Kommission begrüßt. Allerdings empfiehlt die Kommission, dass die religiösen Gemeinschaften in diesen Prozess der Rechtsklärung eingebunden werden. Bislang gibt es allerdings keinen Dialog, sondern vielmehr einen erbitterten Streit. Milo Đukanović, der wieder einmal Präsident ist – und die politischen Geschicke des Landes seit 30 Jahren lenkt –, meinte dazu: "Wir werden dem heutigen Montenegro nicht erlauben, unter der Diktatur einer religiösen Organisation zu leben, die ein Relikt der Vergangenheit darstellt."

Bischof und Priester festgenommen

Während der Pandemie eskalierte der Streit nun wieder. Die Regierung verfügte nämlich am 13. März, dass Messen gänzlich ohne Gläubige abgehalten werden müssen – das war übrigens in der katholischen Kirche in Österreich auch der Fall. Auch Versammlungen waren verboten. Manche Priester hielten sich in Montenegro allerdings nicht daran. In Kotor wurde deswegen bereits am 19. März der erste Priester festgenommen. Ende März wurde ein weiterer Priester für 72 Stunden in Budva in Gewahrsam genommen, weil er ein Gemeinschaftsgebet mit elf Gläubigen im Kloster Reževići geleitet hatte. Am 12. Mai wurden der Bischof von Nikšić Joanikije und sieben andere Vertreter der Kirche vorübergehend festgenommen, weil sie eine Prozession zu Ehren des Heiligen Vasilije abgehalten hatten. Tausende Gläubige hatten sie dabei begleitet.

In der Folge kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Gläubigen, die gegen die Festnahme des Bischofs und der Priester protestierten, und der Polizei in mehreren Städten in Montenegro. Einige Demonstranten und Polizisten wurden verletzt. Die Priester werden nun dafür belangt, die Gesundheitsverordnungen nicht eingehalten zu haben.

Aktion scharf gegen Demonstranten und Verbreiter von Fake-News

Der montenegrinische Metropolit Amfilohije führte die Prozession an. Amfilohije selbst war bereits am 29. April von der Staatsanwaltschaft befragt worden, weil er ein Begräbnis abgehalten hatte. Kirchenvertreter nannten die Befragung von Amfilohije eine Attacke gegen den orthodoxen Glauben. Tatsächlich ist aber nicht nur das Verhalten mancher Vertreter der orthodoxen Kirche fragwürdig, sondern auch der Einsatz von Polizeigewalt gegen Demonstranten. So wurde etwa in Montenegro ein Journalist festgenommen, weil er über die Demonstration in Nikšić berichtete. Die Polizei ging auch scharf gegen Leute vor, die Fake-News in sozialen Medien verbreiteten. Einige wurden festgenommen. Die internationale Nichtregierungsorganisation Freedom House erklärte kürzlich, dass Montenegro nicht mehr als Demokratie zu bezeichnen sei. (Adelheid Wölfl, 26.5.2020)