Autor Felix Mitterer setzt wegen des Coronavirus seine "Piefke-Saga" fort.

Foto: Regine Hendrich

Fast 30 Jahre nach seiner Piefke-Saga sind die allerschrägsten Schreckensbilder Felix Mitterers für die Tiroler Alpenwelt doch nicht Wirklichkeit geworden. Keine mechanischen Kühe müssen auf den Wiesen von japanischen Technikern gewartet werden. Sehr weit wähnte man sich davon allerdings nicht, führte man sich zuletzt die Pläne mancher Tiroler Touristiker zu Gemüte. Mitterer hatte den Finger in eine Wunde namens Ausverkauf der Heimat gelegt, als er 1990 das Drehbuch für die ersten drei Teile des TV-Erfolgs lieferte, 1993 folgte der vierte. Sie erregten erst große Aufregung, wurden dann Kult.

Groß ist folglich die Resonanz, wenn der 1948 im Tiroler Achenkirch geborene Dramatiker nun unter dem Eindruck der Corona-Fälle von Ischgl eine Fortsetzung ankündigt. Schon 2007 plante er mit Russen-Saga neueren Tourismusentwicklungen Rechnung zu tragen, die Annexion der Ukraine verdarb ihm aber den Spaß daran.

Verstehen statt verurteilen

Ein Bewusstsein für gesellschaftliche Krisenherde zeichnet Mitterers Werk von Anbeginn aus. Er schöpft dabei auch aus eigener Erfahrung, ist er doch als 13. Kind einer verwitweten Landarbeiterin und eines rumänischen Flüchtlings auf die Welt gekommen. Sie übergab ihn einer Freundin, die oft "furchtbar" zum Ziehsohn war. Nicht aber sie zu verurteilen, sondern sie zu verstehen habe ihn später zum Schreiben befähigt.

Bis 1977 schrieb er neben seiner abgebrochenen Lehrerausbildung und der Arbeit beim Innsbrucker Zoll. Ab 1970 veröffentlichte er, ein erster Erfolg wurde 1976 Kein Platz für Idioten darüber, wie eine Dorfgemeinschaft einem behinderten Buben mitspielt. Plötzlich berühmt machte ihn 1982 der Skandal um Stigma, worin er Katholizismus und Scheinheiligkeit verquickte. Kleinbürgerliche Doppelmoral, Außenseitertum, die Gräuel der Nazis kennzeichnen Stücke wie Heim, Besuchszeit, Kein schöner Land.

"Volksautor" im besten Sinn

Auf der Suche nach Privatheit übersiedelte Mitterer 1995 nach Irland, 2010 zog er ins Weinviertel. Nachts schreibend, sind seither mit Der Boxer oder Jägerstätter weitere beachtete Theaterabende auch über die Nazizeit entstanden. Das Attribut "Volksautor" trägt er längst mit der Bescheidenheit dessen, der einer Gesellschaft im besten Sinn den Spiegel vorhält.

Auch wenn er sich mit Abgabefristen schwertut, gesellen sich heute zu über 30 Stücken zahlreiche Hörspiele und Drehbücher für den Tatort. Mit Keiner von euch liegt zudem neuerdings Mitterers erster Roman vor. (Michael Wurmitzer, 25.5.2020)