Es war ein hektisches Finale. Auf der Website des AMS waren die Formulare für die Verlängerung der Kurzarbeit ab Juni am Montag schon abrufbar, während bei den zuständigen Sozialpartnern noch keiner so richtig wusste, ob die neuen Regelungen schon fixiert seien. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter hatten sich zwar bereits in der vergangenen Woche auf die neuen Regeln verständigt. Vom zuständigen Arbeitsministerium fehlte aber noch grünes Licht.

Jetzt ist es da. Zwei größere Veränderungen wird es geben: einmal bei der Durchrechnung und einmal bei der Förderhöhe für gut ausgelastete Betriebe. Mit den Neuerungen sollen einige Konstruktionsfehler bei der Kurzarbeit behoben werden.

Wie bisher gilt, dass bei Kurzarbeit Arbeitnehmern je nach Vorverdienst 80, 85 oder 90 Prozent des vorherigen Nettolohns gebührt. Gearbeitet werden muss weiterhin zwischen zehn und 90 Prozent der ursprünglichen Normalarbeitszeit. Die Formalitäten, mit denen um Verlängerung angesucht werden kann, werden einfacher.

Die erste wichtige Änderung soll einen Auslegungsstreit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beenden. Die Kurzarbeit kann ja für zweimal drei Monate beantragt werden, und zwar rückwirkend ab Anfang März. Dabei kann in der Praxis die Arbeitszeit stark schwanken. In der neuen Vereinbarung wurde geregelt, dass in Fällen, in denen mehr gearbeitet wird, als an Nettolohn in der Kurzarbeit gebührt, auch mehr bezahlt werden muss.

Strittige Auslegung

Zur Erklärung ein Beispiel: Arbeitnehmerin X wird drei Monate in Kurzarbeit geschickt und bekommt 80 Prozent von ihrem Vorverdienst. Im ersten Monat, im März, arbeitet sie 40 Prozent ihrer vorherigen Arbeitszeit. Im April sind es noch einmal 40 Prozent. Im Mai läuft es gut im Betrieb, und sie arbeitet 100 Prozent. In diesen Fällen hat die Wirtschaftskammer die Regelungen bisher so ausgelegt, dass durchgerechnet werden kann: Der Unternehmer durfte in allen drei Monaten 80 Prozent vom vorigen Nettolohn zahlen, weil sie ja auch über alle drei Monate betrachtet nicht mehr gearbeitet hat. Künftig geht das nicht. Im Mai, wo sie voll beschäftigt war, würde X daher der ungekürzte alte Bezug gebühren.

Die zweite Änderung ist noch komplexer und betrifft Fälle von Über- und Unterförderung. Wir haben über dieses Problem bereits am Wochenende berichtet. Hier wird künftig ein Korrekturmechanismus eingezogen. Das wurde dem STANDARD aus dem Arbeitsministerium unter Christine Aschbacher (ÖVP) bestätigt.

Das bedeutet, die Pauschalsätze, die das AMS für ausgefallene Stunden zahlt, werden sich ändern. Relevant wird das aber nicht sofort, sondern erst bei der Schlussabrechnung der Kurzarbeit nach sechs Monaten, wie es aus dem Ministerium heißt. Damit soll ein Baufehler im System Kurzarbeit behoben werden.

Wo Überförderung entsteht

Um was es geht: Während der Kurzarbeit erhält jeder Dienstnehmer von seinem Arbeitgeber sein gekürztes Entgelt. Dieses setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Einerseits bezahlt der Betrieb die tatsächlich geleistete Arbeit. Zugleich zahlt das Unternehmen seinen Beschäftigten auch jene Zeit, die nicht gearbeitet wird. Das ist die Kurzarbeitsförderung.

Diesen Betrag allerdings holt sich das Unternehmen als Beihilfe vom AMS zurück. Jedoch: Was das AMS an Kurzarbeitsbeihilfe auszahlt und was der Unternehmer an Kurzarbeitsförderung an den Mitarbeiter gibt, kann auseinanderfallen.

1,3 Millionen Menschen waren am Höhepunkt zur neuen Kurzarbeit angemeldet. Zwölf Milliarden Euro sind für die Kurzarbeit budgetiert.
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Das geht so: Das AMS fördert nämlich alle Fehlstunden auf die alte Arbeitszeit mit einem Pauschalbeitrag. Beispiel: X arbeitet 80 Prozent und bekommt dies vom Arbeitgeber bezahlt. Die Fehlstunden auf ihre vorherige 100-prozentige Arbeitszeit kann ihr Arbeitgeber aber dennoch beim AMS geltend machen und dafür eine Beihilfe beantragen. Hier entsteht eine Überförderung, weil X nicht mehr als die 80 Prozent vom Betrieb ausbezahlt bekommt. Klingt nach einem Detail, das bei der Ausgestaltung der Kurzarbeit übersehen wurde.

Aber das ist kein kleiner Brocken: Nach einer Schätzung bei ÖGB und Arbeiterkammer handelt es sich um mehr als 500 Millionen Euro, die dieser Posten ausmachen könnte. Um wie viel Geld es genau geht, weiß niemand: Das hängt davon ab, wie viel Förderungen konkret beantragt werden.

Kontrollrechnung am Schluss

Für die kommenden drei Monate haben sich die Sozialpartner auf einen korrigierten Beihilfenrechner verständigt. Wenn es zu einer Überförderung kommt, wird mithilfe eines Programms der Pauschalsatz, der dem Unternehmen für jede entfallene Stunde gebührt, entsprechend gekürzt. Für gut ausgelastete Betriebe, nur um die geht es hier, bedeutet es weniger Geld. Diese gekürzte Förderung soll aber erst am Ende der Kurzarbeitszeit berücksichtigt werden. In der laufenden Verrechnung ändert sich damit nichts. Umsetzen muss diese Pläne das AMS.

Aus dem zuständigen Arbeitsministerium heißt es am Montag: "Unser Ziel ist, bei der Verlängerung der Corona-Kurzarbeit weitere Verbesserungen vorzunehmen. Eine davon ist die Vermeidung von möglichen Überförderungen. Daher wird bei der letzten Abrechnung im Verlängerungszeitraum eine Kontrollrechnung vorgenommen, damit auch sichergestellt ist, dass nur die tatsächlichen Mehrkosten gefördert werden." Und weiter: "Wichtig zu betonen ist, dass dies keine Auswirkungen auf die Arbeitnehmer hat."

Für die Zukunft: Rechtssicherheit

Mit der erwähnten Korrektur wird noch ein zweiter Baufehler behoben. Während nämlich gut ausgelastete Betriebe tendenziell überfördert werden können, kommt es bei Unternehmen mit wenig Arbeitsauslastung zu einer tendenziellen Unterförderung. Das liegt am System, mit dem das AMS Brutto- in Nettobeträge umrechnet. Hier reichen die vom AMS gezahlten Ausfallstunden nicht immer aus. Die Unternehmer müssen also Geld zuschießen. Auch das soll das neue Programm beheben. Für Arbeitnehmer ändert sich dadurch nichts.

Die Kurzarbeit hilft dabei, Zeiten zu überbrücken, in denen Betriebe ganz oder teilweise geschlossen waren und keinen Umsatz machen konnten.
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Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer zeigen sich von der neuen Lösung angetan: ÖGB-Chef Wolfgang Katzian lobt die Kurzarbeitsregelung, weil damit unzählige Jobs gerettet worden seien. 1,3 Millionen Menschen wurden zur Kurzarbeit angemeldet. Die nun erfolgten Korrekturen würden verbliebene Mankos beseitigen, so Katzian zum STANDARD. Bei der Wirtschaftskammer ist davon die Rede, dass es nun mehr Rechtssicherheit für Unternehmen gibt.

Aber was ist mit der Vergangenheit?

Das mit der Rechtssicherheit kann noch ein spannender Punkt werden: Denn die neuen Beihilferegeln, die Streitereien verhindern sollen, gelten nur für die Verlängerung der Kurzarbeit. Sie sind nicht rückwirkend gültig. Unter Juristen tobt bereits eine Debatte darüber, wem die Beträge aus einer Überförderung in den ersten drei Monaten gebühren: den Arbeitnehmern oder den Arbeitgebern? Laut Experten lässt die alte Sozialpartnervereinbarung mehrere Auslegungen zu.

Übrigens: Ansonsten ändert sich an den Spielregeln zur Kurzarbeit wenig. Die Urlaubsregelungen sind zum Beispiel gleich geblieben. Mitarbeiter sollen nach Möglichkeit Alturlaub und, sofern das schon geschehen ist, auch laufenden Urlaub konsumieren – und zwar "tunlichst" drei Wochen. Das muss der Betrieb zahlen, Urlaub gilt als volle Arbeitszeit in der Kurzarbeitverrechnung. Verpflichtend ist dieser Konsum aber nicht. (András Szigetvari, 26.5.2020)