In Lokalen und Schanigärten gilt derzeit: Sperrstunde ist um 23 Uhr. Die Wirtschaftskammer rechnet bei positivem Corona-Verlauf mit einer Ausweitung Mitte Juni.

Foto: Heribert Corn

Frage: Was genau wird Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorgeworfen?

Antwort: Van der Bellen ist in der Nacht auf Sonntag um 0:18 Uhr von der Polizei im Gastgarten eines Innenstadt-Italieners in Wien angetroffen worden – gemeinsam mit seiner Ehefrau Doris Schmidauer und zwei Freunden. Die Corona-Sperrstunde ist aber bereits um 23 Uhr. Der Präsident räumte öffentlich seinen Fehler ein. Er sei erstmals seit dem Lockdown Essen gegangen. "Wir haben uns dann verplaudert und leider die Zeit übersehen. Das tut mir aufrichtig leid", sagte er.

Frage: Hat Van der Bellen gegen das Covid-19-Maßnahmengesetz verstoßen?

Antwort: Das wird aktuell geprüft. Die Polizei hat eine Sachverhaltsdarstellung am Montagvormittag an das zuständige Wiener Magistrat übermittelt. Dort hieß es auf Anfrage: "Wir schauen uns das an." Details wurden mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht genannt. Grundsätzlich gilt jedenfalls, dass das Betreten von Betriebsstätten des Gastgewerbes zwischen 23 Uhr und 6 Uhr untersagt ist. So steht es in der aktuellen Covid-19-Lockerungsverordnung, auf die das Gesundheitsministerium verweist.

Podcast: Über Sinn und Unsinn der Corona-Regeln für die Gastronomie.

Frage: Kann der Präsident überhaupt behördlich verfolgt werden?

Antwort: Kommt die Behörde zum Schluss, dass hier ein Fehlverhalten vorliegen könnte, müsste diese ein Gesuch an den Nationalratspräsidenten stellen. Denn eine behördliche Verfolgung bedarf der Zustimmung der Bundesversammlung aus Nationalrats- und Bundesratsabgeordneten. Hier ist eine einfache Mehrheit nötig.

Frage: Welche Strafe würde in diesem Fall dem Bundespräsidenten drohen?

Antwort: Wer ein Lokal oder einen Schanigarten zum Beispiel nach Sperrstunde betritt, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 3600 Euro. Bundespräsident Van der Bellen hat den Schanigarten aber nicht erst nach der Sperrstunde betreten, sondern hielt sich dort noch auf, als das Lokal längst geschlossen war. Ob sich in diesem Fall also Van der Bellen als Kunde des Lokals strafbar gemacht hat, ist nicht klar.
Laut Karl Stöger, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Graz, müsse man die Bestimmung so lesen, dass sich auch Kunden strafbar machen können, sagte er der Presse. Peter Dobcak von der Wirtschaftskammer Wien sieht hingegen den Gastwirt in der Pflicht: "Es ist Aufgabe des Wirts, dafür zu sorgen, dass der Betrieb zur Sperrstunde geräumt ist", sagte er dem STANDARD. Dieser habe ja auch die Gläser zur Verfügung gestellt – auch wenn das Lokal selbst bereits geschlossen hatte.

Frage: Was kommt auf den Betreiber des Restaurants zu?

Antwort: Das ist eine ziemlich knifflige Angelegenheit. In der Verordnung steht, dass der Inhaber dafür Sorge tragen muss, dass seine Betriebsstätte zum Beispiel außerhalb der Öffnungszeiten nicht betreten wird. Passiert das nicht, begeht er eine Verwaltungsübertretung. In diesem Fall drohen empfindliche Strafen bis zu 30.000 Euro. Allerdings war das Lokal bereits geschlossen und es dürften nach Sperrstunde auch keine Getränke mehr ausgeschenkt worden sein. Van der Bellen wurde mit seiner Runde lediglich im Gastgarten angetroffen. Der Bundespräsident stellte aber bereits klar, etwaige Strafen zu übernehmen: "Sollte dem Wirt daraus ein Schaden erwachsen, werde ich dafür gerade stehen."

Frage: Wie fielen die politischen Reaktionen aus?

Antwort: Die Freiheitlichen waren sich uneins: FPÖ-Chef Norbert Hofer forderte per Aussendung "eine Generalamnesie [sic!] für alle Österreicherinnen und Österreicher, die im Rahmen der sogenannten Corona-Verordnungen eine Geldstrafe zu entrichten hatten". Generalsekretär Michael Schnedlitz trat für eine Auslieferung Van der Bellens ein. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) meinte nur, dass sich alle im Land darauf freuen würden, mehr und mehr zur Normalität zurückkehren zu können. Und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erinnerte an Corona-Partys mit blauen Politikern.

Frage: Warum dürfen Lokale nur bis 23 Uhr geöffnet haben? Ist das Coronavirus danach gefährlicher?

Antwort: Das Ziel der Bundesregierung ist, Ansteckungen und eine zweite Coronavirus-Welle zu vermeiden. Wissenschaftlich begründet ist die konkrete Sperrstunde um 23 Uhr aber nicht. Dem vorausgegangen ist ein Kompromiss zwischen Regierung und Wirtschaft. Den Gastronomen sollte in einem ersten Öffnungsschritt zumindest ein Abendgeschäft mit Essen und Getränken ermöglicht werden. Da bei Feierlaune und mehr Alkohol aber auch die Hemmschwelle für Mindestabstände oder andere Regeln sinkt, einigte man sich auf 23 Uhr.

Frage: Wie lange wird es noch dabei bleiben?

Antwort: Laut Gesundheitsministerium werden "die Maßnahmen zweiwöchentlich evaluiert und gegebenenfalls angepasst". Peter Dobcak von der Wirtschaftskammer rechnet mit weiteren Lockerungen in der Gastronomie und einer Ausweitung der Sperrstunde Mitte Juni. "Vorausgesetzt, der Trend bei den Ansteckungsraten verschlechtert sich nicht." Wie es mit der Nachtgastronomie, also Diskotheken und Clubs, weitergeht, ist derzeit noch nicht geklärt. Jene, die keine Open-Air-Flächen zur Verfügung haben, haben derzeit zum überwiegenden Großteil noch geschlossen. (David Krutzler, 25.5.2020)