Zum "Kampf gegen das Schrumpfen des öffentlichen Raums" ruft Piersandra Di Matteo auf. Das "Love-in", eine Szene aus Michelangelo Antonionis Film "Zabriskie Point" (oben), hat Philippe Quesne ausgewählt.

Imago (Auswahl: Philippe Quesne)

"Ausweitung des intimen Dialogs mit der Natur": Philippe Quesne hat ein Gemälde von Caspar David Friedrich bearbeitet.

Ph. Quesne, bas. auf „Der Wanderer über dem Nebelmeer“

Die orkanartige Wucht der Pandemie hat uns innerhalb weniger Monate abverlangt, mit radikalen Veränderungen umzugehen.

Unsere Körper haben sich durch den Lockdown verklemmt. Sie sind gehemmt durch eine Ungewissheit, die den Bereich des Möglichen einschränkt, entschärft durch eine erzwungene Gefangenschaft, betäubt durch individualisierte Schuldzuweisungen, durch biomedizinische Analysen, durch die Last des "Social Distancing".

Im Namen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit erleben wir eine ganze Reihe an Einschränkungen der elementarsten Freiheiten.

Während das Virus überall ungehindert zirkuliert, sind wir zwischen engen Grenzen eingeschlossen, und während Covid-19 wahllos zuschlägt und damit die Verwundbarkeit der gesamten menschlichen Gemeinschaft verdeutlicht, hebt das Krisenmanagement Gräben aus, in denen das Prekäre unterschiedlichster Lebensentwürfe nur so wuchert.

"Rückkehr" als Problem

Wir alle sind – wie jüngst auch Judith Butler festgestellt hat – mit demselben Risiko, unsere Lieben zu verlieren, konfrontiert und ohne Möglichkeit, uns mit einer Zeremonie von ihnen zu verabschieden.

Die Tage der Quarantäne zeichnen sich durch einen emotionalen Grundtenor aus: das Verlangen nach Körpern. Das ist eine Bewegung, die in unterschiedlicher Intensität vor- und zurückläuft, ein Gefühlszustand, der nicht nur die menschlichen, sondern alle Körper erfasst – Tier, Pflanze, Mineral, jegliche Form von Materie gleichermaßen.

Das Im-Hier-und-Jetzt-Handeln der Körper – wie es dem Theater eigen ist – wird durch eine Erschöpfung, die sich aus dem Warten auf die Rückkehr zur Normalität ergibt, beeinträchtigt und bedroht. "Wir werden nicht zur Normalität zurückkehren, denn die Normalität war das Problem", rufen die Mitglieder des Kollektivs Delight Lab aus Santiago de Chile.

Es ist unvorstellbar, diese Monate in der Schwebe vergehen zu lassen, getrieben von einer stillen Angst, das zu verlieren, was wir erobert hatten.

Vielmehr geht es darum, diesen Übergang zu "bewohnen" und zu versuchen, den Kurs radikal zu ändern, neue Prioritäten festzusetzen. Und die uns zur Verfügung stehenden optischen Dispositive so zu adjustieren, dass sie zu Hebeln der Veränderung, der Neupositionierung von Subjekten und Welten werden.

Wie können wir erreichen, dass sich diese Energie ausbreitet, und zwar mit all ihrer Fähigkeit, etwas anzustreben? Für den Anthropologen Arjun Appadurai entspricht diese "Capacity to Aspire" jener Kraft, die – ausgehend von der imaginativen Erkundung alternativer Zukunftsszenarien – imstande ist, reale Transformationen zu bewirken.

Einen Wandel wagen

Außerdem: Dieses Anstreben ist niemals individuell, sondern spricht eine kollektive Sprache und wächst im Rahmen des gesellschaftlichen Lebens. In den vergangenen Jahren haben Festivals für darstellende Kunst und künstlerische Institutionen ihre Praxis kritisch hinterfragt, manche klüger als andere.

Sie haben ihre Beziehung zur Macht überprüft, Raum für Debatten geschaffen, neue Zusammenhänge erfunden und Produktionsabläufe auf die Probe gestellt, um die Notwendigkeit wissend, ein gesellschaftliches Ergebnis für die eigene Kulturpolitik zu erzielen.

Die durch die Pandemie hervorgerufene Krise erfordert eine allgemeine Abstimmung, die das Ausmaß dieser Wende berücksichtigt. Das ist der Augenblick, in dem Festivals, Theater, Institutionen, Ensembles, große und kleinere Gruppen – alle mit ihrer ureigensten Kraft – zusammen das Hervortreten anderer Zeitlichkeiten, anderer Räumlichkeiten, einer anderen Haltung zur darstellenden Kunst im Rahmen einer "Beziehungspoetik" erproben können.

Es ist Zeit, die Grundlagen für künstlerische Vorgänge, Praktiken und Prozesse zu schaffen, die in der Lage sein sollen, neue Verbindungen, exzentrische Genealogien und lokale, untereinander dicht verwobene Zusammenhänge hervorzubringen.

Hier besteht der Raum für ein "Acting in Concert" (Judith Butler), nicht vordergründig, um konformes Handeln zu sichern, sondern vielmehr, um konvergierende und divergierende Ziele auszuloten.

Die Bühnenkunst hat gezeigt, dass sie das Terrain ist, auf dem sich die durch das "Zusammentreffen von Körpern" generierte Kraft am besten zu entfalten vermag.

Hier kann man in der Begegnung mit dem Anderen dieses Streben, diese nährenden Kontakt-Strategien am besten praktizieren. Die Bühnenkunst ist also der Vorposten, von dem eine kollektive Umerziehung der Kollektivität ausgeht.

Öffentlichen Raum schaffen

Die erste Herausforderung besteht im Kampf gegen das durch die Pandemie hervorgerufene Schrumpfen des öffentlichen Raums. Es muss – mit der erforderlichen Vorsicht, solange dies nötig ist – in Plätze, Parks, Straßen, Naturräume und in die Peripherien investiert werden, und zwar über einen neuen Pakt zwischen Umwelt und Bevölkerung.

Wünschenswert wäre, die Ausweitung eines intimen Dialogs mit der Natur zu erreichen. Diese neuen Vereinbarungen sollten nicht unbedingt an Produktion oder an numerische Parameter gebunden sein, sondern als kollektives Training verstanden werden, mit dem das Schaffen von Allianzen, von nicht genormten Verwandtschaften, von durch Unterschiedlichkeiten intensivierten Haltungen möglich wird.

Es sollen Aktionen sein, in denen konkret gegen jede Form von subalterner Positionierung aufgetreten wird.

Wir brauchen hegemoniekritische Schriften, in denen all jenen Diskursen eine Stimme gegeben wird, die im Zusammenhang dieser Krise Gefahr laufen, zum Schweigen gebracht zu werden.

Diese Zeit erfordert sowohl von Kunstschaffenden als auch von Institutionen imaginative und inklusive Praktiken jenseits der bestehenden Grenzen, die reziproke Handlungsprozesse aus der Vergessenheit holen.

Sie braucht Prozesse, die als Wiederaneignung der jetzt besetzten Räume und Zeiten verstanden werden und gemein samen Einfluss auf soziale Modelle und kulturelle Konventionen erlauben: "Art not ,in' but ,as' public space." (16. 5. 2020, Piersandra Di Matteo)