Ob man sich von Belastungen weiter runterziehen lässt oder nicht, hängt auch von der persönlichen Einstellung ab.

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Belastungen sind Belastungen. Punkt. Daran ist nichts zu ändern. Irrtum! Wer sich in dieser Meinung verfängt, belastet sich noch zusätzlich. Seit der Antike ist bekannt, dass, ob etwas als Belastung empfunden wird und wie stark, von der inneren Einstellung zu dem abhängt, was als Belastungsfaktor in Erscheinung tritt und zur Auseinandersetzung damit zwingt.

Menschen werden viel häufiger aufgrund ihrer Einstellung zu Problemen von den Problemen überwältigt als von den Problemen als solchen. Die psychologische Forschung bestätigt die antike Einsicht in die Zusammenhänge. Reproduzierbare Forschungsergebnisse belegen zweifelsfrei: Auf die persönliche Einstellung zu dem Problematischen kommt es an. Über diese Einstellung kann die emotionale Sprengkraft mit Belastungen einhergehender Empfindungen, beispielsweise von Hilflosigkeit, verstärkt oder abgemildert werden. Siehe dazu beispielsweise Barbara L. Fredrickson: "Die Macht der guten Gefühle – Wie eine positive Haltung ihr Leben dauerhaft verändert" (Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2011). Oder Elaine Fox: "In jedem steckt ein Optimist – Wie wir lernen können, eine positive Lebenseinstellung zu gewinnen" (C.-Bertelsmann-Verlag, München 2014).

Wer beherrscht wen?

Wie sich ein Mensch in seinen Gedanken mit dem auseinandersetzt, was ihn belastet, entscheidet darüber, ob die Belastungen den Menschen beherrschen oder der Mensch die Belastungen. Wer sich unverzüglich mit düsteren Gedankenspielen der Katastrophenstimmung hingibt, verstärkt damit das Niederdrückende noch. Niemand hat das wohl besser ausgedrückt als der Dichter Theodor Fontane: "Du wirst es nie zu Tücht’gem bringen, bei deines Grames Träumereien, die Tränen lassen nichts gelingen: Wer schaffen will, muss fröhlich sein." Wegweisend auch die Feststellung des Schweizer Schriftstellers und Architekten Max Frisch: "Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." Mit umwölktem Gemüt lassen sich weder Handlungsmöglichkeiten erkennen noch denkbare Handlungsinitiativen ergreifen.

Die "Bombe" Belastungen kann eine enorme Explosivkraft im gewohnten Lebensvollzug entfalten. Bomben können bekanntlich aber nur dann explodieren, wenn sie einen funktionsfähigen Zünder haben. Und im menschlichen Umgang mit belastenden Lebensereignissen ist die innere Einstellung dazu dieser funktionsfähige Zünder.

Einstellungssache

Wie ich mich zu diesen Ereignissen stelle und mich darauf einstelle, das erschwert oder erleichtert mir den Umgang damit. Mit anderen Worten: Mit dieser inneren Einstellung kann die Bombe "Belastung" erst so richtig scharf gemacht oder aber (im Rahmen des Möglichen) entschärft werden.

Das in ein Leben einbrechende negativ Außergewöhnliche wirkt umso zerstörerischer, je mehr sich der Mensch dagegen auflehnt, sich dadurch in dessen Bann ziehen und davon lähmen lässt. Wie Seneca schon sagte: "Kein Übel ist so schlimm wie die Angst davor." Hat nicht jeder schon erfahren: Je mehr ich mich angesichts eines Problems Ängsten hingebe, desto mehr verkrampfe ich. Und in dem Maße, wie ich verkrampfe, blockiere ich mich, setze ich meinen Handlungswillen außer Kraft. Dadurch bin ich, wenn nicht ganz und gar handlungsunfähig, zumindest in meiner Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt.

Aber gerade in den Momenten außergewöhnlicher Beanspruchung kommt es zwingend darauf an, sich die Handlungsfähigkeit nicht auch noch selbst aus der Hand zu schlagen.

Weichen stellen

Ob das nun cool, besonnen, gelassen bleiben oder Resilienz genannt wird, ist vollkommen egal. Wichtig ist einzig und allein, sich bewusst zu sein: Auch in diesen Momenten lassen sich noch Weichen stellen, wenn ich mich nicht in düsteren Gedanken verrenne. Siehe dazu beispielsweise Carol Dweck: "Selbstbild – Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt" (Piper-Verlag, München 2014). Oder James Allen: "Wie der Mensch denkt, so lebt er" (Der Klassiker von 1903 in neuer Auflage. Münchner Verlagsgruppe, 2018. 64 Seiten).

Mit am einprägsamsten hat das wohl der im Jahr 135 in Griechenland gestorbene Philosoph Epiktet in Worte gefasst: Nicht die Dinge selbst belasten und beunruhigen die Menschen, sondern ihre Urteile und Meinungen über das, was ihnen widerfährt. Wem es also gelingt, sich mit seinen Urteilen oder Meinungen, sprich seiner inneren Einstellung, nicht auch noch selbst zusätzlich zu belasten, der hat im wechselvollen Spiel des Lebens einen Joker in der Hand.

Heißt doch die entscheidende Devise, in Belastungssituationen kühlen Kopf zu bewahren. Das ist der Wegweiser, der in die richtige Richtung lenkt.

Innere Distanz

Was charakterisiert Menschen, die sich in schwierigen Momenten und Situationen durch diese Fähigkeit auszeichnen? Sie lassen sich nicht in den negativen Sog von dem ziehen, was ihnen plötzlich widerfährt. Diese innere Distanz zu dem Äußeren bewahrt sie vor der blockierend-lähmenden Konfusion im Kopf, sichert ihnen Denk- und Handlungsfähigkeit, ermöglicht ihnen, sich auf die nun angezeigten Überlegungen zu konzentrieren. Beispielsweise: Was verlangt die Situation jetzt von mir? Wie setze ich am sinnvollsten meine Schritte, um dem zu entsprechen? Was ist nun vorrangig, was nachrangig? Nur ein kühler, klarer Kopf sichert fokussiertes und konzentriertes Denken im Umgang mit Belastendem. Der innere Abstand zu dem Äußeren ist die im Moment der un- oder außergewöhnlichen Beanspruchung wichtigste Kraftquelle. Kein Satz drückt das besser aus als: Wer Probleme lösen will, muss sich zuerst von den Problemen lösen.

Eine früher weitverbreitete Lebensweisheit war "Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott". In den berühmten Erzählungen des Lügenbarons von Münchhausen wird sie trefflich verdeutlicht. Da gibt es die Geschichte, wie sich Münchhausen mit seinem Pferd in einen Sumpf verirrt und sich am eigenen Schopf aus dieser misslichen Lage herauszieht.

Er erkennt die Situation, lässt sich von ihr nicht den Schneid abkaufen und rettet sich und sein Pferd aus dem Morast. Lässt sich die Kraftquelle "kühler Kopf", sprich innere Distanz zu dem Äußeren, bildhafter illustrieren? Kann das Vertrauen in die eigene Problemlösefähigkeit eindrücklicher dargestellt werden? Es gibt Situationen, da hat das Wort "unmöglich" nichts zu suchen! Was Goethe in die Worte fasste: Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben. (Hartmut Volk, 27.5.2020)