Salzburg atmet auf. Ob die Festspiele in verkürzter und abgespeckter Form stattfinden können, war noch vor wenigen Wochen höchst fraglich. Auch anderswo kann das Kulturleben, das von der Corona-Krise besonders hart getroffen war, wieder aufwachen. Für ein Land wie Österreich ist dieser Bereich besonders wichtig – wirtschaftlich, menschlich und psychologisch. Ein Theater- oder Konzertbesuch wird für viele zum starken Signal für eine Rückkehr zur Normalität.

Mediziner hingegen beobachten diese Entwicklung mit Sorge. So erfolgreich die Eindämmung des Coronavirus seit Mitte März auch war, das Risiko neuerlicher Ausbrüche und gar einer zweiten großen Welle ist noch lange nicht gebannt. Ein Zusammentreffen von hunderten Fremden in einem großen Raum – etwa in einer Kirche, einem Theater- oder einem Konzertsaal – ist das ideale Biotop für die Ausbreitung des Virus. Wenn die Besucher brav mit Abstand sitzen und nicht miteinander reden, dann ist die Infektionsgefahr zwar gering. Aber Festivals wie Salzburg sind auch gesellschaftliche Treffpunkte, und die Corona-Disziplin lässt in der Bevölkerung merkbar nach.

Seit 15. Mai sind alle Betriebsarten des Gastgewerbes unter Einhaltung der Corona-Sicherheitsmaßnahmen wieder geöffnet.
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Dass sich der Herr Bundespräsident zu später Stunde im Schanigarten verplaudert, war nicht nur sehr menschlich, sondern auch typisch. Im März und April haben die meisten Österreicher die Regeln streng befolgt, doch von Tag zu Tag werden diese weniger ernst genommen. Das ist verständlich: Die individuelle Ansteckungsgefahr ist inzwischen verschwindend gering.

Wiedererwachen des Tourismus

Aus gesundheitspolitischer Sicht beginnt allerdings jetzt die schwierigste Phase – nach dem Hammer der Tanz, wie es der US-Blogger Tomas Pueyo in einem vielzitierten Beitrag im März genannt hat. Die Wirtschaft muss wieder laufen, die Menschen wollen ausgehen, Sport betreiben, reisen – und im Einzelfall spricht nichts dagegen. Aber es reicht ein einziger Corona-Infizierter am falschen Ort, damit die Fallzahlen wieder steigen – etwa jüngst in einer Kirche in Frankfurt, in Betriebsstätten oder in Asylheimen.

Solange die Zahl der individuellen Kontakte gering ist, lassen sich solche Ausbrüche meist eindämmen. Aber mit dem Wiedererwachen des Tourismus kommen auch neue Infizierte ins Land, und Events mit bis zu 1200 Personen, die im August erlaubt sein sollen, könnten viele Erfolge der vergangenen Monate zunichtemachen. Doch im Herbst einen neuerlichen Shutdown durchzusetzen wird nicht einmal dem Meisterkommunikator Sebastian Kurz gelingen.

Man soll die Gefahr auch nicht überzeichnen: Auf eine zweite Welle wäre ganz Europa besser vorbereitet als auf die erste. Es ist heute auch viel mehr über das Virus bekannt als im März, die Therapie Schwererkrankter bessert sich von Tag zu Tag. Aber die medizinischen wie auch epidemiologischen Unsicherheiten bleiben, und der Politik wie auch den Bürgern wird es schwerfallen, im Schwanken zwischen Angst und Sorglosigkeit richtige Entscheidungen zu treffen.

Weder eine effektive Impfung noch Herdenimmunität sind kurzfristig in Sicht. Das Virus droht auf Jahre Teil des Alltagslebens zu bleiben. Es kann sehr wohl ein Leben mit geselligen Abenden, mit Kultur und Urlaubsreisen sein. Aber auf vieles, was früher selbstverständlich war, wird man verzichten müssen. Diese Aussicht ist für die meisten wohl noch schmerzhafter als die harte Zeit des Lockdowns. (Eric Frey, 26.5.2020)