Tim Raue – Rezepte aus der Brasserie

Tim Raue, Katharina Raue (Text), Fotos von Joerg Lehmann
208 Seiten, ISBN: 978-3-7667-2472-4, € 41,10

Callwey-Verlag

Foto: Callwey Verlag

Der Coq au vin kommt als ganzes Stubenküken, die Tarte au Citron als raffiniertes Dessert, bestehend aus Mürbteigstreusel, Yuzu-Sorbet, Lemon-Curd und Baiser. Nicht unbedingt das, was man als klassisch bodenständige französische Küche ansehen würde. Doch es handelt sich hier ja auch um Rezepte von Tim Raue aus seinem neuesten Buch "Rezepte aus der Brasserie", in dem der Berliner Spitzenkoch Gerichte aus seinen Restaurants Brasserie Colette versammelt hat.

Der Prachtband – die Fotos stammen von Joerg Lehmann – ist wie geschaffen für Frankophile, die sich nach einem Bummel durch Paris sehnen. Denn zusätzlich zu den Rezepten entführt Raue am Anfang des Buches genau dorthin. Er erzählt von seinen ersten kulinarischen Erlebnissen in Paris und wie er sich in Frankreich regelmäßig gemeinsam mit Steve Karlsch, dem Küchendirektor der Brasserie Colette, Inspiration für seine Restaurants holt. An drei Standorten in Deutschland (in München, Konstanz und Berlin) ist Raue in den gleichnamigen Lokalen für das kulinarische Konzept verantwortlich.

Bevor der Rezeptteil beginnt, gibt es im Buch einen historischen Abriss über die Entwicklung der französischen Gastronomie. Die Brasserien (wörtlich "Brauereien") beispielsweise entstanden, als im 18. Jahrhundert viele Flüchtlinge aus Elsass-Lothringen nach Paris kamen. Serviert wurde dort rustikale Hausmannskost, und zwar anfangs recht deftige. Doch "im Laufe der Zeit schlichen sich dann weitere, teils elegantere Regionalküchen wie die der Provence oder Bretagne mit ein", schreibt Raues Frau Katharina, von der die Texte im Buch stammen.

Seit rund 20 Jahren ist eine neue Generation von Küchenchefs dabei, die Brasserie-Gerichte neu zu definieren. Elemente aus der Haute Cuisine und aus internationalen Küchen werden sichtbar. Dies beginnt bei maghrebinischen Einflüssen und endet bei japanischen – denn mittlerweile schwingen nicht wenige Japaner in den französischen Küchen den Kochlöffel, so Raue.

Tim Raue entführt in die Welt der französischen Küche.
Foto: Callwey/Joerg Lehmann

Die Rezepte

Genau das spiegelt sich auch in Raues Rezepten wider. Es handelt sich, wie schon oben erwähnt, eben nicht um jene, die man in klassischen französischen Kochbüchern findet, sondern Gerichte mit "Raue-Twist". Als Vorspeise werden beispielsweise "Avocado mit Mandel und Zitrone" (inspiriert von einem Einkauf auf dem Markt in Nîmes), "Garnele Marocain" (u.a. mit Kreuzkümmel in der Mayonnaise) oder "Jakobsmuschel mit Miso und Senf" serviert. In die berühmte kalte Suppe "Vichyssoise" kommt extra Olivenöl und serviert wird sie mit Trockenmarilleneneis. Als Basis der Zwiebelsuppe wiederum verwendet Raue eine intensive Entenbrühe.

Vegetarisches folgt im dritten Kapitel, hier darf natürlich "Ratatouille" nicht fehlen (serviert mit Pistou). Die "korsische Aubergine" erhält einen Extrakick durch ein Topping mit Salzzitrone, getrockneten Tomaten und Pinienkernen. Im Abschnitt "Fisch" wird der "Croque Monsieur" zum "Croque Homard", also mit Hummer zubereitet, "Loup de mer" mit Speckschaum und Kaviar veredelt. Für seine Variante des "Boeuf Bourgigon" wiederum gart Raue das Fleisch im Ganzen sechs Stunden lang im Fond und schneidet es erst dann in Würfel. Als laut Eigendefinition "Zuckerjunkie", lässt Raue natürlich auch genug Platz für Desserts: Da gibt es die Klassiker "Ile flottante" (hier mit einem Eierliköreis serviert), "Crêpes" (mit Bananenfülle, salziger Karamellsauce und Vanilleeis), oder "Mousse au Chocolat" (Mousse und drei Sorten Eis) zu entdecken.

Den Abschluss bilden Grundrezepte von Artischockenpüree bis Tempurateig, Weinempfehlungen sowie eine kleine Übersicht über empfehlenswerte französische Lokale in Deutschland und Österreich und Adressen, die man bei einem Paris-Besuch ansteuern sollte.

Dem Buch liegt eine Karte der Verlegerin Marcella Prior-Callwey bei, auf der sie unter anderem schreibt, dass Raue eine neue "Bibel der französischen Küche" vorgelegt hätte und man unbedingt alle Rezepte nachkochen sollte. Wer dies tut, der sollte das Kochhandwerk doch relativ gut beherrschen. Denn es handelt sich hier definitiv um kein Buch für Menschen, die gerne schnell und einfach kochen möchten – dafür gibt es genug andere Werke. Es ist aber ein wunderschön gestalteter Band mit sehr spannenden Rezepten. (Petra Eder, 31.5.2020)

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Nachfolgend ein Rezept aus dem Buch

SCHWEINEBÄCKCHEN MIT LAVENDEL UND WEISSEN BOHNEN

Tim Raue: "Urlaub in Nîmes an der Côte d'Azur und Freund Till serviert seine gehaltvolle Kreation aus geschmorten Schweinebäckchen und weißen Bohnen an dem gedeckten Tisch im Garten. Aus einer Eingebung heraus streute er dort wachsende Lavendelblüten über die Teller – und plötzlich war da eine Eleganz, die das Gericht auf ein neues Level hob und der wir heute in Form von Lavendelhonig huldigen."

Schweinsbackerln auf einem Bett aus Bohnen und garniert mit Lavendel.

ZUTATEN
SCHWEINEBÄCKCHEN
12 Schweinebäckchen
100 Gramm Olivenöl
1 Liter Entenfond

VERFEINERN
50 Gramm Lavendelhonig
5 Gramm Lavendelblütenschwarzer Pfeffer, grob

BOHNENGEMÜSE
200 Gramm kleine weiße Bohnen, eingeweicht
50 Gramm Bauchspeck
50 Gramm Zwiebeln
30 Gramm Rückenspeck
800 Milliliter Entenfond
2 Knoblauchzehen, fein gehackt
3 Zweige Bohnenkraut
SERVIEREN
8 Zweige Brunnenkresse
12 Perlzwiebeln, halbiert

ENTENFOND für 3 Liter
1 Kilo Entenkeulen
200 Gramm Schweinebauch
100 Milliliter Olivenöl
100 Gramm Karotten
100 Gramm Lauch
100 Gramm Sellerie
200 Gramm Zwiebel
1 rote Paprika
50 Gramm Ingwer
100 Milliliter Sojasauce
200 Milliliter dunkler Reiswein
100 Milliliter Portwein
6 Nelken
3 Sternanis
1 Zimtstange
2 Lorbeerblätter
100 Gramm dunkler Muscovadozucker
1 Teelöffel schwarzer Pfeffer
2 Teelöffel Salz
Die Entenkeulen und den Schweinebauch grob hacken, in Olivenöl kräftig anbraten und das klein geschnittene Gemüse dazu-geben. Mit Port- und Reiswein ablöschen. Sojasauce und die restlichen Zutaten dazu-geben. Ca. 5 cm Wasser aufgießen, bis der Topfinhalt mehr als bedeckt ist, und ca. 2 Stunden köcheln lassen. Durch ein Sieb passieren.


PERLZWIEBELN für 4 Portionen
500 Gramm Perlzwiebeln, roh
400 Milliliter Estragonessig
20 Gramm Meersalz
100 Gramm Rohrzucker
2 Teelöffel grüner Tabasco
2 Teelöffel Senfsaat
1 Chilischote, getrocknet
1 Bio-Zitrone (Schale)
1 Lorbeerblatt
Die Perlzwiebeln mit kochendem Wasser überbrühen und schälen, danach für 2 Minuten in kochendem Wasser blanchieren. In saubere Weckgläser geben. Die restlichen Zutaten zusammen aufkochen und über die Perlzwiebeln gießen. Die Gläser gut verschließen und mindestens 2 Wochen durchziehen lassen.

ZUBEREITUNG SCHWEINEBÄCKCHEN

Die Schweinebäckchen in Olivenöl anbraten, mit dem Entenfond auffüllen und bei geschlossenem Deckel ca. 1 Stunde weich schmoren.
Lavendelhonig und -blüten und schwarzen Pfeffer mit ca. 100 Milliliter vom Schmorfond verrühren. Die Bäckchen damit glasieren und unter dem Grill leicht karamellisieren.

Bohnen einweichen.
Bauchspeck, Zwiebeln und Rückenspeck sehr fein würfeln und anschwitzen. Eingeweichte Bohnen dazugeben, Entenfond aufgießen, mit Knoblauch und Bohnenkraut würzen und köcheln, bis die Bohnen weich sind. Zum Schluss salzen. Das Bohnenragout sollte eine eher flüssige Konsistenz, ähnlich wie Risotto, haben.

Die Bohnen in einem tiefen Gefäß servieren. Gratinierte Schweinebäckchen daraufgeben, mit Brunnenkressezweigen und Perlzwiebeln dekorieren.