Bei der Arbeit zum Buch "Abenteuer Wissenschaft – Forschungsreisende zwischen Alpen, Orient und Polarmeer" war das Thema der Verpflegung eines der spannendsten. Sowohl der historische Rückblick wie auch aktuellere Forschungsreisen zeigten nach der Auswertung von Expeditions(tage)büchern und persönlichen Erinnerungen zwei Ansätze: Entweder man nimmt möglichst viel mit, oder man macht genau das Gegenteil – man versucht sich aus der Region zu ernähren. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Wer alles mitnimmt, weiß, was er hat, kann auf gewohnte Nahrung setzen, muss aber große Lasten tragen (lassen). Anders bei der lokalen Ernährung: Man reist mit leichtem Gepäck und setzt auf die dortige Kost, doch was ist, wenn sie nicht mundet oder es vor Ort Versorgungsschwierigkeiten gibt?

Arktische Verpflegung: Eisbärensteaks

Bei der Österreichisch-Ungarischen Nordpolexpedition (1872–1874) von Julius Payer (1842–1915) und Carl Weyprecht (1838–1881), bei der das Franz-Josephs-Land entdeckt wurde, hatten die Männer zwar jede Menge Nahrungsmittel an Bord, wussten aber durchaus zu schätzen, was die arktische Fauna bot. Konkret: Eisbären und Robben. Die Beweise liefern die Aufzeichnungen der Expedition, die Monografie (1876) Payers und das Tagebuch des Maschinisten Otto Krisch (1845–1874). Eisbären erfüllten einen doppelten Zweck: Sie waren eine willkommene Beute, eine Trophäe, auf die man stolz war, und boten zum anderen köstliches Fleisch. Hans Graf Wilczek (1837–1922), generöser Mäzen der Expedition, ließ sich in seiner Autobiografie in Heldenpose auf dem Fell eines von ihm erlegten Eisbären abbilden – so viel zum Thema Trophäe.

Idealisierte Darstellung einer Walrossjagd nach einer Vorlage von Julius Payer (Illustriertes Wiener Extrablatt vom 24. Oktober 1872).
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Andererseits waren Eisbärensteaks eine begehrte Spezialität. Sogar als Krankenkost wurden sie verabreicht, wie der erkrankte Krisch in seinem Tagebuch notierte: Zur Genesung bekam er täglich drei Eisbärensteaks mit Pflaumen, letztere stammten freilich aus der Heimat. Die Männer waren stets auf der Suche nach Eisbären, sie notierten jeden Abschuss. Am 16. August 1873 war es Eisbär Nr. 24, zwei Wochen später sollten sie Franz-Josephs-Land entdecken. Dass sie sich natürlich auch mit Seehunden versorgten, muss nicht extra erwähnt werden; war die Jagd hier wohl eindeutig leichter, galt es als weniger attraktiv, sich mit einem Seehund ablichten zu lassen. Empfehlenswerte Lektüre ist das Tagebuch Krischs und das 1876 veröffentliche Opus Magnum Payers über die Nordpolexpedition.

Wahrlich kein Urlaub 1931/32: "14 Monate in der Arktis".
Foto: Tyrolia / Sammlung Hofmann

Jan Mayen – Alken und Maggi

Weniger gut lief es 1932/33 für die Polarforscher Hanns Tollner (1903–1986), Rudolf Kanitscheider (1906–1971) und Fritz Kopf (1909–1977) bei ihrem Forschungsaufenthalt auf der Insel Jan Mayen. Die drei waren anlässlich des Zweiten Internationalen Polarjahres über 14 Monate auf der Insel, die auf halbem Weg zwischen Island und Grönland liegt. Neben wissenschaftlichen Fachpublikationen existiert mit dem Buch "14 Monate in der Arktis" (Innsbruck, 1934) eine populäre Darstellung, die unter anderem Einblick in deren Speiseplan gibt. Die Männer hatten sich zwar mit heimischen Produkten, darunter Gulaschkonserven, "wenigen" Salamistangen und in Wachs eingegossenen Speckstücken eingedeckt, aber verkalkuliert. "Wir lebten aber damals noch in dem bestimmten Glauben, Seehunde und Eisbären zu schießen, so daß die geringe Fleischmenge vorerst noch nicht verdroß."

Maggi: unentbehrlich auf der Jan-Mayen-Expedition.
Foto: Sammlung Hofmann

Es gab auf dem Eiland aber keine Eisbären oder Robben – "Fehlspekulation", wie sie zugeben mussten. Für Frischfleisch standen ihnen nur Vögel zur Verfügung. Wer an Möwen denkt, irrt, ab Ende Mai 1933 standen Eier von Alken und Alken selbst auf dem Speiseplan. Schlussendlich resümierten die Forscher: "Ohne diese Vögel und deren Eier wäre die österreichische Polarexpedition fraglich geworden." Wäre die Frage nach fester Nahrung beantwortet, bleibt die nach flüssiger offen: "Der kostbarste Saft auf Jan Mayen war für uns nicht Alkohol, sondern Maggis Würze." Diese Ingredienz in ihrer typischen konischen braunen Glasflasche war als "unvergleichliches Verbesserungsmittel" streng rationiert.

"Memsahb im Himalaja" – persönliche Erinnerungen Hettie Dyhrenfurths an die Expedition von 1930.
Foto: Deutsche Buchwerkstätten / Sammlung Hofmann

Im Himalaya

Auch im Hindukusch und im Himalaya zeigte sich, je nach Expedition, die Tendenz, entweder möglichst alles oder möglichst wenig mitzunehmen. Zunächst ein Blick in das Jahr 1930. Damals brach Günter Dyhrenfurth (1886–1975), Geologe, Bergsteiger und Himalayaforscher, als Leiter der Internationalen Himalaya-Expedition (I.H.E.) via Venedig nach Bombay (heute: Mumbai) auf. Im Team von zehn, zeitweise elf Teilnehmern befand sich auch seine Frau Hettie (1892–1972). Sie war zuständig für den gesamten Nachschub in den Hochlagern des Gebirges. Keine leichte Aufgabe, denn das Team war mit sechs (!) Tonnen Expeditionsmaterial, inklusive Verpflegung, angereist. Die Beförderung vor Ort erfolgte mit Einheimischen. 350 Träger trugen je 27 Kilogramm, die Frau Dyhrenfurth in einzelne Trägerlasten packte. Und dazu kam noch die Versorgung der Träger selbst, die ein Kilogramm pro Mann und Tag benötigten. Die notwendige Wegstrecke war in 18 Tagesetappen zu bewältigen. Eine Milchmädchenrechnung ergibt eine reine Traglast von 6,3 Tonnen "nur" für die Verpflegung der Träger. Nachzulesen in Hettie Dyhrenfurths Buch "Memsahb im Himalaya" (Leipzig, 1931).

Dank afghanischem Koch: frisches Brot im Hindukusch.
Foto: Alois Matura

Im Hindukusch

Ein ganz anderes Konzept verfolgte hingegen der Geologe Gerhard Fuchs (Jahrgang 1934), der zwischen 1963 und 2004 insgesamt 18-mal jeweils mehrere Wochen für geologische Kartierungsarbeiten im Himalaya war. Dass er in Fachkreisen "Himalaya-Fuchs" genannt wird, kommt nicht von ungefähr. 1972 war er zusammen mit Otmar Schermann und Alois Matura in Afghanistan im Hindukusch. Die Anreise erfolgt von deren Dienststelle, der Geologischen Bundesanstalt, mit einem VW-Bus. Bei der Nahrungsversorgung setzte der Expeditionsleiter Fuchs auf lokale Kost und Küche. Zuständig dafür waren die afghanischen Träger beziehungsweise der Koch. Eingekauft wurde am Markt in Kabul. Matura notierte in seinem Tagebuch am 10. Juli 1972: "Die Träger backen auf originelle Weise Brot, Gerhard geht dem Fischfang (erfolglos) nach." Freilich war Fuchs meist ein erfolgreicher und erfahrener Fischer. Er erinnert sich an jene Expedition. "Das war ganz interessant: die ersten zwei, drei Fische – überhaupt kein Problem. Dann 'spricht' es sich herum. Da wirfst du den Köder rein, und du siehst, wie sie ausweichen." Als Köder verwendete er getrocknete Maulbeeren. (Thomas Hofmann, 29.5.2020)