Kommissionspräsidentin von der Leyen präsentierte am Mittwoch den Wiederaufbaufonds.

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Brüssel – Die EU-Kommission plant in der Corona-Krise einen Wiederaufbaufonds von rund 750 Milliarden Euro. 500 Milliarden davon sollen als nichtrückzahlbare Zuschüsse an bedürftige Staaten vergeben werden, 250 Milliarden in Form von praktisch zinslosen Darlehen. Das geht aus dem dem STANDARD vorliegenden Konzept hervor, dessen Inhalt sich bei der Präsentation durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Nachmittag im EU-Parlament bestätigte.

Der größte Profiteur wäre demnach Italien mit Zuschüssen von 82 Milliarden und Krediten von 91 Milliarden Euro. Spanien bekäme 77 Milliarden an Zuschüssen und 63 Milliarden an Krediten. Die Kommission hat den von Haushaltskommissar Johannes Hahn vorgestellten Plan bereits beschlossen. Diese Wiederaufbauhilfe wird Teil des regulären EU-Budgetrahmens von rund 1,1 Billionen Euro für die Jahre 2021 bis 2024. Von der Leyen kommt damit sowohl den Wünschen Deutschlands und Frankreichs, die 500 Milliarden nur an Zuschüssen wollten, nach als auch jenen der "Sparsamen Vier", Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark, die Hilfen nur in Form von Krediten wollten.

"Das ist Europas Moment", sagte von der Leyen. "Unsere Bereitschaft zum Handeln muss mit den Herausforderungen Schritt halten, mit denen wir alle konfrontiert sind." Weil der Kampf gegen die Krise viel Geld koste und die Verschuldung nach oben treibe, forderte sie neue Einnahmequellen für die EU. Als Beispiele nannte sie einen Ausbau von Emissionshandelssystemen, eine Digitalsteuer oder eine CO2-Grenzsteuer.

Zehn Milliarden Euro durch Emmissionszertifikate

Zunächst würde die Kommission selbst das Geld an den Finanzmärkten aufnehmen und 2028 mit der Rückzahlung aus dem Budget beginnen. Die Kredite der EU sind auf lange Laufzeiten von 30 Jahren ausgerichtet. Um sie bedienen zu können, will die Kommission EU-Abgaben in Form von mehr Eigeneinnahmen kreieren: Zehn Milliarden Euro pro Jahr sollen durch den Handel mit Emmissionszertifikaten ins Budget gespült werden, sowohl aus der Seefahrt wie der Luftfahrt. Fünf bis zu 14 Milliarden Euro pro Jahr könnten aus einer CO2-Abgabe bei Einfuhren in die EU erlöst werden, heißt es im Vorschlag. Digitalsteuern würden 1,3 Milliarden Euro pro Jahr bringen.

Zusätzlich zu den Klimaabgaben schlägt die Kommission vor, die großen Konzerne mit einer Art Solidarsteuer zu belegen. Da sie vom europäischen Binnenmarkt am meisten profitieren, sollen sie direkt eine Abgabe in das EU-Budget leisten, abhängig von ihrer Tätigkeit am Markt. Damit könnten weitere zehn Milliarden Euro pro Jahr an Einnahmen für das EU-Budget kreiert werden. Das würde bedeuten, dass mehr als 20 Prozent des jährlichen EU-Budgets aus weiteren Eigeneinnahmen bestünden. Die Mitgliedsstaaten müssten entsprechend weniger in die EU-Töpfe einzahlen.

Damit das alles funktioniert, müssen die Parlament der Mitgliedsstaaten bis Jahresende einer Erhöhung der EU-Budgetobergrenze zustimmen. Sollte diese Ratifizierung scheitern, könnte der gesamte Wiederaufbauplan am Ende zusammenfallen, der Zeitdruck auf die Staaten sei enorm, sagt man in der Kommission.

Kurz hofft auf "Rücksichtnahme"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erwartet, dass die Forderungen Österreichs und anderer Nettozahler berücksichtigt werden. "Ich erwarte, dass die Vorschläge der EU-Kommission auch auf die Vorstellungen der Sparsamen Vier Rücksicht nehmen werden", sagt Kurz der "Welt" vom Mittwoch. "Wir 'Sparsamen Vier' werden in diesen Verhandlungen darauf achten, dass auch unsere Interessen berücksichtigt werden."

Kurz weiter: "Wir wollen helfen, wir wollen solidarisch sein in Europa, aber wir sind auch den Menschen in unserem Land verpflichtet, die tagtäglich hart arbeiten, die diese Steuerleistungen erbringen, um deren Beitrag es hier am Ende ja geht. Es sind nicht die Politiker, die das bezahlen, sondern die hart arbeitenden Menschen." Es sei seine Aufgabe, "unsere Steuerzahler zu vertreten und eine Lösung mit Augenmaß zustande zu bringen".

Blümel deutet Kompromissbereitschaft an

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) deutete am Mittwoch Kompromissbereitschaft an. "Am Ende wird es immer ein Kompromiss, und wir sind gespannt auf den Vorschlag der Kommission." Österreichs sei immer kompromissbereit gewesen, aber man habe auch immer gesagt, dass Hilfen nicht ausschließlich aus Zuschüssen kommen könnten, sagte Blümel beim Ministerrat in Wien.

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), hält eine schnelle Einigung für machbar. Der Vorschlag der Kommission sei bereits "ein großer Schritt" hin zu einem Kompromiss, sagte Weber im Deutschlandfunk.

"Bei den Sparsamen Vier sehen wir jetzt auch, dass die Fronten bröckeln", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, am Mittwoch im Inforadio des RBB. Dänemark habe am Dienstag erklärt, konstruktiv an einer Lösung arbeiten zu wollen. (Thomas Mayer, APA, AFP, 27.5.2020)