Hat in Deutschland deutlich an gutem Ruf eingebüßt: Ischgl.

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"Wir dürfen kein zweites Ischgl zulassen." Mit diesen Worten hat der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder zu Corona-Hochzeiten vor einer massenhaften Ansteckung mit dem Virus gewarnt. Überhaupt ist Ischgl in Deutschland zum Synonym für das "Böse" geworden, mehr noch als der Landkreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen, der sehr früh und sehr heftig von der Pandemie betroffen war.

Denn bei Ischgl schwingt immer mit: Dort hat man – trotz der Warnungen – nicht rechtzeitig reagiert. Nun liegt eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) vor, das vom Österreicher Gabriel Felbermayr geleitet wird. Diese zeigt, dass das Infektionsgeschehen im österreichischen Skiort tatsächlich das größte Unheil nach Deutschland brachte: "Die geografische Nähe zu Ischgl in Tirol ist offenbar in der aktuellen Corona-Pandemie einer der Hauptrisikofaktoren für eine vergleichsweise hohe Infektionsrate in der Bevölkerung in Deutschland", heißt es in der Studie. Und weiter: "Landkreise, die näher an der sogenannten Superspreader-Location Ischgl liegen, haben systematisch höhere Infektionsraten als weiter entfernte."

"Kein vergleichbarer Einfluss"

Von anderen Corona-Hotspots gehe "kein vergleichbarer Einfluss auf das Infektionsgeschehen in Deutschland aus". Die Forscherinnen und Forscher haben sich auch die Regionen Heinsberg (in der Nähe von Aachen) und Mulhouse/Grand-Est angesehen. Beide waren ebenfalls stark von Corona betroffen, doch dies wirkte sich nicht so heftig aus wie die Vorkommnisse von Ischgl.

Für Deutschland gilt: Je weiter ein Landkreis von Ischgl weg liegt, desto weniger hat es ihn getroffen. "Schon ein um zehn Prozent kürzerer Anfahrtsweg nach Ischgl erhöht die Infektionsrate im Durchschnitt um neun Prozent", sagt Felbermayr. "Andersherum bedeutet das auch: Lägen alle deutschen Kreise so weit weg von Ischgl wie der Kreis Vorpommern-Rügen, gäbe es in Deutschland fast 50 Prozent weniger Infektionen mit dem Coronavirus."

Ischgl als "Ground Zero"

Vorpommern-Rügen liegt an der Ostsee und ist von Ischgl rund 1.000 Kilometer entfernt. Felbermayr habe zusammen mit Julian Hinz und Sonali Chowdhry aus der IfW Trade Policy Task Force die Daten des Robert-Koch-Instituts aus den 401 deutschen Landkreisen ausgewertet und damit die Bedeutung von Ischgl als "Ground Zero" der deutschen Corona-Verbreitung untermauert, erklärt das IfW. Als "fatal" wird die "eher langsame Reaktion auf die Corona-Infektionen in Ischgl" bezeichnet. Am 5. März war der Ort von Island als Risikogebiet eingestuft worden, Quarantänemaßnahmen erfolgten erst neun Tage später.

Erst die Lockdown-Maßnahmen hätten wirksam dazu beigetragen, die weitere Verbreitung des Virus in Deutschland zu verhindern. Felbermayr: "Nach den anfänglichen Infektionen durch heimkehrende Skifahrerinnen und Skifahrer gab es keine weitere geografische Verbreitung." (Birgit Baumann aus Berlin, 27.5.2020)