Vor Corona holten Kollektive wie Heimlich die Natur sogar in die Grelle Forelle: In Moment ist Feiern drinnen wie draußen kompliziert.

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Normalerweise beginnt jetzt die Outdoor-Partysaison. Magistrate werden abgeklappert, DJs gebucht, Soundanlagen aufgebaut, Dixi-Klos herangekarrt. Dann kommen die Massen.

Die Vorlaufzeit für Open Airs in einer Dimension, bei der an einem einzigen Tag 8.000 Menschen – wie es bei der beliebten Reihe "Tanz durch den Tag" öfters der Fall war – kommen, beträgt Monate. Nicht zuletzt durch den Erfolg solcher Events wurde in den letzten Jahren in Wien immer mehr draußen veranstaltet – vieles war unter dem Demonstrationsrecht möglich. Im Prater, irgendwo an der Donau oder in und um temporär nutzbare Immobilien wie das sogenannte Luftschloss Cobenzl, wo 2018 endgültig Sense war, wurde legal gefeiert, was das Zeug hält. Veranstalterkollektive, die an diesen Partys oft gar nichts verdienten, schossen aus dem Boden.

"Die neue Verordnung zielt eigentlich ausschließlich auf die Hoch- und Sitzkultur ab." – Rudi Wrany, DJ

Doch nun herrscht in der Szene Ratlosigkeit vor, oder positiv formuliert: Man sucht nach kreativen Lösungen. Denn obwohl man meine könnte, dass Outdoorveranstaltungen durch die geschlossenen Clubs "profitieren" könnten, stellt draußen zu feiern sich als fast noch schwieriger dar als Indoorpartys. Ab Juli dürften laut der von Gesundheitsminister Anschober und Kulturstaatssekretärin Mayer skizzierten Verordnung draußen wieder Veranstaltungen mit 500 Leuten, ab August solche mit 1.250 Leuten stattfinden. Doch der Haken für die Partyszene: Das gilt nur, wenn es zugewiesene Plätze gibt – gibt es keine, sind weiterhin nur 100 Leute möglich.

Spontanpartys vor der Kirche

"Die neue Verordnung zielt eigentlich ausschließlich auf die Hoch- und Sitzkultur ab. Größere Partys sehe ich noch nicht, vor allem nicht das Tanzen, dicht gedrängt", fasst Rudi Wrany, der als DJ Crazy Sonic stadtbekannt ist, zusammen.

"Wenn Musik an einem öffentlichen Platz stattfindet, ist das ein Magnet", sagt Laurent Koepp von der Vienna Club Commission und weist auch auf die Gefahren hin: Selbst wenn man ein Gebiet einzäunt und innerhalb der abgegrenzten Fläche zum Beispiel durch Kreidekreise Abstände wahrt, lässt sich nicht verhindern, dass sich vor den Bauzäunen weitere Menschen sammeln. Wer haftet, falls sich dann dort jemand infizieren sollte? "Wir unterstützen die Idee von Open Airs im Sommer, raten aber zu öffentlichen Orten, die eine Kontrolle des Menschenandrangs zulassen", so Koepp.

Das Kreidekreismodell aus einem Park in San Francisco ließe sich theoretisch auch für Outdoor-Events adaptieren – im Detail liegt freilich der Hund.
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Wie magnetisch es ist, irgendwo eine Box anzuwerfen, sieht man dieser Tage an Orten wie der Karlskirche oder dem Donaukanal, an denen sich bei schönem Wetter allerhand Kleingrüppchen zum Trinken und Plaudern treffen. Spielt dann jemand zu späterer Stunde Musik, kann es schon mal zur Spontan-Miniparty mit bis zu 80 Leuten kommen. Die vielzitierte Eigenverantwortung wird dann eher als Yolo, "You only live once", ausgelegt. Dabei handelt es sich zwar aktuell um Ausnahmen – doch je wärmer es wird und je länger kein Clubbetrieb möglich ist, könnten diese sich häufen. Das ist auch ein Argument, das die Nachtgastronomie gegenüber der Politik ins Treffen führt, wenn es um das Hochfahren der Clubszene geht – konkret wünscht man sich eine Verlängerung der Sperrstunde.

Spontan-Miniparty am Karlsplatz, 22.5.2020.
DER STANDARD
"In den Lokalen kann ich die Einhaltung der Regelungen wenigstens kontrollieren." – Stefan Ratzenberger, Interessensgemeinschaft Nachtgastronomie

"Wir haben es ja bei der Eröffnung der Gastronomie gesehen. Um 23 Uhr mussten die Gäste gehen. Das Resultat: Die Leute haben am Schwedenplatz ohne jedwede Kontrolle weitergefeiert. In den Lokalen kann ich es wenigstens kontrollieren", sagt Stefan Ratzenberger, der gerade eine Vereinigung der österreichischen Nachtgastronomen mitgründet.

Fiebermessen im Club

Man ist mit dem Gesundheitsminister in Kontakt und hat einige Vorschläge geliefert, wie Clubs als Bars weitergenutzt werden können – auch das Fiebermessen am Eingang gehört dazu. "Wir sperren normalerweise um 22 Uhr auf und dürften dann eine Stunde offen haben. Wenn wir unbürokratisch um 18 Uhr aufsperren könnten, wäre uns schon geholfen.", sagt Sebastian Schatz vom Innenstadtclub Sass. Dort könnte man sich vorstellen, ab Juni Tische auf die Tanzfläche zu stellen und die Musik in Zimmerlautstärke abzuspielen. "Wir werden aber auch ein zweites Lokal pachten, das einen Outdoorbereich hat", berichtet Schatz, der bereits an weiteren Konzepten tüftelt. "Die Politik hat uns Gastronomen gesagt, wir sollen kreativ werden, also werden wir halt kreativ."

Jenen, die irgendwie können, bleibt ohnehin nichts anderes übrig. So wird der Wiener Club Werk ab Juni eine kleine Bühne mit Literatur und Musik im Außenbereich aufbauen – genießen wird man das gebotene Programm freilich im Sitzen. Outdoor-erfahrene Veranstalterkollektive wie Heimlich überlegen, ob man nicht nach Berliner Vorbild etwas mit Tretbooten machen kann – auch hier: Vier Sitzplätze pro Boot, die Musik käme zum Beispiel via Funk.

Man hört, dass die Stadt Wien im Sommer selbst kleinere Kultur-Open-Airs ermöglichen möchte – bestätigen will man das im Büro der Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler vorerst aber nicht. Man kann sich jedenfalls sicher sein: Clubkultur werden wir im Sommer auf legalem Weg vor allem auf unseren eigenen vier Buchstaben konsumieren (müssen). (Amira Ben Saoud, 28.5.2020)