Die Geschichte der Informationsfreiheit in Österreich ist eine Geschichte der Eventualitäten: Gäbe es ein solches Recht auf Auskunft von staatlichen Stellen, wären einige Korruptionsskandale wohl gar nicht erst passiert, weil die Gefahr des Auffliegens eklatant höher gewesen wäre. Hätten die bisherigen Regierungsparteien ein echtes Interesse an Transparenz, wäre ein solches Informationsfreiheitsgesetz schon längst in Kraft. Es bleibt beim Konjunktiv, denn nach wie vor herrscht in Österreich das Amtsgeheimnis.

Nun ist mit den Grünen erstmals eine Partei, die ein glaubhaftes Interesse an der Informationsfreiheit bewiesen hat, Teil der Bundesregierung. Das Transparenzkapitel im türkis-grünen Regierungsprogramm kam die Grünen teuer zu stehen, es kostete schmerzhafte Kompromisse im Bereich Migration und Menschenrechte. Wenn das Informationsfreiheitsgesetz kommt, muss es also Hand und Fuß haben, damit die Grünen etwas politische Restwürde behalten können.

"Justitia" im Wiener Justizpalast.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Auch das könnte sich als Eventualität erweisen. Denn was unter Türkis-Blau für die ÖVP an Regierungsvorhaben unbequem war, wurde für das Ende der Legislaturperiode geplant – und dann durch Neuwahlen verhindert.

Für die Verfasser des geplanten Informationsfreiheitsgesetzes lohnt es sich, den aktuellen Fall mit der Stadt Wien, in dem es um Sparideen ihrer Mitarbeiter geht, genau zu studieren: Da reichte nicht einmal ein höchstgerichtliches Urteil, um die Behörde zur Offenlegung zu bewegen. In den Verhandlungen für das lange angekündigte Transparenzgesetz sprachen die großen Parteien immer davon, dass das Recht auf Information ja von den Gerichten durchgesetzt werden könne. Nun zeigt sich, dass dem nicht so ist.

Neben scharfen Sanktionen für staatliche Geheimniskrämer wird nun auch für alle ersichtlich, dass es eine unabhängige, spezialisierte und mit umfangreichen Befugnissen ausgestattete Stelle geben muss, die Bürgern und Journalisten zu ihrem Recht auf Information verhilft.

Die Corona-Krise hat die Prioritäten im Regierungsprogramm ordentlich durcheinandergewirbelt. Das Transparenzpaket darf dadurch aber nicht verzögert werden – zumal es keine nennenswerten Kosten verursacht. Wenn der gesamten Bundesregierung die Informationsfreiheit ein echtes Anliegen ist, beinhaltet das Paket auch einen eigenen Beauftragten. Aber das ist wieder eine Eventualität. (Sebastian Fellner, 28.5.2020)