37 Prozent der Befragten wollen mehr oder weniger rasch in ein Kino, wenn das wieder möglich ist.

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Linz – Österreich ist seinem offiziellen Selbstverständnis nach eine Kulturnation – und das ist es auch im Verständnis seiner Bürgerinnen und Bürger: 34 Prozent stimmen dieser Einschätzung auf einer fünfteiligen Skala voll zu, weitere 32 Prozent geben einen Zweier. Das geht aus einer aktuellen Market-Umfrage für den STANDARD hervor.

Was jedermann ins Auge springt, die Architektur, wird auch von den Befragten am bedeutendsten wahrgenommen: Der Aussage "Die schönen Gebäude sind wichtig für Österreichs Identität" geben 40 Prozent einen Einser, 34 Prozent einen Zweier – Durchschnittsnote 1,91. Unmittelbar danach kommt schon das Essen und Trinken: Dass Gastronomie zu Österreichs kulturellem Erbe gehöre, ist 41 Prozent einen Einser und 30 Prozent einen Zweier wert.

DER STANDARD ließ weiter fragen: "In den vergangenen Wochen wurde viel über Kunst und Kultur beziehungsweise die Kulturschaffenden in Österreich in der Corona-Krise diskutiert. Was ist Ihr Eindruck? Wurden Künstlerinnen und Künstler in den vergangenen Wochen im Vergleich mit anderen Berufstätigen benachteiligt, oder wurden Künstlerinnen und Künstler alles in allem fair behandelt?"

Darauf sagte eine relative Mehrheit von 41 Prozent, Künstler hätten in der Corona-Krise besondere Nachteile erlitten. 28 Prozent meinen, Kunstschaffende seien fair behandelt worden, der Rest der Befragten hat dazu keine Einschätzung. Auffallend ist, dass die Benachteiligung von Künstlerinnen und Künstlern besonders von der städtischen Bevölkerung, insbesondere von jener Wiens, wahrgenommen wird.

Auch die Anhängerschaften unterschiedlicher Parteien nehmen Nachteile für Kulturschaffende unterschiedlich wahr – besonders stark werden diese von SP- und Grün-affinen Befragten wahrgenommen, eine überwiegend faire Behandlung sehen nur die Anhänger der ÖVP.

Kulturausgaben zurückgefahren

In einer gleichzeitig durchgeführten Market-Eigenstudie wurde erhoben, in welchen Bereichen die heimische Bevölkerung derzeit besonders spart – und dabei wurden nach Auslandsreiseplänen (58 Prozent) gleich die Kultur (47 Prozent) und die Gastronomie (45 Prozent) genannt. Als besonders sparsam bei Kultur und Unterhaltung erweisen sich die Anhänger von FPÖ und Grünen, wobei andererseits gerade unter den Grün-Wählen einzelne Befragte sagen, dass sie gerade jetzt mehr ausgeben.

Die Tabelle zeigt, dass 37 Prozent der Befragten mehr oder weniger rasch in ein Kino wollen, wenn das wieder möglich ist, 32 Prozent drängt es ins Kabarett, 29 Prozent ins Theater und jeden Vierten zu einem Pop- oder Rockkonzert.

Ein starkes Viertel hofft auf Mayer

Ob sich an der Situation der Kultur etwas ändern wird, nachdem Ulrike Lunacek durch Andrea Mayer als Staatssekretärin für Kunst und Kultur ersetzt worden ist? Dazu ließ DER STANDARD Market fragen: "Gehen Sie davon aus, dass sich mit der Bestellung der neuen Staatssekretärin die Situation für Künstlerinnen und Künstler in Österreich verbessern wird oder eher nicht?" Darauf sagten 37 Prozent, dass sich eher keine Änderung abzeichnet, 28 Prozent erwarten eine Verbesserung. Ein starkes Drittel machte keine Angaben. Wiederum ist es die Gefolgschaft von SPÖ und Grünen, die Hoffnungen in Mayer setzt.

Apropos Parteipräferenzen: In der gesamten Einschätzung des Kulturbetriebs weichen zwei Gruppen deutlich von den anderen ab, nämlich die Wählerschaft der Freiheitlichen und die Gruppe der politisch derzeit Unentschlossenen. Market-Studienleiter David Pfarrhofer verweist darauf, dass es zwischen diesen Gruppen von Wahlberechtigten einen starken Austausch gibt – vielfach gelingt es der FPÖ, Wahlberechtigte quasi in letzter Minute doch noch zur Wahl zu motivieren, andererseits springen enttäuschte FPÖ-Wähler besonders leicht ab und wählen beim nächsten Wahlgang vielleicht gar nicht.

Anderer Kulturbegriff der Freiheitlichen

Freiheitliche und (derzeitige) Nichtwähler stimmen unterdurchschnittlich stark der Aussage zu, dass Festivals wichtig für Österreichs Tourismus wären, sie planen deutlich unterdurchschnittlich oft Theaterbesuche, wenn diese wieder möglich wären, und sie können auch nicht viel mit dem Begriff der Kulturnation anfangen.

In zwei Punkten weicht der Kulturbegriff der Freiheitlichen besonders von der allgemeinen Einschätzung (auch jener der Nichtwähler) ab: FPÖ-Wähler meinen überdurchschnittlich stark, dass die Volkskultur in Österreich zu wenig Ansehen habe. Gleichzeitig sagen besonders wenige Freiheitliche, dass sie selbst künstlerisch tätig wären, wenn auch nur als Hobby.

Und wie ist das mit der künstlerischen Freiheit? Acht Prozent der Befragten stimmen voll und ganz der Ansicht zu, dass diese in Österreich zu weit ginge, 13 Prozent geben einen Zweier. Ein Drittel der Befragten stimmt aber gar nicht, weitere 18 Prozent kaum (Note 4) zu. Hier finden die Wählerschaften der Freiheitlichen mit jenen ihres früheren Koalitionspartners ÖVP zusammen – beide Gruppen zeigen übereinstimmend eine geringere Liberalität. (Conrad Seidl, 28.5.2020)