Auch in der Schweiz gerieten Unternehmer durch Corona-Maßnahmen ins Straucheln. Die Regierung hat dort schnell reagiert.

Foto: Imago

Mindestens 6.000 Euro, maximal 15.000 Euro und rückwirkende Bonuszahlungen. Die Ankündigung der Regierung am Mittwoch, den Härtefallfonds deutlich auszuweiten, kam überraschend. Mit der neuen Mindestförderung und dem "Comeback-Bonus" von 500 Euro pro Monat wurde der Rettungsschirm aus Sicht zahlreicher Kleinstunternehmer nun zwar verbessert, nach wie vor gebe es aber ausreichend Hindernisse. Das große Problem: Zwar sollen Mittel jetzt auch rückwirkend ausbezahlt werden, für viele Selbstständige kommt das Geld aber viel zu spät. Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass dort vieles besser funktioniert.

Die Schweiz etwa hat das eigene Klischee erfüllt. Pünktlichkeit lautete die Devise bei der Entschädigung für Erwerbsentfall. Auch in dem Alpenland gibt es einen Topf für Selbstständige, die entweder direkt durch behördliche Schließungen oder indirekt von den Corona-Maßnahmen betroffen sind. Die Entschädigung muss – wie hierzulande – nicht zurückgezahlt werden. Sie entspricht 80 Prozent des Einkommens und beträgt maximal 196 Franken (183 Euro) pro Tag.

Stimmung ist gut

Seit Mitte April haben bereits rund 125.000 Selbstständige den Erwerbsersatz in Anspruch genommen und einen Gesamtbetrag von umgerechnet 503 Millionen Euro erhalten. Zum Vergleich: In Österreich haben die 167.000 Antragsteller bisher 201 Millionen Euro bekommen. Dabei ist allerdings das unterschiedliche Lohnniveau in den zwei Staaten zu beachten. Zwar raunen auch einige Schweizer Unternehmer, dass der Ausgleich zu niedrig sei, in Summe ist die Stimmung aber wesentlich besser, wie Umfragen zeigen.

Schneller ging es im Bankenland Schweiz auch mit den Kreditauszahlungen. Wie auch in Österreich wurden Covid-19-Überbrückungskredite eingerichtet, für die der Bund bürgt. Seit Ende März wurden nach Angaben des Finanzdepartements rund 125.400 Kredite mit einem Gesamtvolumen von 15 Milliarden Franken vergeben – dreimal so viel wie in Österreich.

Laut Finanzminister Blümel wurden in Österreich bisher Garantien mit einem Volumen von vier Milliarden Euro genehmigt.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Laut Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wurden hierzulande knapp 20.000 Anträge auf Garantien gestellt, das genehmigte Gesamtvolumen beträgt nur vier Milliarden Euro. Dass die Schweiz hier deutlich schneller ist, mag der Regierung in Wien noch nicht aufgefallen sein, sehr wohl aber dem Landeshauptmann des westlichsten Bundeslands: "Die Schweiz macht das bestechend gut, um schnelle Liquidität zu garantieren", sagte Markus Wallner (ÖVP) vor wenigen Tagen den "Vorarlberger Nachrichten".

Geld nach wenigen Tagen

Und auch in Deutschland lief so einiges runder. Zwar beharrt die türkis-grüne Regierung wiederholt darauf, dass über der Grenze vieles schlechter sei, so ganz stimmt das aber nicht. Während Unternehmer in Österreich Wochen auf Gelder warten mussten, ging es in Deutschland rascher und unkomplizierter. Dort ist zu hören, dass Selbstständige schon wenige Tage nach Ansuchen mehrere tausend Euro Unterstützung auf ihrem Konto vorfanden.

Die Soforthilfe ist deutlich anders strukturiert und ist vielmehr mit dem Fixkostenzuschuss vergleichbar, der hierzulande erst seit wenigen Tagen beantragt werden kann. Deutsche Antragsteller, die um ihre Existenz fürchten, können eine einmalige Soforthilfe beantragen. Unternehmer mit bis zu fünf Beschäftigten erhalten maximal 9.000 Euro für drei Monate, wer bis zu zehn Angestellte hat, bekommt maximal 15.000 Euro. Im Gegensatz zum Härtefallfonds sind die Mittel nicht für den privaten Lebensunterhalt gedacht, sondern für laufende Kosten im Unternehmen – etwa Mieten oder Kredite. Für den persönlichen Bereich wurde der Zugang zur Grundsicherung vereinfacht. Bisher wurden 1,62 Millionen Anträge mit einem Volumen von 12,5 Milliarden Euro genehmigt – im Verhältnis zur Einwohnerzahl also deutlich mehr als hierzulande. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau bewilligte bisher zudem 47.743 Anträge mit einem Volumen von 25,6 Milliarden Euro.

Auch in Deutschland waren Geschäfte wochenlang geschlossen. Kleinunternehmer erhielten allerdings relativ früh Hilfe.
Foto: APA/dpa/Frank Rumpenhorst

Bürokratische Hürdenläufe, die in Österreich absolviert werden müssen, sind in Deutschland oder der Schweiz offenbar kein so großes Problem. Hierzulande kamen zudem unzählige "Schikanen" dazu, erzählt Sonja Lauterbach, die sich mit weiteren Selbstständigen zu einer Initiative zusammengeschlossen hat. So wurden Anträge aufgrund abgelaufener Reisepässe abgelehnt; ebenso Bankkonten, die auf den Firmennamen laufen. Die neuesten Ankündigungen zum Härtefonds würden zwar Verbesserungen bringen, alles in allem bleibe das Paket demütigend, sagt Lauterbach. Dass etwa nach wie vor die Umsatzrentabilität als Bemessungsgrundlage herangezogen wird, sei "völlig vertrottelt".

Wie es in Österreich gelaufen ist

Dass die Hilfe in einigen Fällen zu spät kam, zeigen Gespräche mit Unternehmern. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat DER STANDARD mit zahlreichen Selbstständigen gesprochen – und einige nach Wochen erneut kontaktiert. Wie geht es ihnen jetzt?

Nächster Halt Arbeitsmarktservice: Eine Yogalehrerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, ging in der ersten Phase des Fonds leer aus. Erst nach Wochen erhielt sie 500 Euro aus dem Topf. Einnahmen hatte sie aufgrund der Corona-Maßnahmen keine, weiter abzuwarten war ihr zu riskant. "Es geht sich einfach nicht aus." Mit 1. Juni wird sich die Frau beim AMS anmelden. Sie hofft, über das Arbeitsmarktservice einen Job zu finden, in dem sie zumindest nebenbei Yogastunden anbieten kann.

Jobben im Bootsverleih statt Fotografie: Auch für Michael K. ging es sich nicht mehr aus. Dem Fotografen wurden sämtliche Aufträge abgesagt, das Geschäft läuft nach wie vor nicht an. Events und Hochzeiten werden wohl bis in den Herbst ausbleiben. Der Fotograf jobbt jetzt bei einem Bootsverleih, um seinen Lebenserhalt zu stemmen. "Österreich ist eines der reichsten Länder, da ist es beschämend, wenn Unternehmer mit 500 Euro abgespeist werden", lautete sein Fazit Anfang der Woche.

Leise Hoffnung, dass es wieder bergauf geht: Für Sophie P. ist es gerade noch glimpflich ausgegangen, wie sie erzählt. Die Inhaberin eines Modegeschäfts hat mit einem Umsatzeinbruch von 80 Prozent zu kämpfen. Nur sehr langsam würden wieder Kunden kommen. Den Fixkostenzuschuss hat sie noch nicht beantragt. Ihr Steuerberater habe geraten, noch abzuwarten, da sich Richtlinien dauernd ändern. Es gehe bergauf, aber die Einbußen werden bleiben, sagt P. Sie ist wütend, dass die Regierung "unwahr kommuniziert". (Nora Laufer, 29.5.2020)