Lukas Resetarits redete sich in einem Youtubevideo in Rage.

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Christoph Grissemann parodierte Ulrike Lunacek als Double.

Screenshot ORF TV-Thek

In ihrer Rücktrittsrede als Kulturstaatssekretärin nahm Ulrike Lunacek eine Gruppe von Kritikern auf lakonische Art besonders ins Gebet: die Satiriker. Sie freue sich, schon bald in Vorstellungen von Stermann und Grissemann oder Lukas Resetarits gehen zu können, um zu schauen, "ob ich an deren Programm genauso viel Kritik finden kann, wie sie an meinem".

Dass es die Humoristen derart prominent ins tagespolitische Geschehen schaffen, kam in den letzten Jahren häufiger vor – unübertroffen etwa die prominente Erwähnung Jan Böhmermanns in H.-C. Straches Ibiza-Rücktrittserklärung. Und es sagt vielleicht etwas darüber aus, wie Methodik und Sprache der Satiriker im viral-medialen Zeitalter mitunter besser verfangen als klassisch angestaubte Oppositionsarbeit.

Es waren allem Anschein nach nicht jene Theater- und Museumsdirektoren, deren wochenlang geäußerte Kritik an unzureichenden Corona-Hilfen für die Kulturbranche das Fass zum Überlaufen brachte, sondern die Kabarettisten: Christoph Grissemann, der in Willkommen Österreich die Unfähigkeit Ulrike Lunaceks persiflierte, zu einer Sprache zu finden, bei der sich Künstler nicht auf den Status talentierterer Kinder zurückgesetzt fühlen. Und Lukas Resetarits, der in einem vielgeteilten Wutvideo empfahl, die Grünen unter die vier Prozent zurückzuwählen.

Sexistisch oder treffsicher?

Das Umfeld respektive Büro Lunaceks soll auf die satirischen Beiträge besonders empfindlich reagiert und dies gegenüber der Branche auch geäußert haben. Als sexistisch wurde etwa Grissemanns stark geschminkter Auftritt wahrgenommen, als unreflektiert grobschlächtig jener von Resetarits. An der Kritik mag durchaus etwas dran sein. Und Resetarits ruderte nach dem erfolgten Rücktritt fast etwas erschrocken zurück, als er betonte, sich gegen die Untätigkeit der Regierung als Ganze, nicht gegen die Person Ulrike Lunaceks gerichtet zu haben.

Warum aber gelang den Satirikern, woran sich andere die Zähne ausbissen? Der maßgebliche Grund ist wohl darin zu sehen, welch massenwirksamer Status hierzulande den Kabarettisten im Gegensatz zu den Tempeln der Hochkulturund Hütten der Subkultur eingeräumt wird: Ungewöhnlich breite Resonanz im wahrsten Sinne des Wortes hatte zu seiner Zeit bereits Helmut Qualtinger erlebt, der Kabarettboom via Kino und TV in den 1990er-Jahren aber versetzte eine ganze Generation von Kabarettisten in die fast gespenstische Lage, als Sprachrohr und zugleich politisches Korrektiv des ganzen Landes herhalten zu können.

Außerdem zählt das Kabarett zu den wenigen Kunstsparten, wo man mit geringen Subventionen auskommt – oder auskommen musste. Finanzielle Unabhängigkeit übersetzt sich hier in trotzigen Stolz und die gebotene Respektlosigkeit gegenüber politisch Mächtigen. Man ist glaubwürdig, goschert, betont volksnah und ist mit enormer medialer Reichweite ausgestattet.

Etablierte stützen Aufsteiger

Aber es gibt auch noch eine andere Seite der Medaille, wie jene zu berichten wissen, die hinter den Kulissen arbeiten. Julia Sobieszek, die eine der wichtigsten Kabarettagenturen im Land leitet, kämpfte in der Vergangenheit häufig vergeblich darum, bei der Politik mehr Subvention für das Kabarett zu erstreiten. "Die Antwort war: Damit Kabarett kritisch bleibt, kann es nicht subventioniert werden. Es gibt aber genug kritische Theaterstücke, Filme, Bücher etc., die auch mit und durch Subvention ermöglicht werden. Deshalb halte ich das für kein valides Argument."

Unausgesprochen hat sich in der Szene daraufhin eine Art Generationenvertrag entwickelt: Die Älteren, Etablierten, die die Häuser voll machen, finanzieren mit ihrer Auslastung Auftritte der Jüngeren, die noch wenig Publikum erreichen – ein Konzept, das in der Corona-Krise Risse bekam.

Auch daraus erklärt sich der spezifische Unmut gegenüber der Politik. Die Krise zum Anlass nehmend, gründete Sobieszek die IG Kabarett – ein Interessenzusammenschluss, den es beim Theater oder den Schriftstellern seit vielen Jahren gibt.

Ziel ist aber weniger der Ruf nach mehr Subventionen, sondern die Forderung nach einer geordneten Rückkehr in den Normalbetrieb. Bei erwarteten Einbußen von 50 bis 70 Prozent will die IG eine Kompensation erstreiten.

Fehlendes Kuschelfeeling

Abstandsregeln und Masken machen Andreas Fuderer, der die Mittelbühne Stadtsaal und das kleine Kabarett Niedermair betreibt, Sorgen: "Wir sind in Gesprächen, die Vorführungen auf ‚outdoor‘ zu verlagern, um die volle Auslastung zu erreichen. Die Stimmung, die vorherrschen wird, wenn Leute mit Masken im Kabarett sitzen, kann aber wohl keine lockere, ausgelassene und freudvolle sein. Wir leben vom Lagerfeuer, vom Kuschelfeeling. Das können wir momentan nicht umsetzen."

In politischer Hinsicht scharren die Kabarettisten jedenfalls längst in den Startlöchern: "Satiriker übernehmen immer wieder eine Vermittlerfunktion, um politische Sachverhalte mehr Menschen näherzubringen", sagt etwa Florian Scheuba. Man schaffe eine "Gegenöffentlichkeit, bei der Message-Control nicht funktioniert". (Stefan Weiss, 29.5.2020)