Der Chef der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, im Reaktorgelände von Arak. Dort arbeitet die chinesische CNNC, die nun von amerikanischen Sanktionen bedroht ist.

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Das war es dann wohl mit dem iranischen Atomdeal, oft Wiener Abkommen genannt, weil es im Sommer 2015 in der österreichischen Hauptstadt, wo es auch verhandelt worden war, finalisiert wurde. US-Außenminister Mike Pompeo hat am Mittwoch bekanntgegeben, dass die das Atomabkommen betreffenden "Waiver" in sechzig Tagen auslaufen. Mit diesen "Ausnahmen" wurden jene Firmen und Länder von US-Sanktionsdrohungen befreit, die mit dem Iran bei der Umsetzung des JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action), wie der Atomdeal offiziell heißt, zusammenarbeiten.

Die USA, ursprünglich selbst beim JCPOA mit dabei, sind im Mai 2018 ausgetreten. Dabei haben sie es aber nicht bewenden lassen, sie versuchen seither, den Atomdeal von außen zu zerstören. Der deklarierte Plan der Regierung von US-Präsident Donald Trump ist eine Neuverhandlung und substanzielle Verschärfung des Abkommens. Dafür, dass der Iran dazu bereit wäre, gibt es jedoch keine Anzeichen.

Vom neuen amerikanischen Schritt betroffen sind europäische, russische und chinesische Unternehmen. Sie haben nun zwei Monate Zeit, ihre Aktivitäten im Iran einzustellen – wobei man davon ausgehen kann, dass hinter den Kulissen weiter hart verhandelt wird. Wäre es jedoch nach Pompeo gegangen, dann wäre es schon jetzt aus: Der US-Außenminister soll schon Ende März gegen eine weitere 60-tägige Waiver-Verlängerung gewesen sein. Er setzte sich nicht durch.

Beschränkung und Kontrolle

Denn auch in der US-Regierung gibt es – dem Iran durchaus sonst nicht freundlich gesinnte – Personen, die den JCPOA zwar nicht für den bestmöglichen Deal, aber für besser als nichts halten. Denn erstens beschränkt das Wiener Abkommen das iranische Urananreicherungsprogramm streng, zweitens garantiert die Umsetzung eine ständige Kontrolle im Iran.

Die Folgen eines völligen Zusammenbrechens des JCPOA sind ungewiss. Nicht nur der Iran ist ja Verpflichtungen unter dem Atomdeal eingegangen, sondern auch die anderen Partner. Das sind nach dem US-Austritt die sogenannten E3/EU (EU, Großbritannien, Frankreich, Deutschland) sowie Russland und China.

Problem für Chinesen

Da geht es etwa um den Umbau des früheren Schwerwasserreaktors in Arak, dem durch ein Redesign im Rahmen des JCPOA die Fähigkeit genommen wurde, Plutonium – theoretisch Material für eine Atombombe – zu produzieren. Ursprünglich waren die USA selbst an dem Arak-Projekt beteiligt beziehungsweise sogar wissenschaftlich federführend. Nach dem amerikanischen Ausscheiden aus dem JCPOA sprangen die Briten ein. Die Umsetzung liegt jedoch bei der CNNC, der China National Nuclear Corporation. Sie ist weltweit tätig – US-Sanktionen wären demnach ein wirklich großes Problem für die Chinesen.

Dass es eine so mächtige chinesische Firma wie die CNNC betrifft, ist ein Hinweis darauf, dass es den USA beim Andrehen der Schrauben nicht nur um den Iran, sondern auch um China geht. Die Frage ist nun, ob China die CNNC schützen – oder den USA die Stirn bieten – wird.

Die Situation in Arak ist zumindest vom Standpunkt der nuklearen Non-Proliferation nicht akut gefährlich: Zwar hat Teheran die Wiederherstellung des Reaktors im alten Design schon zuvor angedroht. Aber auch wenn die Iraner ernst machen, würde der Rückbau laut Experten mindestens fünf Jahre dauern.

Nuklearer Brennstoff

Schneller schlagend könnte die Frage des Brennstoffs für den Forschungsreaktor in Teheran (TRR) werden, in dem Isotopen für medizinische Zwecke hergestellt werden. Den Brennstoff liefert derzeit Russland, weil es dem Iran ja nicht gestattet ist, Uran auf die dafür nötigen knapp 20 Prozent anzureichern. Russland übernimmt auch abgebrannte Brennelemente. Auch das soll nach US-Willen eingestellt werden.

Der Iran verfügt im Moment über genügend russischen Brennstoff für den TRR. Aber da die eigene Produktion einige Zeit dauern würde, droht die relativ rasche Wiederaufnahme der iranischen Urananreicherung auf zwanzig Prozent. Unter dem JCPOA darf der Iran auf 3,67 Prozent anreichern. Zuletzt hatte er, als Reaktion auf die US-Schritte, insignifikant höher angereichert.

Die 20-Prozent-Schwelle

20 Prozent ist die Schwelle von niedrig zu höher angereichertem Uran. Auch damit kann man keine Bombe herstellen – aber der Weg zur Anreicherung auf waffenfähiges Uran wird stark verkürzt. Den Iran davon möglichst lange möglichst weit wegzuhalten war Sinn und Zweck des JCPOA.

Der Iran hat immer weniger davon, den Atomdeal selbst einzuhalten. Allerdings drohen die Europäer ihrerseits mit Maßnahmen, sollte er weitere Schritte setzen, ihn zu verlassen. Zu Jahresbeginn stand im Raum, ob die E3/EU nicht den "Disputlösungsmechanismus" in Gang setzt, der die iranischen Verletzungen letztlich vor den Uno-Sicherheitsrat bringen könnte – beziehungsweise wurde er ausgelöst, aber angehalten, er läuft aber auf unbestimmte Zeit weiter, ein Damoklesschwert für den Iran. Außerdem gibt es derzeit einige offene Fragen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die der Iran nur unzureichend beantwortet. (Gudrun Harrer, 28.5.2020)