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Wien – In der Nacht auf Freitag sind die Gespräche über einen neuen Kollektivvertrag für die Mitarbeiter der Billigfluglinie Laudamotion gescheitert. Zuvor war rund 15 Stunden lang verhandelt worden, Gewerkschaft Vida, Laudamotion und Wirtschaftskammer (WKO) waren an einem Tisch gesessen. Nach ein Uhr früh wurden die Verhandlungen ergebnislos abgebrochen, Vida hat den von Laudamotion vorgeschlagenen und von der WKO bereits unterschriebenen KV abgelehnt.

Laut Vida-Vorsitzendem Roman Hebenstreit hat Laudamotion zwar nachgebessert, aber die Gehälter für Vollzeitmitarbeiter ("Vollzeit-Schichtarbeit" nennt es der Gewerkschafter) "nie über die Armutsschwelle angehoben", die in Österreich bei 1.300 Euro netto liege. Die Anhebungen seien im "kosmetischen" Bereich gelegen, zudem seien arbeitsrechtswidrige Passagen in den Entwürfen vorgesehen gewesen. Immer wieder seien neue Ultimaten gestellt worden. Zudem habe Laudamotion für eine Einigung die Bedingung gestellt, dass der Betriebsrat zurücktreten müsse. "Das ist so, als würde ich sagen: Ich zahle meine Steuern nur, wenn der Finanzminister zurücktritt", vergleicht Hebenstreit.

Kompromissangebot

Die Vida habe am Ende der Verhandlungen noch ein Angebot gelegt, unter die Armutsschwelle könne man bei den Gehältern aber nicht gehen. Die Gewerkschaft habe vor allem versucht, das Modell der Kurzarbeit (statt Kündigungen) schmackhaft zu machen. Hebenstreit betont aber, weiter verhandlungsbereit zu sein: "Unsere Hände bleiben ausgestreckt."

Das sieht man bei Lauda anders. Die Vida sei nie an einer Lösung interessiert gewesen und habe Betriebsräte von AUA und Level im Verhandlungsteam gehabt, erklärte Lauda-Flugkapitän Thomas Gurgiser in einer Mitteilung. Er spricht von einem "abgekarteten Spiel". Und weiter: "Skandalöserweise befanden sich im Vida-Verhandlungsteam sowohl ein Betriebsrat der AUA als auch ein Betriebsrat der Level. Deren einziges Ziel war es, einen positiven Vertragsabschluss zu verhindern und damit 500 Menschen die Existenzgrundlage zu rauben."

Betriebsrat an Bord

Das stellt die Gewerkschaft so klar: Im Verhandlungsteam für Kollektivverträge sind die Mitglieder des gewählten Fachausschusses der jeweiligen Branche dabei. Im konkreten Fall ist das der Fachausschuss Luftfahrt. In diesem Ausschuss sitzen die Betriebsräte aller Airlines, also etwa auch jene der AUA. Der Fachausschuss muss den KV auf Gewerkschaftsseite auch unterschreiben; so funktioniert das in jeder Branche.

Der Laudamotion-Betriebsrat (um dessen Rechtmäßigkeit vor Gericht gestritten wird) ist laut Vida deswegen nicht im Fachausschuss und bei den Laudamotion-Verhandlungen vertreten, weil er bei der Besetzung des Gremiums noch nicht existiert hat. Hebenstreit dazu: "Auch wenn wir einen KV für die AUA verhandeln, sind die Betriebsräte der anderen Airlines dabei."

Laudamotion ruft nun nach einem Machtwort von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). "Lauda ruft Kanzler Kurz auf, in diesen Vida-Skandal einzugreifen", hieß es am Freitag in einer englischsprachigen Aussendung. "Kanzler Kurz kann diese gutbezahlten Jobs in Wien noch retten, in dem er den unehrlichen Vida-Vorsitzenden Daniel Liebhart auffordert, den Lauda-KV zu unterschreiben oder zurückzutreten", heißt es in der Pressemitteilung.

Harte Bandagen

Der Ball wird nun von den Neos aufgenommen. Es sei "ein Wahnsinn", dass es trotz der Nachbesserungen seitens Laudamotion zu keiner Einigung gekommen sei und nun 370 Jobs wackeln, sagte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Sie vermutet, dass die Gewerkschaft "im Eigeninteresse" verhandelt habe, um der AUA einen Konkurrenten vom Hals zu schaffen.

Meinl-Reisinger fordert die Regierung auf, einen runden Tisch einzuberufen, um eine Lösung zu finden. Immerhin sei es unter Regierungschef Kurz in der ÖVP-FPÖ-Koalition zur "österreichischen Lösung" mit der Übernahme der Fluglinie durch Niki Lauda gekommen. "Die Regierung soll ihren Job machen", meint die Neos-Chefin im Gespräch mit dem STANDARD. Sie hat einen entsprechenden Antrag am Freitag im Parlament eingebracht.

Vida-Vorsitzender Hebenstreit weist diese Vorwürfe zurück. Die Gewerkschaft verhandle grundsätzlich auch bei den Airlines um den Erhalt von Arbeitsplätzen und darum, dass Arbeitnehmer, die Vollzeit arbeiten, von ihrem Einkommen auch leben können. Keine Gewerkschaft würde einen KV unterschreiben, der bestehenden Gesetzen widersprechen würde und in dem Gehälter fixiert werden, die unter der Armutsschwelle liegen würden. Hebenstreit auf Anfrage: "Ich glaube nicht, dass mir eine Parlamentarierin und Parteichefin ausrichten will, dass Menschen – und im konkreten Fall besonders Frauen – von ihrer Vollzeitarbeit nicht leben können sollen, und dass sie der Gewerkschaft anraten möchte, gesetzeswidrige Verträge zu schließen."

Das Onlineportal "Aviation-Net" zitiert in einem Bericht über die Verhandlungen, dass die Geschäftsführung von Laudamotion ihr Angebot für einen neuen KV "massiv" nachgebessert habe, insbesondere habe man bei den Gehältern der Junior-Flugbegleiter dazugelegt. Zudem habe sich das Unternehmen verbindlich zur Auszahlung von Mindestgrundgehältern verpflichtet, die "höher seien als die jetzt bezahlten". Die verbesserten Vorschläge seien bei Ryanair-Chef Michael O'Leary herausgeschlagen worden, der "regelrecht eingeknickt" sei, wie "Aviation-Net" schreibt. Der Geschäftsführer der Laudamotion, Andreas Gruber, war zunächst nicht zu erreichen.

Mutter Ryanair will fliegen

Einigung gab es trotzdem keine. Die Gewerkschaft räumt ein, dass Laudamotion zwar nachgebessert habe, wiederholt aber, dass eben die Armutsgrenze nicht erreicht worden sei. Auch Vida habe versucht einzulenken und sei zu einem "Krisenbeitrag" bereit, dazu habe es dann aber in der Verhandlungsnacht kein Okay gegeben.

Sollte Mutter Ryanair wahrmachen, was bisher angekündigt worden ist, wird die Basis der Billigairline in Wien-Schwechat nun geschlossen; und zwar schon am Freitag. Betroffen sind rund 370 Mitarbeiter, sie wurden bereits beim AMS zur Kündigung angemeldet. Ryanair hat bereits begonnen, die Airbus-Flotte aus Wien abzuziehen. Die irische Fluglinie hat angekündigt, die Strecke von und nach Wien selbst zu übernehmen und viele neue Destinationen eröffnen zu wollen. (Renate Graber, Andreas Schnauder, 29.5.2020)