Die Proteste eskalierten in der Nacht auf Freitag.

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Ein brennendes Spirituosengeschäft in Minneapolis.

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Am Freitag hielten die Demonstrationen in Minneapolis weiter an.

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Minneapolis – Nach gewaltsamen Protesten wegen des Todes eines Schwarzen bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis hat der Gouverneur des US-Bundesstaats Minnesota, Tim Walz, die Nationalgarde mobilisiert. Er erklärte am Donnerstag den Notstand für Minneapolis und umliegende Gebiete. Wie viele Nationalgardisten zum Einsatz kommen sollen und wann, ging aus Walz' Anordnung nicht hervor. Friedliche Demonstrationen sollen weiterhin erlaubt sein.

In der dritten Protestnacht in Folge kam es in der Nacht auf Freitag zu schweren Ausschreitungen. Walz reagierte mit seiner Maßnahme auf Unruhen und Plünderungen, die mit St. Paul auch die Hauptstadt des Bundesstaats erfassten. Ganze Straßenzüge in Minneapolis glichen Medienberichten zufolge einem Schlachtfeld.

Straßenschlachten

Demonstranten lieferten sich Straßenschlachten mit Sicherheitskräften, die Gummigeschoße und Tränengas abfeuerten. Ein Mann wurde mit einer Schusswunde ins Krankenhaus eingeliefert, wo er später starb. Einige stürmten laut örtlichen Medienberichten eine Polizeiwache und setzten diese in Brand.

Die Polizeistation sei evakuiert worden, berichtete der Sender CBS Minnesota unter Berufung auf eine Polizeimitteilung. Vor dem Gebäude in Minneapolis riefen dutzende Demonstranten "Keine Gerechtigkeit – kein Frieden" ("No justice, no peace"), wie die "Washington Post" berichtete.

CNN-Team verhaftet

Am Freitag, an dem die Demonstrationen weitergingen. wurde in Minneapolis der CNN-Journalist Omar Jimenez zusammen mit seinem Team (einem Produzenten und einem Kameramann) festgenommen, während er live berichtetet. Der Sender verurteilte die Festnahme und sprach von einer Verletzung der Pressefreiheit. Das Team ist mittlerweile wieder freigelassen worden – nachdem, wie die Polizei erklärte, bestätigt worden sei, dass es sich um Medienvertreter gehandelt habe. Zudem wirft CNN den Sicherheitskräften Rassismus vor: So sei ihr schwarzer Reporter vor Ort in Handschellen gelegt worden, ihr weißer Journalist hingegen nicht.

Der Fall George Floyd

Seit Dienstag kam es immer wieder zu Ausschreitungen. Anlass war der Fall George Floyd: Der 46-Jährige starb, nachdem ein Polizist sein Knie mehrere Minuten lang auf Floyds Hals gedrückt hatte. Floyd war am vergangenen Montag nach einem Notruf wegen eines mutmaßlichen Zahlungsversuchs mit einem gefälschten Geldschein vor einem Supermarkt festgenommen worden.

Auf einem zehnminütigen, vielfach geteilten Video, das eine Passantin mit ihrem Handy aufgenommen hatte, ist zu sehen, wie Floyd mehrmals um Hilfe bittet, bevor er das Bewusstsein verliert. "Ich kann nicht atmen", sagt er zuvor mehrmals. Er starb kurz danach in einem nahe gelegenen Krankenhaus. Die vier involvierten Polizisten wurden entlassen, aber bisher weder festgenommen noch angeklagt.

Laut "New York Times" eskalierten die Auseinandersetzung auf den Straßen von Minneapolis, nachdem die Staatsanwaltschaft mitgeteilt hatte, sie habe noch nicht entschieden, ob sie den Polizisten anklagen solle, der sein Knie etwa acht Minuten lang auf Floyds Hals gedrückt hatte.

Untersuchungen angekündigt, Trump droht

Die Bundespolizei FBI und die örtliche Staatsanwaltschaft erklärten am Donnerstag in einer gemeinsamen Stellungnahme, den Ermittlungen und einer möglichen Anklage werde "höchste Priorität" gegeben. Das FBI ermittelt auch wegen einer möglichen Verletzung der Bürgerrechte Floyds.

Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump eine beschleunigte Untersuchung des Vorfalls versprochen. Trump sagte am Donnerstag, er habe sich das Video angeschaut. "Das war eine sehr schlechte Sache, die ich gesehen habe."

Interne Untersuchung

Die Polizei von Minneapolis leitete eine interne Untersuchung ein. Der demokratische Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, forderte ein Strafverfahren gegen den Polizisten. Trump gab Frey in einem Tweet Mitschuld daran, die Lage nicht unter Kontrolle gebracht zu haben. Die Demonstranten bezeichnete der US-Präsident als "Verbrecher". Er drohte außerdem damit, die Nationalgarde zu schicken und auf Plünderer schießen zu lassen.

Trump schrieb: "Habe gerade mit Gouverneur Tim Walz gesprochen und ihm gesagt, dass das Militär ganz an seiner Seite steht. Wenn es Schwierigkeiten gibt, werden wir die Kontrolle übernehmen, aber wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen." Den Tweet nahm Twitter allerdings mit dem Argument, dass dieser als Aufruf zur Gewalt verstanden werden könnte, vom Netz. Damit geht der Streit zwischen dem Unternehmen und dem Präsidenten in die nächste Runde.

Ausschreitungen auch in anderen Städten

Die Proteste haben sich in der Folge auf weitere Städte ausgeweitet, darunter New York City, Albuquerque (New Mexico), Denver (Colorado) und Columbus (Ohio). In Denver fielen laut Medienberichten Schüsse. Auch in Louisville, der größten Stadt im Bundesstaat Kentucky, kam es zu Ausschreitungen. Sieben Personen wurden dort angeschossen, eine davon ist in kritischem Zustand. Sicherheitskräfte sollen laut Medienberichten nicht in die Vorfälle involviert gewesen sein.

In Louisville gingen Demonstranten auch in Gedenken an Breonna Taylor auf die Straße. Die 26-Jährige war im März in ihrer Wohnung von Polizisten erschossen worden. Die Beamten waren auf der Suche nach einem Verdächtigen in ihre Wohnung eingedrungen. Taylors Freund schoss auf sie, da er von einem Einbruch ausging, die Polizei schoss zurück und tötete Taylor. Ihr Anwalt ging Mitte Mai mit dem Fall an die Öffentlichkeit.

Der frühere Star-Quarterback Colin Kaepernick verteidigte die massiven Proteste gegen Polizeigewalt. "Wenn Höflichkeit zum Tod führt, ist Revolte die einzige logische Reaktion", schrieb der 32-Jährige auf Twitter. "Wir haben das Recht, uns zu wehren! Ruhe in Power, George Floyd."

Kaepernick ist zur Symbolfigur der Proteste gegen Polizeigewalt vor allem gegenüber schwarzen US-Bürgern geworden. 2016 hatte er vor einem Football-Spiel gegen Polizeigewalt und Rassismus in Amerikas Alltag demonstriert: Während der Nationalhymne, die vor jedem Spiel ertönt, kniete sich der heute 32-Jährige hin. Damit hatte er für weltweites Aufsehen gesorgt. (red, APA, 29.5.2020)