Am Rande des Wiener Praters hat sich der Schriftsteller Christian Futscher zwischen Rapid-Plakaten und Wäscheständern eine Schreibstube eingerichtet. Hier träumt er von einem eigenen Hochhaus.

"Mit meinen Arbeitsplätzen und Schreibtischen hatte ich in meinem Leben immer nur Pech. Meine erste Schreibstube habe ich in einem Keller eingerichtet, da ist das Papier nass geworden. Mein zweites Büro war auf dem Dachboden meiner damaligen Wohnung, da war es im Sommer so heiß, dass ich dort nie länger als zehn Sekunden sitzen konnte. Meinen dritten Schreibtisch hatte ich im Lager der Buchhandlung der alten Wirtschaftsuniversität, da habe ich mir endlich einen schönen Arbeitsplatz eingerichtet, aller guten Dinge sind drei, und am ersten Abend haben im Nebenlager zwei Menschen zu bumsen begonnen, recht ausdauernd sogar, dann hat es mir gereicht.

Christian Futscher hatte mit seinen Schreibstuben nie viel Glück. Nun schreibt er zu Hause.
Foto: Lisi Specht

Seitdem schreibe ich in meinen Wohnungen. Meine vorige Wohnung im 15. Bezirk war zu Beginn zwar noch eine Wohnung, und damals war alles gut, doch dann hat sie sich, während ich immer öfter bei meiner Frau im zweiten Bezirk gewohnt habe, mehr und mehr zu einer Schreibwohnung gewandelt, und das war dann gar nicht mehr gut, das Schicksal meiner Arbeitsorte ist ja bereits hinlänglich bekannt. Die Wohnung war am Ende so zugemüllt, dass ich jedes Mal beim Übertreten der Schwelle depressiv geworden bin.

Mein Sohn war der Einzige, der die Wohnung geliebt hat, weil er sich zwischen den Bücherbergen und Papierstößen austoben konnte. Doch nachdem die Hausverwaltung einen Privatdetektiv angeheuert hatte, der feststellte, dass dort eigentlich nur noch meine Bücher wohnten, musste ich ausziehen. Das Aufräumen und Ausmisten gehört zu den glücklichsten Momenten meines Lebens. Seitdem lebe ich irgendwie minimalistischer und asketischer.

Die Einrichtung der 80 Quadratmeter großen Wohnung ist das Werk von Christian Futschers Frau.
Fotos: Lisi Specht

Seit 1994 wohne ich mit meiner Familie nun fix hier in der Böcklinstraße, am Rande des Wiener Praters. Was für ein Segen! In den ersten Wochen habe ich abends auf dem Weg vom Heurigen nach Hause regelmäßig ,It’s good to be on the way back home again‘gesungen, und obwohl die Wohnung im Hochparterre liegt und von den umliegenden Baumkronen permanent beschattet ist, habe ich sie zu lieben gelernt. Seitdem mein Sohn ausgezogen ist und ich sein Zimmer zwischen Rapid-Plakaten und Wäscheständern nun als Schreibstube nutzen kann, mag ich sie noch mehr.

Was die Möblierung aller 80 Quadratmeter betrifft, so ist dies das Werk meiner Frau, die sich oft monatelang damit beschäftigt, zur Kommode die richtige Lampe, zum Tisch die richtigen Stühle zu finden. Meine Lieblingsgegenstände hingegen sind sehr, sehr klein. Dazu zählen beispielsweise ein Meersalzpackerl aus Gozo, eine lange Geschichte sowie eine Weinflaschendrehverschlusskappe, in der nun unsere Stubenfliege Fritz begraben liegt. Fritz war keine gewöhnliche Fliege, sondern die Reinkarnation unserer Katze Chelsea, die vorletzten Ostermontag gestorben ist. Daran besteht kein Zweifel: Fritz ist Chelsea.

Christian Futscher selbst hat die Wohnung, in der auch Fritz begraben ist, mit den Jahren lieben gelernt.
Fotos: Lisi Specht

Auch sonst habe ich es eher mit den kleinen, kurzlebigen Dingen. Als Jugendlicher habe ich künstliche Spinnennetze gewoben, später habe ich meine Fenster mit Tipp-Ex bemalt, und zwar mit einem Zitat aus den Kneipenliedern von Rainer Brambach und Frank Geerk: ,Seid nicht traurig, bald ist das Leben vorbei!‘ Und dann ist eines Tages mein Kleiderkasten in sich zusammengebrochen, ich habe das Bruchbild schön gefunden und habe in diese Schrankruine, mit Ästen und Zweigen geschmückt, meine Matratze hineingelegt. Ein schönes Baumhaus.

Mein Traum jedoch wäre ein Hochhaus. Für jede Funktion wie Kochen und Essen, Schlafen und Lieben, Spielen, Freunde empfangen, Musik machen, Roman und Lyrik schreiben hätte ich gerne eine eigene Etage. Ich denke, zehn bis zwölf Stockwerke wären okay. Mehr brauche ich nicht." (2.6.2020)