Den Kaufhaustycoon lernte die Wiener Sekretärin Heidi Jelinek in einer Hotelbar in Velden am Wörthersee kennen. 1966 wurde sie Helmut Hortens zweite Ehefrau. Nach seinem Tod 1987 erbte sie ein Vermögen.

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Als Heidi Hortens Kunstsammlung 2018 im Rahmen einer Ausstellung im Leopold Museum debütierte, überreichte Gernot Blümel (ÖVP) seiner "Mäzenin" zur Eröffnung einen Blumenstrauß, wenige Monate später heftete er ihr das "Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst" ans Revers.

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"Bravo Horten!" bewarb der Jungunternehmer die "hochinteressanten Eröffnungsleistungen" anlässlich "der Übernahme des früheren Hauses Alsberg" im Frühsommer 1936.

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Heidi Horten und die Öffentlichkeit, das ist ein Kapitel für sich: Einerseits meidet sie diese wie der Teufel das Weihwasser, andererseits lässt sich die Milliardärin auch gerne als Förderin feiern. Die Rolle als Zeugin in einem Untersuchungsausschuss ist eine neue und war, anders als die Inszenierung zur Kunstmäzenin, nie geplant.

Geschuldet ist das Heinz-Christian Strache. In dem denkwürdigen Ibiza-Video hatte er mit Spenden von Prominenten wie Horten geprahlt, die über einen Verein und an den Rechnungsprüfern der Republik vorbei an die FPÖ geflossen wären. In einer Größenordnung von 500.000 bis zu einer Million Euro jährlich. Horten ließ über ihren Anwalt dementieren, Strache zog die Aussage ebenfalls zurück.

ÖVP-Großspenderin

Eine Vorladung zum U-Ausschuss flatterte der 79-Jährigen dennoch in ihr Penthouse. SPÖ und Neos begehren eine Zeugenaussage über mutmaßliche Parteispenden an die FPÖ. Die an die ÖVP adressierten erwiesen sich ja mittlerweile als real. Mitte August 2019 wurde bekannt, dass die Witwe des 1987 verstorbenen deutschen Kaufhausmagnaten Helmut Horten die ÖVP seit 2018 großzügig unterstützte: Rund um den 20. jeden Monats überwies sie 49.000 Euro. Ab 50.000 Euro hätte das dem Rechnungshof gemeldet werden müssen.

Die monatlichen Tranchen blieben also gerade noch unter dem Radar. Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes und Neos-Politikerin, verlieh dem Horten-Modell jüngst im ORF (Im Zentrum, 17. 5.) das Prädikat "unverschämt". Bis inklusive des ersten Halbjahres 2019 hatten sich die monatlichen Gaben an die ÖVP auf 931.000 Euro summiert. Ob der Dauerauftrag weiterlief, ist unbekannt. Gesichert ist hingegen, dass die prominente Gönnerin, die mit Attest zur Corona-Risikogruppe gehört, der für kommenden Freitag (5. 6.) anberaumten Einvernahme physisch fern bleiben wird.

Vermögen wurzelt in der NS-Zeit

Gesichert ist weiters, dass sich ein Themenkomplex nicht in Luft auflösen wird, zu dem die 1941 in Wien als Heidi Jelinek geborene seit Jahrzehnten keine Stellung bezieht: der Herkunft ihres Vermögens, das Ende der 1960er-Jahre durch Steuerflucht vermehrt wurde und dessen Grundstock in der Arisierungspolitik der Nazis wurzelt, die Helmut Horten überhaupt erst den Aufstieg zum Kaufhausmagnaten ermöglichte. Er war kein beliebiger Mitläufer, sondern ein nachweislicher Nutznießer des verbrecherischen NS-Regimes.

In der historischen Tragweite machte das der Spiegel erstmals 1987 öffentlich, ein Jahr nachdem zahlreiche Firmen in Deutschland unbefangen den 50. Jahrstag ihrer Gründung gefeiert hatten. Zeitgleich war damit auch das zweifelhafte Jubiläum der von den Nazis betriebenen Arisierung jüdischer Unternehmen und die "Entjudung der deutschen Wirtschaft" zelebriert worden. Der damals forcierte Kaufboykott jüdischer Kaufhäuser führte zu Umsatzeinbrüchen, die deren Besitzer zum Verkauf zwangen: so auch im Falle jenes der Gebrüder Alsberg in Duisburg, das Horten 1936 übernommen und dessen sämtliche jüdische Angestellten er postwendend entlassen hat.

Erste Arisierung 1936

"Das ist Horten!", stellte sich der 27-jährige Jungunternehmer mit ganzseitigen Inseraten in der NS-Parteizeitung vor.

Den Wechsel in "arischen Besitz" zelebrierte Helmut Horten eigens mit einer Eröffnung. "Jawohl – Sie haben ganz richtig gesehen: das Alsberg-Haus hat seinen Hausherrn gewechselt, ist in arischen Besitz übergangen", informierte er im Mai 1936 mit ganzseitigen Inseraten im "Duisburger General-Anzeiger".
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"Jawohl", ließ er verlauten, "das Alsberg-Haus hat seinen Hausherrn gewechselt" und sei "in arischen Besitz übergegangen". In der Festschrift 1986 wurde eine manipulierte Version veröffentlicht: Statt "in arischen" war "in anderen Besitz" zu lesen. Das NS-Gütezeichen "Deutsches Geschäft" aus der Originalvorlage ließen die Horten-Chronisten aus dem Faksimile verschwinden. "So dreist und so plump" fälschten nicht alle ihre Firmengeschichte, betonte der Spiegel.

Der Horten-Konzern entstand auf den Trümmern jüdischer Existenzen, daran ließen die Spiegel-Recherchen keinen Zweifel. In weiterer Folge hatte Horten noch weitere Textilhäuser und jüdische Firmen übernommen. "Bravo Horten" ließ er in Inseraten sein Angebot feiern. Als der Handel mit Textilien eingeschränkt wurde, bekam er den Auftrag, die Kontingente zu organisieren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schickten die Alliierten den "Reichsverteiler für Textilien" in ein Internierungslager. Nach 17 Monaten und einem Hungerstreik kam er frei und startete von vorn, kaufte nun die Unternehmen von Überlebenden, die ins Exil geflüchtet waren.

Betroffene Nachfahren

"Repatriierung deutschen Vermögens" nannte es Horten, der sich fortan als "Kaufhaus-König" und Repräsentant des deutschen Wirtschaftswunders feiern ließ. Der FDP spendete er von Mitte der 1950er- bis in die 1980er-Jahre Millionen, seine Witwe ist dagegen dem konservativen Lager der ÖVP zugetan. 2004 und 2008 vorerst sporadischer Natur mit je 100.000 bzw. 50.000 Euro. Erst mit der Kanzlerschaft von Sebastian Kurz kam auch der Dauerauftrag.

Dieses Hineinwirken eines in der NS-Zeit begründeten Vermögens in die österreichische Politik wollte die Tochter eines damals Betroffenen nicht unkommentiert lassen. Denn "hinter der Hort’schen Spendierfreudigkeit und Kunstsinnigkeit steht ein großes Unrecht, das meinem Vater das Herz gebrochen hat", gab Stephanie Stephan dem Profil (17. 5.) zu Protokoll. Ihr Vater war 1933 in die Niederlande geflüchtet und beriet in der deutschen Treuhandgesellschaft später niederländische Unternehmer im Umgang mit der NS-Besatzungsmacht.

Horten drohte mit KZ

Als Vorstandsmitglied des Modekonzerns Gebrüder Gerzon erlebte Reinhold Stephan einen Horten, der ihn, die jüdischen Eigentümer und ein beteiligtes Bankhaus massiv unter Druck setzte, wie aus eidesstattlichen Erklärungen im Nachlass Stephans hervorgeht. Seine Drohungen inkludierten die Aussicht auf Gefängnis oder das KZ Mauthausen. Horten bekam seinen Willen erfüllt. Mitglieder der Gerzon-Familie wurden Opfer des Holocausts. Nach dem Krieg versuchte Stephan jahrelang eine Entschädigungsforderung gegenüber dem Kaufhausmagnaten durchzusetzen. Vergeblich. Der Wirtschaftsprüfer verstarb 1965 verarmt und von der Nachkriegsjustiz enttäuscht.

Solche Schicksale sind Teil der Geschichte des von Forbes 2019 auf 3,1 Milliarden Dollar geschätzten Vermögens. Dieser Makel haftet auch allem an, womit sich die Witwe je als Mäzenin profilierte. Dazu gehört ihre Kunstsammlung, für die sie derzeit eine ehemalige Beamtenburg im Hanuschhof in ein Privatmuseum umbauen lässt. Ab 2022 sollen Hortens Trophäen dort zu sehen sein und als Leihgaben durch die internationale Kunstwelt tingeln. Als ihre Sammlung 2018 im Leopold-Museum debütierte, hatte man bezüglich des NS-Themas auf die wissenschaftliche Aufarbeitung eines Historikers verwiesen.

DER STANDARD fragte bei dem mittlerweile als Journalist tätigen Autor nach, der das verwundert bestreitet. Vielmehr habe er als Student für ein Internetportal ein Porträt über Helmut Horten verfasst. Quellenforschung war nicht Teil des Projekts. (Olga Kronsteiner, 30.5.2020)