Seit 2009 nutzt Donald Trump Twitter als sein wichtigstes Sprachrohr. Nun fühlt er sich vom IT-Konzern verfolgt.

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Bei der Verkündung seines Dekrets zeigte Donald Trump eine böse Schlagzeile über den Mann, der für die Integrität von Inhalten bei Twitter zuständig ist.

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Wäre Twitter schon bisher für die von Nutzern verbreiteten Nachrichten medienrechtlich verantwortlich gewesen, dann hätte der Kurznachrichtendienst unzählige hetzerische, rassistische und verleumderische Tweets eines gewissen @realDonaldTrump löschen müssen. Twitter konnte auf diesen Eingriff aufgrund eines Gesetzes von 1996 verzichten, wonach Internetplattformen für die Inhalte auf ihren Seiten nicht haftbar gemacht werden können.

Es ist ein Treppenwitz der Trump-Ära, dass das Dekret der US-Regierung, das Twitter diesen rechtlichen Schutz entziehen soll, gerade den Präsidenten am meisten treffen würde. Und tatsächlich hat der kalifornischen IT-Konzern bereits begonnen, Trumps bisherige Narrenfreiheit einzuschränken. Dessen Aufruf, im Zusammenhang mit den gewaltsamen Protesten gegen die Polizeigewalt in Minneapolis auf Plünderer schießen zu lassen, verstößt eindeutig gegen die Twitter-Regeln und wäre auch bei anderen Nutzern nicht durchgegangen. Den Tweet auszublenden, aber lesbar zu lassen ist eine kluge, wenn auch etwas gemeine Art, das unberechenbare Staatsoberhaupt vorzuführen.

Eine fruchtbare Partnerschaft

Dieser Konflikt bedroht eine mehr als zehnjährige Partnerschaft, von der beide Seiten viel profitiert haben. Für Trump war Twitter das wichtigste Sprachrohr, das ihm erlaubte, kritische Medien und Journalisten zu umgehen. Für Twitter war Trump schon lange vor dessen Einzug ins Weiße Haus eine Attraktion, die Geschäft und Gewinne brachte.

Aber in den vergangenen Wochen wurden die Trump-Tweets nicht nur immer häufiger, sondern auch immer aggressiver. Die Corona-Krise und die schlechten Umfragewerte machen dem Präsident zu schaffen. Mit noch mehr Hetze, die ihre Inhalte von den schlimmsten Verschwörungstheorien nimmt, will er seine Basis bei der Stange halten. Doch Twitter muss sich um auch seine Reputation sorgen und hat unter wachsendem öffentlichem Druck zunehmend rechtsextreme Agitatoren verbannt. Warum dann nicht auch Trump, wurde der Konzern immer öfter gefragt.

Unterstellung eines Mordes

Auslöser des jüngsten Konflikts waren Trumps seit Tagen per Tweet wiederholte Unterstellungen, der mit ihm verfeindete TV-Moderator Joe Scarborough habe als republikanischer Kongressabgeordneter vor zwei Jahrzehnten eine junge Mitarbeiterin umgebracht, weil er mit ihr eine Affäre gehabt hatte. Sie starb an einem Herzfehler. Selbst für viele treue Republikaner gehen diese Angriffe zu weit.

Der Witwer hat sich öffentlich über diese Tweets empört und die Löschung gefordert. Twitter kam diesem Wunsch nicht nach, aber hängte nach der nächsten Attacke, die auf Unwahrheiten beruhte, einen Faktencheck an. Dabei ging es um Trumps Behauptung, bei Briefwahlen, die in der Corona-Krise mehrere von Demokraten regierte Bundesstaaten erleichtern wollen, gebe es massiven Wahlbetrug.

Trumps Dekret ist rechtlich wirkungslos. Er kann nicht willkürlich die Interpretation eines Gesetzes ändern, und sollten seine Behörden nun gegen Twitter vorgehen, würden die Gerichte das rasch stoppen. Für eine Gesetzesänderung braucht er das von den Demokraten beherrschte Repräsentantenhaus Für Twitter wäre das unangenehm, aber auch nicht gefährlich.

Opfer der liberalen Medien

Aber ihm und seinem Justizminister William Barr geht es gar nicht um einen Kurswechsel in der Medienpolitik. Das wäre ja auch nicht in ihrem Interesse. Sie wollen bloß den bei ihren Anhängern so beliebten Mythos verstärken, wonach Trump ein Opfer der von Liberalen beherrschten Medien ist. Nach der "New York Times" und der "Washington Post" wird nun das Silicon-Valley-Unternehmen Twitter in die Riege seiner Feinde aufgenommen.

Dass Trump deshalb die Plattform verlässt, ist unwahrscheinlich. Auf 80 Millionen Follower verzichtet mach nicht so leicht. Aber auch Twitter muss aufpassen, es sich mit dem Präsidenten nicht ganz zu verscherzen. Er bringt nicht nur unzählige wertvolle Zugriffe, sondern auch Relevanz. Und anders als bei klassischen Medien ist die Unparteilichkeit ein Teil des Geschäftsmodells.

Aus rationaler Sicht wäre ein Waffenstillstand das beste für beide. Doch sollte Trump in den kommenden Wochen seine Hetzkampagnen noch verschärfen, dann könnte es doch noch passieren, dass eines der größten sozialen Medien der USA den Präsidenten zur Persona non grata erklärt. (Eric Frey, 29.5.2020)