Österreich fehlt nicht viel, um das Ökostromziel zu erreichen. Leider klettert man in die falsche Richtun

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Dank der üppigen Wassermassen, die von den Bergen fließen, liegt Österreich mit einem Anteil von über 70 Prozent erneuerbarer Energie am gesamten Stromverbrauch im europäischen Spitzenfeld. Dazu steuern Wasserkraftwerke mehr als fünfmal so viel bei wie Wind, Solar, Geothermie und Biomasse zusammen. Um das Ziel von einhundert Prozent erneuerbarer Stromerzeugung bis zum Jahr 2030 zu erreichen, fehlt also nicht viel. Allerdings geht der Trend in die andere Richtung.

Anteil der Erneuerbaren sank

Binnen 25 Jahren, von 1994 bis 2018, ist der Anteil der Erneuerbaren an Österreichs Stromverbrauch von 77 auf 72 Prozent geschrumpft, wie eine aktuelle Auswertung des Branchenverbands IG Windkraft ergibt, die dem STANDARD vorliegt. Andere EU-Länder wie Dänemark oder Deutschland haben im selben Zeitraum den Anteil der erneuerbaren Stromerzeugung von vier bzw. fünf Prozent auf 60 bzw. 40 Prozent gesteigert.

Der Vergleich legt nahe, dass mit weniger Aufwand als in andere Staaten Österreich längst vollständig auf Ökostrom hätte umsatteln können. Wieso kam es umgekehrt? "In Österreich wurde kein Wert auf Energieeffizienz gelegt", sagt IG-Windkraft-Sprecher Martin Jaksch-Fliegenschnee.

Im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern ist der Stromverbrauch und damit auch der Ausstoß von Treibhausgasen in Österreich über die letzten Jahrzehnte immer gestiegen. Seit dem Jahr 2000 muss Österreich Strom importieren, um den Bedarf zu decken. Außerdem blieb der Ausbau von Wind- und Solarenergie auf der Strecke. 2020 ist sogar das erste Jahr, in dem die Zahl der Windräder sinkt. Solarenergie macht trotz effizienterer Anlagen nur ein Viertel der Stromerzeugung aus Windkraft aus.

Fehler vermeiden

Das Zögern hat einen Vorteil. Man kann aus Fehlern anderer lernen. Ob die Energiewende in Deutschland vorbildhaft läuft, ist unter Experten höchst umstritten. Abermilliarden an Steuergeldern flossen in die Preisstützung von Ökostrom. Der hastige Ausstieg aus der Atomenergie hat Kohlekraftwerke wieder angefeuert und die Netze ächzen unter unregelmäßigen Produktionsspitzen bei Wind und Solar, die vom Wetter abhängen statt sich am Verbraucher zu orientieren. Immerhin sind die Zuschüsse deutlich gesunken, auch wenn die Produktion noch nicht wettbewerbsfähig ist.

Die Hoffnung der heimischen Branche liegt auf dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das Umweltministerin Leonore Gewessler in den kommenden Wochen vorstellen will. Ab 2021 soll es in Kraft treten. Im Rahmen der Konjunkturpakete, die als Antwort auf die Corona-Krise geschnürt werden, könnten Milliarden fließen, die bisher nicht locker saßen. Vielleicht nimmt Österreich dann wieder Kurs auf das selbstgesteckten Ökostromziel auf. (Leopold Stefan, 30.5.2020)