Die Geschwindigkeit war beeindruckend. Und auch die Inhalte können sich mehr als sehen lassen. Vor wenigen Tagen lag die Kultur in diesem Land noch danieder. Doch mit der seit Freitag möglichen Wiedereröffnung von Theatern, Konzertsälen und Kinos und dem in dieser Woche vorgestellten Hilfspaket für die Filmbranche und jenem für freie Kulturschaffende kann eine Branche aufatmen. Also nach zwölf Wochen Ausnahmezustand alles wieder paletti? Von wegen.

Die Kollateralschäden der größten Kulturkrise seit vielen Jahrzehnten sind gewaltig. Wer immer in Zukunft das Wort von Österreich als Kulturnation in den Mund nimmt, wird das mit einem schalen Beigeschmack tun. Und wer immer die Rolle von Künstlerinnen und Künstlern für unsere Gesellschaft hervorhebt, wird sich ein paar unangenehme Fragen gefallen lassen müssen: Warum hat es so lange gedauert, bis man endlich Maßnahmen und Hilfen umgesetzt hat, die diesen Namen auch verdienen? Warum musste erst eine ganze Branche auf die (virtuelle) Straße gehen, bis man sie von Regierungsseite ernst genommen hat? So wichtig, wie in Schönwetterreden angemerkt wird, scheint die Kultur den Repräsentanten dieses Staates nicht zu sein.

Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Mit dem mit 90 Millionen Euro gefüllten Hilfsfonds für freie Kulturschaffende hat man jetzt endlich jenen Topf geschaffen, den viele gefordert haben. Andere Länder und Regionen haben ihn aber schon vor Wochen installiert. Die Schweiz spannte ihren Kultur-Rettungsschirm nach wenigen Corona-Wochen auf. Und auch Bayern erklärte rasch, dass man die Kulturschaffenden mit 1000 Euro pro Monat unterstützen werde. Das am Donnerstag von der neuen Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer vorgestellte Paket geht in eine ähnliche Richtung. Im Falle der Filmwirtschaft übernimmt der Staat sogar eine Ausfallhaftung, falls Drehs abgebrochen werden müssen. Das ist, und darauf hat Mayer zu Recht hingewiesen, in Europa einmalig.

Sicher, der Wechsel von Ulrike Lunacek zu Andrea Mayer als Staatssekretärin hat vieles beschleunigt. Ermöglicht hat die Wende in der Kulturpolitik aber erst die breite Erkenntnis, was und wer an den großen Kultureinrichtungen des Landes alles dranhängt – und wie prekär viele Künstlerinnen und Künstler leben. In einer "Kulturnation" müsste dieses Wissen eine Selbstverständlichkeit sein. Jetzt wissen wir, dass dem nicht so ist. Das ist beschämend – und sollte zu denken geben. (Stephan Hilpold, 29.5.2020)