Gegen Stephan E. liegt nun eine Anklage wegen des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor.

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Berlin – Der mutmaßliche Mörder des deutschen Politikers Walter Lübcke soll die Tat über Jahre hinweg geplant haben. Das geht nach Angaben des ZDF-Magazins "Frontal21" vom Freitag aus der Anklageschrift für den vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main anstehenden Prozess hervor. Der Prozess soll demnach am 16. Juni beginnen.

Laut Bundesanwaltschaft habe Stephan E. seit Mai 2017 mehrfach das Haus seines künftigen Opfers ausgespäht, berichtete "Frontal21". Dabei habe er mal einen Revolver, mal eine Wärmebildkamera mit sich geführt. Aus Unterlagen des Tatverdächtigen geht dem Bericht zufolge hervor, dass er akribische Vorsichtsmaßnahmen traf.

Schießtraining

"Lange Kontrolle und Beobachtung des Tatorts vor der Tatausführung", heiße es in den Unterlagen. "An Tatwaffen dürfen keine Haare oder Textilfasern haften, weder von dir noch vom Opfer." E. widerrief nach seiner Festnahme ein erstes Geständnis und schob die Schuld auf seinen Kumpanen Markus H. – nach neuer Darstellung ging der Schuss zudem aus Versehen los.

H. brachte offenbar E. das Schießen mit scharfen Waffen bei. Eine Zeugin bestätigte laut Anklageschrift das Schießtraining der beiden Beschuldigten, wie es in dem Bericht weiter hieß.

H. habe Ausländer als "Dreckspack" bezeichnet und gedroht, er werde sich im Fall einer schweren Erkrankung einen Sprengstoffgürtel basteln und "so viele Kanaken wie möglich mit in den Tod nehmen". H. soll sich auch Chemikalien zur Sprengstoffherstellung beschafft und Probesprengungen vorgenommen haben. Die Zeugin beschreibt H. als gefühllosen Rechtsextremisten, dessen Motto gewesen sei: "Wir Deutsche brauchen Waffen."

Vertrauliche Polizeiunterlagen gefunden

Der Kasseler Regierungspräsident Lübcke war Anfang Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses in Nordhessen erschossen worden. E. und H. hatten sich seit den 1990er Jahren in rechtsextremen Kreisen bewegt. E. war als junger Erwachsener für einen Bombenanschlag auf ein Flüchtlingsheim und einen Messerangriff auf einen türkischen Imam zu einer mehrjährigen Jugendhaftstrafe verurteilt worden.

Bei den Ermittlungen zum Mord an Lübcke stießen Fahnder bei H. auf vertrauliche Polizeiunterlagen, wie der "Spiegel" in seiner neuen Ausgabe schreibt. Sie fanden demnach auf einem Mobiltelefon des mutmaßlichen Mordhelfers ein abfotografiertes Dokument – und zwar eine Schulungsunterlage zur Polizistenausbildung, in der es um Fahndungen in Fällen "terroristischer Gewaltkriminalität von bundesweiter Bedeutung" ging. Außerdem fanden die Ermittler bei H. einen Leitfaden mit Tipps, wie Rechtsextremisten einer Überwachung durch die Polizei entgehen können. (APA, red, 29.5.2020)