Bei Facebook will man noch länger im Homeoffice bleiben und dann langfristig auf dieses Modell umstellen.

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Wenn man durch den Facebook-Campus in Menlo Park spaziert, könnte man meinen, man befinde sich in einem luxuriösen Vergnügungspark. An vieles, nur nicht an ein Bürogelände, erinnern die idyllischen Grünflächen, die sogar von Füchsen behaust werden. Haare schneiden, Kleidung waschen lassen, schick mexikanisch essen oder hippe Kaffeesorten ausprobieren – Facebook hat den Arbeitsort für seine Mitarbeiter in eine kleine Stadt transformiert, mit Freizeitangebot und einer Vielzahl an Annehmlichkeiten für seine Mitarbeiter. Seit der Corona-Krise steht diese kleine Stadt leer, und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat eine neue Vision. Geht es nach ihm, ist Heimarbeit nämlich das Arbeitsmodell der Zukunft.

Auch nach Aufhebung der Maßnahmen soll Homeoffice bei Facebook noch möglich sein. In zehn Jahren sieht Zuckerberg ungefähr die Hälfte seiner Belegschaft in der ständigen Remote-Arbeit. Bereits jetzt hätten interne Umfragen – Facebook zählt immerhin 47.000 Mitarbeiter weltweit – ergeben, dass rund ein Fünftel sich dafür ausspricht. Die bereits jetzt kommunizierte Krux: Wer den Umstand, dass der Standort keine Relevanz mehr hat, ausnutzt und in günstigere Gegenden zieht, soll künftig auch mit einer Anpassung seines Gehalts rechnen müssen. Schließlich sind Gegenden wie das Silicon Valley für exorbitante Mietpreise berüchtigt. Facebook baute deswegen sogar ein Dorf für Mitarbeiter in Menlo Park.

Ähnlich begeistert ist Twitter-Chef Jack Dorsey: Mitarbeitern wurde angeboten, auch nach der Krise im Homeoffice zu bleiben. Das Kryptowährung-Start-up Coinbase will hingegen gleich eines der ersten "Remote first"-Unternehmen der Welt werden – und immer mehr Firmen wollen sich daran ein Vorbild nehmen.

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Wie sieht es mit der Psyche aus?

Doch neben den Lobliedern gibt es auch viel Skepsis: Microsoft-Chef Satya Nadella zum Beispiel glaubt, die dauerhafte Arbeit zu Hause könnte ernsthafte Konsequenzen für die psychische Gesundheit und für soziale Interaktionen mit sich bringen. Schließlich könnten virtuelle Videokonferenzen persönliche Treffen nicht ersetzen. Komplett auf Homeoffice umzusteigen ersetze "ein Dogma durch ein anderes". "Wie sieht Burnout aus? Wie mentale Gesundheit? Wie sehen diese Verfügbarkeit und der Aufbau von Gemeinschaften aus?", stellte Nadella auf Nachfrage in den Raum. Thomas Lutz von Microsoft Österreich sagt zum STANDARD, dass das Unternehmen daher lieber auf ein hybrides Arbeitsmodell setze: "Nur zu kommen, um Profil zu zeigen, muss man in Zukunft nicht." Allerdings soll es eine Mischung aus Homeoffice und persönlichen Kontakten geben. Letztlich seien diese für die Zusammenarbeit unentbehrlich.

Mit dieser Einschätzung ist Microsoft nicht allein. Schon in der Vergangenheit hat der IT-Riese IBM wenig Begeisterung für Homeoffice gezeigt. Das Unternehmen hatte zunächst flexible Arbeitsplätze etabliert, sprach sich aber vor allem in jüngeren Jahren wieder für eine fixe Anwesenheit aus – im Sinne von Kreativität und Innovationsfreude, die innerhalb des Büros gemeinsam mit einem Team entstehen. Die damalige Yahoo-Chefin Marissa Meyer verbot ihren Mitarbeitern 2013 sogar ausdrücklich, von zu Hause aus zu arbeiten – und kassierte dafür viel Kritik.

Die strikte Ablehnung des Homeoffice durch namhafte IT-Granden wie Microsoft und IBM verwundert auf den ersten Blick: Schließlich ist gerade das Silicon Valley für seine alternative Arbeitskultur bekannt. Offene Büros ohne fixen Arbeitsplatz, flexible Zeiten, Meetings auf komfortablen Beanbags, mit Laptop und Chai entspannt im Park arbeiten. Facebook und Konsorten bieten sogar direkt im Bürogebäude Freizeitangebote wie Fitnesscenter, Massagen oder Yogakurse an.Das Büro als Wohlfühloase: Vielleicht ist eben genau das der Grund, warum manche Unternehmen im Valley allergisch auf das Thema "Homeoffice forever" reagieren. Mit einem – durchaus bewusst pompös gestalteten – Campus stellten Microsoft und Co eine Kultur der Innovation dar und bewogen zahlreiche andere Firmen, es ihnen gleichzutun. Sie traten damit auch untereinander in den Wettbewerb: Schließlich will man mit den glamourös anmutenden Arbeitsstätten die klügsten Köpfe in der Branche locken. Die Milliardengelder, die ausgeschüttet wurden, um wie ein besonders attraktiver Arbeitgeber zu wirken, haben im Homeoffice allerdings keinen Nutzen mehr. Auch das ist ein möglicher Grund für die entschiedene Ablehnung.

Doch wie beurteilt die Wissenschaft die Frage, wo in Zukunft besser gearbeitet wird? Homeoffice liefert jedenfalls nicht für alle die optimalen Arbeitsbedingungen, sagt die Arbeitspsychologin Natascha Klinser zum STANDARD. Viele Menschen vermissten den Austausch und den persönlichen Kontakt zu den Kollegen. "Das Einsamkeitsempfinden steigt, und das Gefühl, ‚dazuzugehören‘, in ein größeres Ganzes eingebunden zu sein, geht verloren", erklärt die Expertin. "Zu bedenken ist auch: Nicht im Unternehmen präsent zu sein heißt, sich nicht so leicht positionieren und Karrierechancen nutzen zu können."

Kreativität kommt abhanden

Zwar könnten Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiten, produktiver sein als im Büro. Das hänge aber von der Persönlichkeitsstruktur ab. Wichtige Faktoren seien etwa Selbstmanagement, Flexibilität, Initiative und ergebnisorientiertes Handeln. Nicht unbedeutend sei auch die Bereitschaft, mit virtuellen Teams Konflikte zu lösen und Beziehungen zu betreuen. "Die Anonymität des Homeoffice begünstigt, dass die Loyalität sinkt und das Kulturempfinden abnimmt", sagt Klinser.

Tatsächlich könne auch die Kreativität in der Heimarbeit verlorengehen: Gerade die "informelle" Kommunikation zwischen Kollegen, der sogenannte Flurfunk, sei ein wichtiger Nährboden für Kreativität und Innovation. Somit dürften Firmen wie Microsoft zu Recht Bedenken haben – und Facebook und Co müssten sich überlegen, wie sie die Kommunikationskultur virtuell fördern könnten. (Muzayen Al-Youssef, 29.5.2020)