Am frühen Sonntagmorgen hatte Igor Levit die "Quälereien" hinter sich, mehr als 100.000 Menschen sahen auf seinem Twitter-Kanal zu.

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Berlin/Wien – Nach fast 16 Stunden hat der Pianist Igor Levit am Sonntag seinen Klavier-Marathon vollbracht und das Werk "Vexations" (etwa Quälereien) des französischen Komponisten Eric Satie mit seinen 840 Wiederholungen beendet. Am frühen Morgen sank Levit nach der letzten Note am Flügel in einem Berliner Studio kurz in sich zusammen, stand auf und zog sich zurück. Kommende Woche gastiert Levit dann in Wien.

Kurz danach schrieb er auf Twitter: "Fertig. Erledigt. Glücklich. Dankbar. Und sowas von high". Mit dem Auftritt wollte der 33-Jährige auf die Notlage der Künstler angesichts der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie aufmerksam machen.

Levit hatte während der Aufführung die Notenblätter mit jeder einzelnen Wiederholung neben sich auf dem Flügel gestapelt und nach einer Wiederholung ließ er jedes einzelne Blatt auf den Boden fallen. Das Konzert wurde über mehrere Kanäle gestreamt, unter anderem auf Levits Twitter-Kanal.

Wie "ein stummer Schrei"

Das Ende des 19. Jahrhunderts komponierte Werk gilt als eines der längsten der Musikgeschichte. In seiner Monotonie und Grenzwertigkeit passe es gut zur aktuellen Lage der Künstler und wirke wie "ein stummer Schrei". Die aktuelle Lage sei "brutal – körperlich, mental, emotional." Für Musiker sei die Bühne lebensnotwendig, hatte Levit vor dem Konzert gesagt.

Satie (1866-1925) hat das Werk Ende des 19. Jahrhunderts komponiert. Eine deutliche Melodie ist in dem atonalen Werk auf Anhieb nicht zu erkennen, der französische Komponist hat als Tempo "sehr langsam" angegeben und 840 Wiederholungen vorgeschrieben. Das Stück besteht aus drei Notenzeilen, die ein musikalisches Thema variieren.

Pianist spielt bei Wiedereröffnung des Wiener Konzerthauses

Levit hatte während der Corona-Einschränkungen dutzende "Hauskonzerte" gestreamt und war auch zu einer Aufführung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf Schloss Bellevue eingeladen worden. Levit gilt als einer der bedeutendsten Pianisten der jüngeren Generation. Er wurde 1987 im russischen Nizhni Nowgorod geboren, und zog mit acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland.

Deutlich kürzer zu erleben ist Igor Levit dann am 5. und 6. Juni im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses mit den Symphonikern. An beiden Tagen prägt der Pianist mit je zwei Konzerten den offiziellen Wiedereinstieg der Klassikinstitution ins Kulturleben nach den mit dem heutigen Freitag (29. Mai) in Kraft tretenden Lockerungen mit. Während das Orchester auch Edvard Griegs Suite "Aus Holbergs Zeit" und die Ouvertüre zu Mozarts "Schauspieldirektor" spielt, gestaltet man zusammen das Klavierkonzert KV 385 des Salzburgers. (APA, red, 31.5.2020)